Nestmodell nach Trennung: „Unsere Kinder haben ein festes Zuhause, wir Eltern pendeln“

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Liebe Valerie, Du hast Dich erst vor kurzem von Deinem Partner getrennt – Ihr habt drei gemeinsame Kinder. Wir haben hier ja neulich über das Wechselmodell berichtet, Ihr habt Euch für das Nest-Modell entschieden. Beschreib doch mal, wie das genau aussieht.

Bei dem Nestmodell ist es so, dass die Kinder zu Hause „im Nest“ bleiben dürfen und die Eltern pendeln. Wir machen die Aufteilung allerdings nicht 50/50. Ich bin unter der Woche etwas mehr bei den Kindern zu Hause, am Wochenende wechseln wir uns ab. Uns als Eltern war es wichtig, dass die Tage fest sind, so dass die Kinder sich darauf einstellen können und immer wissen, wer an welchem Tag da ist.

Wo bist Du bzw. Dein Ex, wenn Ihr nicht mit den Kindern seid?

Es gibt Eltern, die sich beim Nestmodell abwechselnd eine Zweitwohnung teilen – das heißt, es gibt die Wohnung mit den Kindern und dann eben noch eine Wohnung, in der man abwechselnd lebt, wenn man nicht bei den Kindern ist.

Wir machen das nicht so, wir haben jeder eine eigene kleine Bleibe. Wir haben ja nach wie vor viel Kontakt wegen der Kinder und wegen des "gemeinsamen Haushalts" in der Nestwohnung – da wollten wir nicht noch einen weiteren gemeinsamen Haushalt. Ein eigener Rückzugsort war uns wichtig.

Warum kam das Wechselmodell für Euch nicht in Frage?

Ich kenne einige Familien, in denen das Wechselmodell gelebt wird. Die Kinder haben darunter gelitten. Oft fehlte ihnen etwas, das in der anderen Wohnung war oder ein Elternteil zog weiter weg und den Kindern fehlten dort die sozialen Kontakte. Außerdem ist das Wechselmodell bei drei Kindern ein ziemlicher Organisations- und Kraftakt, ständig muss ja alles hin und hergeschleppt werden.

Das wollten wir unseren Kindern ersparen, wir wollten ihnen die gewohnte Umgebung bewahren. Es ist auch einfach praktischer: Alle Freunde leben nahe der Nestwohnung und die Großen können viele Wege auch schon alleine bewältigen, weil z. B. Hobbies um die Ecke sind. Wir konnten uns schnell auf das Nestmodell einigen, weil wir hoffen, dass es den Kindern die Trennung der Eltern erleichtert. Außerdem gehört uns die Nestwohnung.

Wie haben Eure Kinder reagiert, als Ihr ihnen gesagt, habt, wie Ihr in Zukunft leben werdet?

Unsere Kinder sind 12, 9 und 5 Jahre alt. Der jüngste Spross kommt nächstes Jahr in die Schule. Es ist bisher tatsächlich so, dass sich für sie gar nicht sooo viel verändert und sie sehr froh über unsere Lösung sind und uns das auch so sagen. Sie waren erleichtert, dass sie nicht pendeln müssen.

Ich spreche viel und möglichst offen mit meinen Kindern und sie kennen auch die Wohnungen von ihrem Papa und mir, damit sie eine Vorstellung davon haben, wo wir sind, wenn der andere Elternteil bei ihnen ist und sie sich keine Gedanken machen müssen.

Wie waren die Reaktionen Eures Umfeldes?

Die Reaktionen von Freunden waren sehr unterschiedlich. Die meisten kannten das Modell nicht. Einige waren ganz begeistert, andere eher skeptisch. Meine Mutter fand die Idee gut, mein Vater befremdlich. Verurteilt hat sie aber niemand. Wir leben ja in Berlin und da gibt es so viele unterschiedliche Menschen und Lebensweisen und unsere Freunde sind eigentlich auch alle tolerant und offen.

Wie war es für Dich, das erste Mal „auszuziehen“?

Das erste Mal auszuziehen war schon komisch. Und es fällt mir auch immer noch schwer. Insbesondere der Abschied vom Jüngsten, der noch nicht komplett versteht, warum die Mama geht. Leichter ist es, wenn die Kinder aus der Schule und der Kita direkt vom Papa abgeholt werden. 

Wie viel Kontakt besteht in der Zeit, in der Du nicht mit den Kindern zusammen bist?

Die Große meldet sich auch mal per Whatsapp und mit dem Papa der Kinder sind Absprachen relativ unkompliziert möglich, wenn mal etwas sein sollte. Ich bin maximal drei Nächte ohne die Kinder, da haben wir nicht unbedingt Kontakt. Ich finde es auch gut, wenn sie sich in der Zeit auf ihren Papa einstellen.

Wie nutzt Du die kinderlose Zeit für Dich?

Bisher war ich noch recht viel mit Organisation und dem Einrichten der Wohnung beschäftigt. Trotz geringem Budget soll es gemütlich und schön werden und ich habe sehr viel Spaß am Einrichten! Mit Kindern muss ja einiges praktisch sein oder man behält das olle Sofa, weil durch die Kinder ja doch ständig neue Flecken dazu kommen. Aber für sich alleine kann man ganz andere Ideen umsetzen.

In der freien Zeit treffe ich mich mit Freunden, gehe ins Theater, Kino, zu Veranstaltungen. Aber ich genieße auch sehr, sehr, sehr die Zeit alleine, beginne ein Instrument zu lernen und komme mal zum LESEN! Ich gebe zu: Es ist auch eine tolle Zeit für mich, nach jahrelanger Verantwortung für fast alles, was die Kinder betraf. Jetzt habe ich jedes zweite Wochenende für mich und komme zur Ruhe. Es geht mir damit sehr gut.

Was wünscht Du Dir für die Zukunft?

Für die Zukunft wünsche ich mir, dass wir Eltern eine gute Kommunikation haben/behalten werden und dass wir im Dialog mit unseren Kinder und je nach Lebenssituation die aktuell beste Lösung finden und entsprechend flexibel sein werden. Nichts ist in Stein gemeißelt.

Wir sind uns darüber im Klaren, dass unser „Nestmodell“ auch scheitern könnte. Auf jeden Fall bin ich seit der Trennung (es war ein sehr langer schwieriger Prozess, der sich aber gelohnt hat!) eine vielfach glücklichere Frau und weiß, dass ich vieles schaffen kann und auch zukünftige Hürden wuppen werde. 

—ZUM WEITERLESEN: 

So leben wir seit sechs Jahren das Wechselmodell

Uns hat das Wechselmodell fast in den Wahnsinn getrieben 

 

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15 comments

  1. Wirtschaftlichkeitsaspekte
    Rein wirtschaftlich wird gegen das Nestmodell argumentiert, damit bräuchte man drei Wohnungen statt sonst zwei. Das geht jedoch oft an den Tatsachen vorbei:

    Bei nur drei Beteiligten (zwei Ex-Partner mit einem Kind) mag das noch zutreffen:
    Die Alternative lautet dann: Zwei Wohnungen für je zwei Personen (Wechselmodell) oder im Nestmodell eine Wohnung für zwei Personen (Kind und jeweils Betreuender) plus zwei Wohnungen für jeden Ex-Partner für die Nicht-Betreuungszeit. In beiden Fällen gibt es also insgesamt vier Betten, aber im Wechselmodell zwei Kühlschränke, im Nestmodell drei Kühlschränke. DIe Betten stehen jetzt als Synonym für das persönliche Umfeld, den eigenen Raum jedes Beteiligten, einen Teil der Bekleidung, der jeweils am falschen Ort ist. Die Kühlschräke stehen für die Fixkosten einer Wohnung, einschließlich einer Küche je Wohnung. Im Wechselmodell muss „nur“ das Kind pendeln, im Nestmodell müssen zwei Erwachsene pendeln.

    Bei fünf Beteiligten (zwei Ex-Partner mit drei Kindern) der Altfamilie kommen die wirtschaflichen Vorteile des Nestes schon mehr zum Tragen:
    Im Wechselmodell muss jede Wohnung für vier Personen reichen (nämlich den Erwachsenen und die drei zeitweilig anwesenden Kinder), in Nestmodell dagegen nur die „Kinderwohnung“. Es steht also beim Aufwand acht Betten im Wechselmodell zu sechs Betten zu Gunsten des Nestes. Zum Nest pendeln zwei Erwachsene, statt dass drei („unschuldiger“) Kinder zwischen Erwachsenen pendeln.
    Und auch die (beiden) Küchen und Kühlschränke für vier Personen müssen größer sein. Und selbst wenn der Kühlschrank zum Zeitpunkt des Wechsels „leergefuttert“ sein sollte, waren daran sicherlich vor allem die Kinder beteiligt, weniger der Ex-Partner. Natürlich müssen sich die Verantwortlichkeiten für den diversen Bedarf der Kinder insgesamt halbwegs die Waage halten.

    Im nächsten Beispiel sind es sieben Beteiligte, weil beiden Elternteilen der drei Kinder ein neuer Partner vergönnt sei. Wenn die neuen Paare zusammleben wollen, braucht es im Wechselmodell zwei Wohnungen für fünf Personen, nämlich das jeweilige neue Paar und die drei Kinder. Zusammen zehn Bettplätze 😉 Im Nestmodell sind es vier Betten in der „Kinderwohnung“ und zwei mal zwei Bettplätze in den Paarwohnungen, zusammen also acht. Wiederum eine Einsparung von zwei Bettplätzen im Nestmodell.

    Etwas mehr Abstand tut gut in der neuen Partnerschaft? Der neue Partner soll oder will nicht Ersatz-Papi oder -Mutti werden? Er/sie will die ideale Single-Wohnung nicht verlassen, um einen Teil der Zeit mit einem Haufen fremder Blagen zu verbingen? Dann müssen im Wechselmodell vier Wohnungen her: Eine für jede Erwachsenen, und die beiden Wohnungen der getrennten Eltern brauchen zusätzlich Platz für drei Kinder (das gilt auch für reine Besuchs-/Umgangsregelungen mit kürzeren Besuchszeiten der Kinder!). Zusammen sind wir es wiederum zehn Betten (den Platzbedarf für gelegentliche Besuche beim alleinlebenden Partner nicht mitgerechnet), nun aber schon vier Wohnungen. Die drei Kinder gehen auf Wanderschaft, aber ein Teil der neuen Paare ebenfalls.

    Nun, im Nestmodell käme man bei entsprechenden Modell auf fünf Wohnungen und acht „reguläre“ Betten. Aber halt: Braucht es noch die getrennten „Elternwohnungen“, wenn doch die halbe Freizeit in der Kinderwohnung verbracht wird, und ein Teil der übrigen Freizeit beim oder mit der neuen Partnerin (und in den Urlaub will man ja auch mal fahren)?

    Sind zwei neue Partner mit „mäßigem“ Distanzwunsch im Spiel, lauten die Alternativen also eher:
    a) Nestmodell mit drei Wohnungen, die beiden Eltern pendeln zwischen der Kinderwohnung und dem neuen Partner.
    Im Beispiel mit drei Kindern heißt dies: Fünf von sieben Beteilgten pendeln normalerweise nicht.
    b) Wechsel- oder Besuchsmodell mit vier Wohnungen, die Kinder pendeln und die Erwachsenen pendeln auch.
    Oft ist bei solchen Paaren immer derselbe „auf Besuch“ beim anderen. Dann pendeln also alle bis auf zwei Beteiligte.

    Das Nestmodell ist also in vielen Fällen die deutlich kostensparende Variante !
    Wenn die Möglichkeiten zu Ausgaben begrenzt sind, ermöglicht es eine bessere Wohnqualität (z.B. drei Wohnungen mit größeren Zimmern in einer guten Lage gegenüber vier Wohnungen mit kleineren Kinderzimmern in einer schlechteren Lage).

    All dies gilt bei hälftiger Betreuungszeit genauso wie bei unterschiedlichen Gewichten.

  2. Hallo, ich finde das Nestmodell für die Kinder auch super, allerdings nur bis neue Partner ins Spiel kommen. Mein Mann hatte sich mit seiner Ex-Frau auch dafür entschieden, ich durfte aber beispielsweise nicht ins Nest. Dazu kam, dass wir auch ein gemeinsames Kind wollten, was sich auch nicht damit vereinbaren lässt, es sei denn, das Kind würde auch nur jedes zweite Wochenende seinen Papa sehen und ich wollte, dass sie auch möglichst viel Zeit mit ihren Geschwistern verbringt. Deswegen musste das Modell leider aufgegeben werden. Ich glaube es kann nur begrenzt funktionieren und letztendlich verschiebt man nur, dass die Kinder sich dann doch darauf einstellen müssen, regelmäßig „umzuziehen“. Wir sind dann aber nur 10min zu Fuß entfernt weggezogen und ich finde das ist für die Kinder schon zumutbar.

  3. Schrittweise Einführung des Nestmodells
    Ich finde es toll etwas über das Nestmodell zu lesen. Ich finde es das beste Modell, insbesondere für die Kinder, wenn beide berufstätig sind. In diesem Fall hat man in der Regel genug Geld um zusätzlich zwei kleine Wohnungen zu finanzieren.
    Natürlich ist eine Trennung nicht schön, aber das Nestmodell ist doch die einzige Möglichkeit gleichberechtigt die Kinder zu erziehen ohne ihnen die Last vieler Umzüge aufzuzwingen. Letztlich trennen sich die Eltern, also sollten diese auch die „Last“ der Umzüge tragen.
    Für die Kinder ist das Nestmodell sogar positiv, da die Stimmung zu Hause nun besser ist als mit den beiden streitenden Eltern.
    Es sollte meiner Meinung nach vom Jugendamt und den Familiengerichten bei finanziell gut gestellten Eltern vorrangig empfohlen beziehungsweise angeordnet werden.
    Das Nestmodell kann sehr „schonend“ eingeführt werden. Man beginnt mit einer Nacht in der man nicht zu Hause schläft. Die nächste Woche macht das der andere Elternteil. In der nächsten Woche zwei Tage, bis man bei 7 Nächten angelangt ist. Hierbei kann man anfangs auf airbnb und/oder Freunde oder Verwandte zurückgreifen. Somit haben beide genug Zeit um sich neue (kleine) Wohnungen zu suchen.
    Ein Vorteil ist auch, dass die Kinder einen sanften Übergang zu 7 Tage Mami und 7 Tage Papi haben.
    Für mich ist es das ideale Modell in einer finanziell „entspannten“ Situation.

    1. Film zum Nestmodell
      Hallo Arndt, auch ich denke, dass das Nestmodell eine echte Alternative zum Wechselmodell ist! Daher recherchiere ich (Fernsehjournalistin aus Hannover) zurzeit zu dem Thema und plane eine Dokumentation für den WDR umzusetzen. Kennen Sie denn Paare bzw. Familien, die das Nestmodell leben oder leben sie es sogar selbst? Ich würde mich freuen, wenn wir zu dem Thema sprechen können. Sie erreichen mich gut unter carina_nickel@gmx.de. Vielen Dank im Voraus, Carina Nickel

  4. Nestwohnung
    Liebe Valerie, wir überlegen gerade ob das ein Modell für uns ist. Ich suche immer noch jemanden den ich dazu befragen könnte, also wenn du Lust hättest mir von deinen Erfahrungen zu erzählen, würde ich mich freuen.
    Liebe Grüße Antje

  5. Hallo Ricarda,

    Hallo Ricarda,
    genau so ist es, zwei kleine Wohnungen sind im Endeffekt genauso teuer, das haben wir auch schon festgestellt. Wie viele Kinder habt Ihr denn und wie alt sind sie? Hättest Du vielleicht Lust, mir ein paar Fragen zu beantworten für Aspekte, bei denen ich noch etwas unsicher bin? Danke und herzliche Grüße,
    Valerie

  6. Nestmodell
    Wir machen das seit sechs Jahren und es läuft sehr gut.
    Wir zahlen für zwei kleine und die Familienwohnung so viel, wie uns zwei „familiengerechte“ Wohnungen kosten würden.
    Das Nestmodell verlangt einem natürlich viel ab: Toleranz, Geduld, Nachsicht. Aber das finde ich eigentlich gerade gut.
    Für unsere Kinder ist es super. Alles Gute weiterhin!

    1. Hallo Ricarda,
      Wir leben das Nestmodell seit 1 Jahr. Das wollten wir ausprobieren, da es klangt so, dass für die Kinder am besten ist. Es ist auch so.
      Nur, ich habe viele Fragen über welche Probleme dazu kommen könnten, oder wie steuerlich damit umzugehen ist. Da bin ich ziemlich verwirrt.
      Es wäre super wenn wir uns austauschen könnten. Es gibt leider nicht so viele Paaren, die sowas praktizieren und daher schwierig mit jemandem darüber zu reden.
      Ich würde mich freuen, wenn du bereit dafür wärst….
      Viele Grüße,
      Patricia

  7. bestimmt sehr teuer
    das modell klingt sehr schön, ich stelle es mir aber sehr schwierig vor, gleich 3 wohnungen zu finanzieren. die nestwohnung, eine wohnung für den vater allein und eine wohnung für die mutter allein. für die meisten familien wird das nestmodell aus finanziellen gründen keine option sein, was eigentlich sehr schade ist. denn für die kinder ist das nestmodell bestimmt schön und einfacher als das wechsel modell.

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