Ihr Lieben, zweimal war Anna schon schwanger, dann hat sie sich erstmal eine Pause vom Kinderwunsch „gegönnt“. Nun klopft die Sehnsucht nach einem Baby doch wieder an, aber da ist auch eine diffuse Zukunftsangst und die Frage: Sollte ich in diese Welt noch Kinder setzen?
Liebe Anna, erzähl mal kurz, wer alles zu deiner Familie gehört.
Zu meiner Familie gehört mein Ehemann Tobias (42), meine Mutter (60), meine Schwester (29), ihr Freund (32), mein Neffe (1 Jahr, 9 Monate), mein Bruder (25), seine Freundin (21), meine Schwiegermutter (69) und mein Schwiegervater (72), ich selbst bin 33.
Und dann sind da noch zehn Cousins und Cousinen zwischen 20 und 34 Jahren und mehrere Tanten und Onkel und der angeheiratete Teil der Familie von Tobis Seite. Aber das würde jetzt den Rahmen sprengen. Wir sind eine sehr große Familie.
Du hattest schon zwei Fehlgeburten…
Ja, genau. Ich hatte im Herbst 2018 und im Frühling 2019 je eine Fehlgeburt. Aktuell sind wir kinderlos.
Wie weit warst du in den Schwangerschaften und wie sehr hat dich das Ende der Schwangerschaft emotional beschäftigt?
Ich war jeweils in der 9. Woche. Da ich im medizinischen Bereich tätig bin, konnte ich die Fehlgeburten medizinisch einordnen und bin eher sachlich und rational an die Sache rangegangen. Was mir mehr zu schaffen gemacht hat, waren die Reaktionen des Umfelds. Sobald man erzählt, was passiert ist, zerfließen alle vor Mitleid oder sind total schockiert. Das hat mich viel mehr runtergezogen, als die Fehlgeburten selbst.
Zusätzlich habe ich sehr unter dem Hormonchaos und der Unberechenbarkeit meines Körpers nach den Abgängen gelitten (Hitzewallungen mit Schweißausbrüchen im Winter, massive Stimmungsschwankungen, Haarausfall, Akne…), sodass ich meinem Körper nicht mehr vertraut habe und nur ungern das Haus verlassen habe.
Du hast nach den Fehlgeburten erstmal eine Pause eingelegt, wie ging es dir und euch in dieser Zeit?
Ich war gut mit der Uni beschäftigt, was eine dankbare Ablenkung war. Tobi und ich haben viel geredet und uns als Paar in den Mittelpunkt gestellt. Wir haben schöne Dinge gemacht, sind essen gegangen, wandern, haben Freunde getroffen und unsere Zweisamkeit und die Freiheiten der Kinderlosigkeit genossen – bis heute.
Nun klopft so langsam der Kinderwunsch wieder an, sagst du… woran merkst du das? In welchen Situationen?
2018 und 2019 habe ich angefangen, überall Babybäuche zu sehen, ich wurde Patentante vom ersten Kind einer langjährigen Freundin, ich habe angefangen, mich mit Baby-Content zu beschäftigen, Mama-Bloggern zu folgen… das ist dieses Mal nicht so.
Wir haben im April 2021 geheiratet und seitdem sind wir ein bisschen entspannter beim Thema Verhütung. Wenn es passiert, dann passiert es. Ich denke viel über das Thema nach, versuche mir vorzustellen, wie mein Alltag aussehen würde, wenn wir einen Knirps um uns herum hätten.
Ich beobachte meine Freundinnen, die schon Kinder haben und überlege, ob ich das auch will. Ich merke es eher an den Gedanken, die ich mir zur Zeit vermehrt mache. Solche Gedanken hatte ich in den letzten zwei bis drei Jahren nicht.
Weil du mittlerweile überlegst, ob man „in diese Welt“ überhaupt noch Kinder „setzen“ kann… Woher rührt die Zukunftsangst. Was genau macht dir da aktuell Sorgen?
Ich beziehe mich jetzt bewusst weniger auf den aktuellen weltpolitischen Wahnsinn und die Klimakrise, sondern nur auf die Situation in Deutschland (bzw. in NRW).
Ich würde sagen, ich beobachte gerade viel. Ich lese, höre und sehe was in den Medien berichtet wird über Personalmangel und Notbetreuung in Kitas, Lehrermangel in maroden Schulen und zu wenig Kapazitäten in der Kindermedizin, weil die Vergütung der Behandlung von Kindern viel zu knapp bemessen wird.
Da frage ich mich, wie es dazu kommen konnte, wo in den letzten Jahren in Politik und Verwaltung geschlafen wurde und welchen Stellenwert Kinder bzw. Familien für diese Menschen in der Politik haben, dass wir in einem reichen Land wie Deutschland solche Verhältnisse haben.
Es kommt gerade hier und da was in Gang, aber ich denke, es wird Jahre dauern, bis man dieses Chaos endgültig in den Griff bekommen hat. Ich habe das Gefühl, man kann sich als Eltern aktuell auf Institutionen wie Kita, Schule und Gesundheitssystem für Kinder nicht verlassen.
Hinzu kommt für mich persönlich, dass ich eine leichte Form von ADHS habe und die Sorge habe, dass ich es einfach nicht schaffen könnte, in diesem Chaos Kinder zu haben, ohne selbst dabei unterzugehen. Ich habe das Gefühl, dass ich bzw. wir aufgrund des Handicaps stärker auf die funktionierende Unterstützung von Kita und Schule angewiesen sein könnten.
Lass uns nochmal tiefer gehen: Was schreckt dich ganz konkret ab?
Mich schreckt ab, welch geringen Stellenwert und welche Lobby Familien mit Kindern in Deutschland haben (nämlich so gut wie keine?). Wie sehr Familien alleine gelassen werden und welches Gewicht Kinder in der Gesellschaft haben.
Es gab kürzlich diesen einen Post, wo ein Vater eine Debatte um eine Maskenpflicht bei Erwachsenen vermisst, damit die Kinderkliniken entlastet werden. Die Kinder haben während der Hochzeit der Pandemie Masken getragen, um die Intensivstationen für die Erwachsenen zu entlasten, aber da spricht jetzt niemand mehr drüber.
Welche Punkte sprechen für dich grad FÜR und welche GEGEN ein eigenes Kind?
Für mich ist im Moment schwer zu beantworten, was für ein Kind spricht. Dafür genieße ich mein Leben, wie es gerade ist, zu sehr. Vielleicht könnte ich argumentieren, dass ich dann in der gleichen Lebensphase bin, wie viele meiner Freundinnen, die gerade das erste Kind bekommen haben.
Vielleicht würde ich dann auch endlich die Erwartungen der Gesellschaft erfüllen (ich wurde natürlich nach der Hochzeit auf das Thema angesprochen, vor allem von Menschen, die von den Fehlgeburten nichts wissen). Ich habe mich neulich mit meiner Mutter darüber unterhalten und sie sagte immer wieder, ein Kind zu haben sei soooooo schöööööön!
Gegen ein Kind spricht aktuell, dass ich meine Freiheiten und die Zweisamkeit mit Tobi sehr genieße, mich gerade auch nochmal neu kennenlerne, da wir unsere Beziehung vor etwas über einem Jahr geöffnet haben und ich in der letzten Zeit viele neue Erfahrungen sammeln durfte. Aber das ist ein anderes Thema… 😉
Ich gehe zur Zeit viel aus, tanze Nächte durch, sitze mit anderen kinderlosen Freundinnen bei einem Glas Wein zusammen und quatsche bis zum frühen Morgen. Im Anschluss genieße ich es, am Wochenende auszuschlafen, mit Tobi stundenlang zu frühstücken und dann zu tun, wonach uns an dem Tag ist.
Mit einem Kind wäre unser Leben ganz anders, das ist mir sehr bewusst. Und da wir, wie oben schon erwähnt, seit unserer Hochzeit ein bisschen entspannter bei der Verhütung geworden sind, weiß ich auch, dass sich mein wildes freies Leben jederzeit ändern könnte.
Kannst du mit deinem Partner darüber sprechen?
Ja. Wir reden sehr viel. Tobi ist auch derjenige, an den ich mich mit meinen Sorgen und Nöten als Erstes wende. Er war nach den Fehlgeburten eine ganz große Stütze in der Zeit, als ich mich erst mal wieder sortieren musste.
Tobi kann ganz toll mit meinen Patenkindern umgehen, wenn sie bei uns zu Besuch sind. Er spielt und interagiert mit ihnen, nimmt sich ihnen an. Das ist so schön zu beobachten, obwohl es die Kinder meiner Freundinnen sind, mit denen er nur über mich etwas zu tun hat.
Wenn dann aber das Kind wieder heim geht und die Haustür zu geht und es auf einmal wieder still wird und wir zusammen Spielzeug und Gästematratze aufräumen, sagt er mir auch ganz ehrlich, dass ihn der Trubel anstrengt und er die Ruhe sehr genießt.
Er verfolgt die Thematik Kita/Schule/Kinderklinik nicht so intensiv wie ich, kann aber meine Bedenken dazu nachvollziehen. Er hat keinen akuten Kinderwunsch, aber würde ich die Familienplanung jetzt nochmal angehen wollen, wäre er auf jeden Fall dabei und würde mich unterstützen.
Was meinst du, wie die Entscheidung ausfallen wird?
Ich glaube, dass wir zeitnah keine bewusste Entscheidung bezüglich der Familienplanung treffen werden. Wie gesagt, wir gehen ein gewisses Risiko ein, wenn es passiert, dann passiert es.
10 comments
Zukunftsängste sind normal. Unbekanntes macht Angst.
Hãtte, Wãre, Könnte letztendlich kann man nicht Alles vorhersehen.
Der Kinderwunsch hat auch eine rein biologische Komponente.
Aber. keine eigenen Kinder zu haben heisst ja nicht, dass es im eigenen Leben keine Kinder gibt. Die Nachbarin meiner Eltern ist kinderlos….und eine sehr wichtige Vertrauensperson für mich….
Hier in diesem Text ging es in weiten Teilen ja nicht mal um die Gesellschaftlichen Probleme….sondern um das Privat Leben….und wenn alles so passt…..dann ist es doch okay es einfach so zu lassen.
Liebe Anna, liebe Mamas,
stimmt: Beim Titel des Interviews denke ich ebenfalls eher an diese Klimabewegungen "birthstrike" und "#NoFutureNoChildren". Die Überschrift "Möchte ich in dieser/meiner Welt ein Kind bekommen?" wäre stimmiger.
In einer ähnlichen Situation (feste Partnerschaft, ohne Kind, befristeter Job) kann ich viele Gedanken nachempfinden, die Anna äußert. Ein Leben mit Kind(ern) wird sich grundlegend anders gestalten. Viele werdende und junge Mütter erzählen von der Vorfreude, als auch von den mit der Veränderung verbundene Gedanken, Sorgen & Ängste. Das darf ausgesprochen werden, oder?
Selbst wenn wir in einem tollen Land leben, die letzten Jahre haben die Eltern gefordert, bei StadtLandMama gab es verzweifelte Posts, Brandreden und Wutbriefe.
Anna lotet ihr Standing aus und wird sich hoffentlich eine wohlüberlegte Meinung bilden. Alles Gute für diesen Prozess – es ist dein Leben!
Hallo Anna und Lisa,
vielen Dank für den Text, mir bereitet die Titelfrage auch immer wieder schlaflose Nächte und ich denke vor allem darüber nach, wie sich unsere Erde wohl in den nächsten Jahrzehnten verändern wird.
Meinen Kommentar schreibe ich allerdings aus einem anderen Grund. Da erwähnt wurde, dass seit längerem „entspannt“ verhütet wird, habe ich mich bei der Zeile, dass man bei einem Glas Wein zusammen sitzt etwas erschrocken. Auf das Thema wird im Text leider nicht näher eingegangen.
Ich kann daher nur ganz allgemein schreiben: bitte beschäftigt euch mit FAS (Fetales Alkoholsyndrom). Und damit richte ich mich an alle Menschen, die darüber nachdenken, ein Kind zu bekommen.
Inwiefern bei dir, Anna, ein Risiko besteht, möchte ich gar nicht beurteilen. Ich würde mir nur wünschen, dass zu diesem Thema besser berichtet wird, da viel zu viele Kinder ein Leben lang an den Folgen leiden.
Ganz ehrlich:
1. Kindern in Deutschland ging noch nie so gut wie im Jahr 2023. Die meisten wachsen geliebt und behütet auf.
2. Kinder haben bedeutet für mehrere Jahre Verzicht auf Freiheit.
3. Für Zweisamkeit und Partynächte ist man oft zu müde.
4. Es ist unbeschreiblich einen kleinen Menschen auf die Welt zu bringen und begleiten zu dürfen. „So schön“ würde ich nicht unterschreiben. Aber definitiv intensiv. Im Schönen wie im schwierigen.
Wenn ich den Bericht so lese, kommt es mir auch so vor, dass Anna für sich so glücklich ist und ihr nichts (bzw. niemand) fehlt. Und ein Kinderwunsch ist ja eigentlich genau das. Man hat das Gefühl, es fehlt noch jemand, man sei nicht komplett, man hat noch Liebe für ein kleines Wunder „übrig“. Die von ihr genannten Gründe für ein Baby sind für mich keine. Ich war mit meinem Leben vor den Kindern auch glücklich, aber ich hatte spürbar einen Kinderwunsch.
Es ist nun schön und anstrengend, Zeit für einen selbst bleibt kaum.
ABER: Anna hat auch noch etwas Zeit und muss sich auch noch nicht gleich entscheiden. Ich finde es wichtig, dass man regelmäßig in sich rein hört, und wenn man jedes Mal für sich selbst und auch zusammen mit dem Partner feststellt, dass man kein Kind/noch immer kein Kind möchte, ist das auch ok. Es ist die Entscheidung der Beiden, Erwartungen Dritter sollten da keine Rolle spielen.
Sollte irgendwann doch ein Kinderwunsch vorhanden sein, würde ich aber auf jeden Fall gleich am Anfang abklären, weshalb es zu den Fehlgeburten kam. Eine Freundin hatte auch 2 Abgänge, jeweils in der 10. SSW. Diesen lag eine Blutgerinnungsstörung zugrunde, die für die Zukunft behandelt werden konnte.
Alles Gute!
Die Autorin macht sich so einige Gedanken zum Thema Kinder, das kann ich gut verstehen. Gerade die Debatten der letzten Jahre zur öffentlichen Wahrnehmung von Familien tragen sicher einiges dazu bei. Im Grunde hat sich ja eigentlich viel verbessert, mehr Kind- krank- Tage, flexiblere bezahlte Elternzeit, erhöhtes Kindergeld und zumindest in meiner Stadt (die 7. größte in Deutschland) hat sich auch die Situation in der Kinderbetreuung verbessert, auch die Schullandschaft bewegt sich deutlich seit Corona. Das alles ist sicher auch den geführten Debatten geschuldet, die mich, wenn ich noch kinderlos wäre, sicherlich auch zum Nachdenken gebracht hätten, ob es jetzt so gut wäre, Kinder zu bekommen… was ich sagen will, wenn der Wunsch groß genug ist, bekommt man seine Kinder.
Ich denke entweder man wünscht sich von Herzen Kinder oder halt nicht. Beides super, aber wenn man sich unsicher ist läuft man denke ich wahrscheinlich eher Gefahr, das neue Leben dann nicht oder nicht lange zu mögen. Die Umstände in der Gesellschaft sind nie perfekt und in nur sehr wenigen Ländern überhaupt besser als in Deutschland (was überhaupt bezahlbare Betreuung angeht bspw.) und wenn man sich etwas wirklich von Herzen wünscht dann findet man immer Wege.
Geht es hier wirklich um Zukunftsangst? Hier klingt deutlich an, dass Anna und Tobias lieber ein “ freies“ kinderloses Leben genießen ( sich daran gewöhnt haben) aber sich nicht so recht trauen das offen einzugestehen. Aus Angst vor den Reaktionen. Warum? Jede/r entscheidet das selbst und das ist in Ordnung. Und je älter man wird umso schwieriger wird die Umstellung dann auch. Und ich hätte auch, gerade wenn ich schon aus der Medizin komme, abgeklärt welche Ursachen es für die Fehlgeburten gab. Vielleicht gibt es auch körperliche Ursachen das die Austragung der Schwangerschaft garnicht möglich ist.
Die Aussage des Artikels ist mir überhaupt nicht klar. Er besteht aus einem Durcheinander privater und angeblich übergeordneter Motive gegen eine Familiengründung. Letztlich bleibt der Eindruck, dass hier krampfhaft Argumente für Kinderlosigkeit gesucht werden, was aus meiner Sicht einer unnötigen Rechtfertigung für eine doch ganz private Entscheidung gleichkommt.
Ich hatte auch eine offene Beziehung und war echt froh, dass mein Zufallskind in einer Phase entstanden ist, wo es keinen Zweifel gab, wer der Vater ist. Vermutlich verhütet die Autorin mit anderen Männern sicherer als mit ihrem Ehemann, aber im Falle einer Schwangerschaft könnte die Restwahrscheinlichkeit, dass doch jemand anders der Vater ist, schon belastend sein. Nur so als Gedanke.