Zu wenig Personal, zu viel Arbeit: Jetzt kündige ich meinen Pflege-Job

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Liebe Patricia, du arbeitest seit 2007 als Gesundheits- und Krankenpflegerin in einem Krankenhaus. Wie genau sieht dein Arbeitsalltag aus?

Ich arbeite auf einer gynäkologischen Station mit 30 belegbaren Betten, wo auch Krebspatientinnen behandelt werden. Ich übernehme die üblichen Tätigkeiten einer Gesundheits- und Krankenpflegerin, von der Grund- und Behandlungspflege, über Administration, das Verabreichen von Medikamenten, der prä-und postoperativen Pflege bis hin zum Entlassungsmanagement. Im Moment arbeite ich, wegen meiner beiden Kinder, nur eine 1/3 Stelle, leiste aber komplette Schichten, da mein Weg zur Arbeit ca. 40 km beträgt. Zur Zeit merke ich den Pflegefachkraft-Mangel sehr. Wir sind tagsüber mit 2-3 Examinierten und in den Nächten ab 1 Uhr alleine. Hinzu kommen Schüler, Praktikanten oder Pflegehelfer, die uns aber nur bedingt unterstützen können/dürfen.

Wie hat Corona deine Arbeit verändert?

Eigentlich hat sich für mich persönlich nicht viel geändert. An den MNS/FFP2-Maske habe ich mich schnell gewöhnt. Die Testungen der Patienten vor Aufnahme übernehmen andere Bereiche, die regelmäßigen Kontrollen streichen wir auf Station ab. Die Patienten äußern aber, dass sie sehr einsam sind, da immer noch kein Besuch empfangen werden darf. (Ausnahmeregelung bei multimorbiden Patienten.) Manchen Patienten tut die Ruhe aber auch gut. Mir persönlich fällt es schwer, die Mimik der Patienten wahrzunehmen, weil sie MNS tragen sollen, wenn wir ins Zimmer kommen. Das ist sinnvoll, erschwert mir aber die Beurteilung von z.B. Schmerzen oder dem Allgemeinbefinden.

Wir haben im letzten Jahr viel über die Wertschätzung deines Berufes gesprochen. Fühlst du dich gewertschätzt?

Ich persönlich fühle mich von den Patienten schon wertgeschätzt. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, die sich dann fordernd und unhöflich – zeitweise auch respektlos – verhalten oder sich äußern. Jedoch, denke ich, verdient dieser Berufsstand viel mehr Wertschätzung durch die Politik oder auch die Kliniken an sich.

Nun hast du beschlossen, den Job zu wechseln. Warum hast du das vor?

Es war für mich schon ein langer Prozess, weil ich meinen Beruf gerne ausübe und die mir anvertrauten Patienten gerne pflege. Ich habe mir immer versucht einzureden, dass es irgendwann wieder besser wird. Im Moment stimmen für mich die Rahmenbedingungen nicht, um diesen Job guten Gewissens weiter auszuüben. Unter Rahmenbedingungen verstehe ich Arbeitszeiten, Personalschlüssel, Ethik, zu viel Bürokratie, Gehalt.

Welche Veränderungen müssten geschehen, dass gute Pflege wieder möglich ist?

Wie brauchen mehr qualifiziertes Personal, ansprechendere Vergütung, familienfreundlichere Arbeitszeiten und weniger Bürokratie. Das würde würden den Beruf der Gesundheits- und Krankenpflegerin (jetzt Pflegefachkraft) auf jeden Fall ansprechender machen.

Wohin wirst du beruflich wechseln und warum hast du dich genau für diese Stelle entschieden?

Ich werde in eine niedergelassene Praxis wechseln, in der ich feste Tage arbeiten kann. Keine Schichtdienste, keine Wochenend- und Feiertagsarbeit und keine Bereitschaftsdienste. Ich war dort, auf Anraten einer guten Freundin Probearbeiten und habe mich nach 2 Tagen dazu entschlossen, diesen Schritt zu gehen.

Wie war dein Familienleben von deinem bisherigen Job beeinflusst?

Da ich Früh-, Zwischen- und Nachtdienst mache, in Ausnahmen auch Spätdienste, war es für mich jeden Monat aufs Neue eine Herausforderung, die Kinder im Kiga oder der Schule für die Berteuug anzumelden. Es musste organisiert werden, dass die Kinder morgens vor Schul- und Kitabeginn durch meine Mann oder meine Eltern versorgt sind. Meine Mutter ist selbst noch im Nachtdienst tätig und so war unser Alltag immer mit viel Planung und Organisiererei verbunden. An den Wochenenden und Feiertags versorgt mein Mann die Kinder, da er nicht im Schichtdienst arbeitet.

Gab es einen beruflichen Moment, den du nie vergessen wirst?

Nach 19 Jahren Pflege (1 Jahr Praktikum, 3 Jahre Ausbildung, 15 Jahre Pflege) gibt es viele Augenblicke oder Namen, die man nicht vergisst. Da auf der Station, auf der ich arbeite, auch Sterneneltern mit ihren verstorbenen Kindern betreut und begleitet werden, gibt es wohl besonders viele berührende Momente. Das Thema Sternenkinder hat mich in der Zeit nach meiner 2. Elternzeit sehr viel beschäftigt, ohne selbst betroffen zu sein. Ich habe einige Änderungen in unserer Klinik angestoßen und absolviere zur Zeit eine Weiterbildung zu diesem Thema.

Was ist dir noch wichtig zu sagen?

Ich hoffe, das sich die Situation für die in der Pflege arbeitenden Kolleginnen und Kollegen zeitnah ändern wird. Dass die Rahmenbedingungen angepasst werden. Unnötige oder doppelte Arbeit an andere Bereiche abgegeben oder abgeschafft wird und sich der Zeitdruck, den man immer hat, legt. Ich pflege gerne und wäre auch gerne in der Pflege geblieben, kann es aber wegen den o.g. Punkten schlecht mit meinem Gewissen vereinbaren.

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