Witwe mit 50: Wenn dein Lebensplan platzt wie eine Seifenblase

Witwe mit 50

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Ihr Lieben, mit einigen Familien, die hier berichten, bleiben wir ja länger im Kontakt und bringen immer mal wieder Updates. Bei Anke gibt es leider eine traurige Entwicklung. Nach ihrem Text „Arbeitslos durch die Pandemie“ und ihrem Happy End mit Traumjob ist nun ganz plötzlich ihr Mann gestorben, nun ist sie Witwe mit 50. Unser herzlichstes Beileid, liebe Anke und danke für dein Vertrauen. Hier schreibt sie uns über ihren schweren Verlust.

Im November berichtete ich über die guten Entwicklungen in unserer Familie. Mein Text endete mit den Sätzen: „Also happy End? Ja, aus meiner Sicht schon. Sicher ist es nicht das Ende, aber es ist eine gute Phase. Wir genießen sie.“ Die gute Phase ist unwiederbringlich vorüber. Vor exakt vier Wochen endete sie mit dem Tod meines Mannes.

Mein Mann war eigentlich ein gesunder Mensch. Er war selten krank, nie im Krankenhaus, die Krankenkasse hatte ihre wahre Freude an ihm, denn er zahlte viel ein und entnahm fast nichts. Er ging regelmäßig zur Vorsorge, nachdem neben einem erhöhten Cholesterinwert auch hohe Blutzuckerwerte festgestellt wurden, stellte er seine Ernährung um, nahm ab, trieb einigermaßen regelmäßig Sport, nahm Medikamente. Und fiel trotzdem einfach so um.

Es begann am Sonntagabend Anfang Februar. Leichter Druck auf der Brust, dann viel Schmerz an einer Stelle am Rücken, irgendwann tat der rechte Arm sehr weh. Wir fuhren in die nächste Notaufnahme, entschuldigten uns beim Eintreten fast, weil wir wegen so lapidaren Beschwerden kamen, und wurden auch prompt weggeschickt.

Der Arzt hatte meinem Mann Blutdruck an beidem Armen gemessen, und weil der identisch war, entschieden, dass kein Notfall wie Herzinfarkt vorliegt. Da das Krankenhaus keine Betten frei hatte, sollten wir eine Klinik in der nahen Großstadt aufsuchen, wie wir nach eigenständiger Rückfrage herausfanden.

Auf dem Weg zum Auto kollabierte mein Mann. Wir waren allein auf dem Parkplatz und es dauerte ungefähr fünf Minuten, bis endlich Hilfe aus dem Krankenhaus und gleichzeitig der von mir informierte Rettungswagen kamen (er hatte einen Fahrtweg von ca. 100 m). Zu diesem Zeitpunkt hatte mein Mann bereits aufgehört zu atmen.

Wir hatten nach einer kurzen Ohnmacht noch ein paar Worte wechseln können, er fühlte weder Schmerzen noch war ihm kalt, ich konnte ihm sagen, dass ich ihn liebe und er uns alles bedeutet. Er ist dann in meinen Armen gestorben – mit 55 Jahren. Zwei Stunden nach Beginn der ersten Symptome.

Sie haben ihn reanimiert, fast eine Stunde lang, operiert, sediert. Wir konnten uns in aller Ruhe von ihm verabschieden, unser jüngerer Sohn (14) nutze die Chance, der ältere (16) lehnte ab, er wollte Papa so in Erinnerung halten, wie er ihn das letzte Mal gesehen hat, gutgelaunt und zufrieden. Am nächsten Morgen starb mein Mann endgültig an Multiorganversagen. So schnell kann es gehen.

Wie weiter als Witwe mit 50?

Kind
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Jetzt sitze ich als Witwe mit gerade einmal 50 Jahren hier und muss mich um Dinge wie Grabauswahl, Sterbeurkunde, Erbschein und Trauerfeier kümmern. Mein Mann hatte zum Glück eine Lebensversicherung, die uns nicht reich macht, aber erst einmal absichert. Witwen- und Halbwaisenrente schaffen das nicht ansatzweise, obwohl mein Mann ja schon viele Jahre als Gutverdiener in die Rentenkasse eingezahlt hat. Zumindest meine Witwenrente wird von meinem nicht so üppigen Gehalt ziemlich dezimiert.

Die beiden Teenies trauern nicht sichtbar. Der Ältere, der Autist, macht sehr viel Musik und ist im regen Austausch mit seiner Online-Community, in der er schon seit drei Jahren ist. Der Jüngere verbringt seine Zeit unverändert vor Rechner und Handy. Ich habe nun eine Trauerbegleitung eingeschaltet, weil ich gerade für den jüngeren einen Blick von außen benötige.

Ich habe die ersten drei Wochen funktioniert und mit meinem teilweise makabren Humor sicher mehr als ein bis zwei Menschen irritiert. Wer mich kennt, versteht das, Humor ist ein wichtiger Teil von mir. Meinen Mann und meinen Humor gleichzeitig zu verlieren hätte mich gekillt. Seit einer Woche geht es mir aber richtig, richtig schlecht. Ich schlafe sehr viel, leider nicht nachts, weine und bin tottraurig.

Die Unfassbarkeit der Endgültigkeit sickert immer mehr in meinem Kopf, wenn auch nur sekundenweise und dann meist wie ein Schlag ins Gesicht. Keiner, am allerwenigsten ich, hätte damit gerechnet, dass mein Mann vor mir geht. Er hat das Leben geliebt und genossen, ich bin aufgrund meiner chronischen Depression davon ausgegangen, dass ich zuerst das Zeitliche segne. Ein Gefühl, mit dem ich sowas von daneben lag.

Neben der reinen Abwesenheit meines Mannes und den damit verbundenen lebensnahen Problemen (z.B. was mache ich, wenn die laufende Technik, wie Server, Photovoltaikanlage etc. abschmiert; wie schaffe ich es zukünftig, die vielen Kindertermine mit meinen Arbeitszeiten zu koordinieren; wie halte ich den Wumms hier überhaupt am Laufen…?) sind die psychischen Auswirkungen sehr stark zu spüren.

Kleidung
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Meine Zukunft ist geplatzt wie eine Seifenblase. In jeder Ritze des Hauses, das wir selbst saniert haben, steckt mein Mann. Jeder Gedanke muss neu gedacht werden, teilweise mehrmals. Wohin mit der Angst, weil alles anders wird, als wir es uns gemeinsam vorgestellt haben? Wie überhaupt alt werden können ohne den Menschen an meiner Seite, der die letzten 23 Jahre Mr. Right war, ohne jeden Zweifel?

Ich bin eine pragmatische, optimistische, patente und starke Frau. Das wird mir immer wieder gesagt, und ich weiß das. Wir haben ein sehr großes Netzwerk, sowohl zwei große Familien als auch viele Freunde, die jetzt sehr auf uns achtgeben und sich kümmern.

Und dann ist da ein Mensch, der mir grad unheimlich wichtig ist, der aber Schwierigkeiten hat, mit mir als Witwe umzugehen. Grad sieht es so aus, als verlören wir die Leichtigkeit in unserem Miteinander und ich habe wahnsinnige Angst, nun eine weitere Person zu verlieren, die mir ans Herz gewachsen ist, weil mir die Treffen guttun. Die Angst um diesen Menschen ist leichter zu fühlen als die Trauer. Unsere Begegnungen waren erfrischend einfach, aber ich habe mich verändert. Natürlich.

Der Tod meines Mannes war Schicksal, wir waren chancenlos. Nichts ist mehr wie es war. Damit muss ich jetzt wohl erstmal lernen, umzugehen. Wahrscheinlich erstmal allein für mich selbst und für uns als Familie.

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