Ihr Lieben, was hat die Pandemie mit eurer Beziehung gemacht? Seid ihr enger als zuvor, habt ihr euch mehr gestritten? Wir wollen mal behaupten, dass es kaum eine Beziehung gab, die nicht durch die anstrengenden Corona-Monate in irgendeiner Form durchgerüttelt worden ist. Genau darüber haben wir nun mit einer Paartherapeutin gesprochen.
Liebe Frau Haucke, Sie sind Paartherapeutin. Mal frech gefragt: haben Sie durch die Pandemie mehr oder weniger zu tun?
Einerseits kommen durch die Pandemie weniger Paare zu mir. Bei Eltern hat das viel damit zu tun, dass Großeltern und andere Personen, die die Eltern bei der Kinderbetreuung unterstützt haben, das durch die Pandemie kaum noch leisten können. Hinzu kommt natürlich die kaum berechenbare Situation an Schulen und Kitas, die es vielen Eltern schwermacht, Termine zu planen.
Bei den Paaren, die es trotz allem schaffen, zu mir zu kommen, stelle ich fest, dass die Pandemie manche in ihrem Familien- und Liebesleben belastet, während bei anderen die pandemische Situation Anpassungen erfordert, die als Bereicherung erlebt werden. Gewohnte Rollenverteilungen werden z. B. aufgebrochen, indem ein Vater im Homeoffice ist und viel mehr Zeit für Frau und Kinder hat und sich als hervorragender Hausaufgaben-Betreuer erweist, was er sonst nie gemacht hat.
Letztlich habe ich momentan ungefähr gleich viel zu tun, manche Sitzungen finden aber per Zoom statt. Und ich vermute, dass viele Paare so mit der Alltagsbewältigung beschäftigt sind, dass sie „Liebesthemen“ notgedrungen zurückstellen.
Wer ist meist der Initiator einer Therapie – der Mann oder die Frau? Und gibt es auch Unterschiede, warum der- oder diejenige zu Ihnen kommt?
Bei mir ist es in der Tat so, dass häufiger Frauen die Initiative für eine Paartherapie ergreifen. Sehr häufige Anlässe, sich an mich zu wenden, sind Vertrauensbrüche, zunehmende Streitigkeiten und das Gefühl, dass Gespräche fruchtlos bleiben. Ich kann nicht erkennen, dass Männer bei bestimmten Problemen die Initiative ergreifen und Frauen bei anderen.
Viele Paare berichten, dass sie seit den Kindern nur noch nebeneinanderher leben, nur noch Eltern sind, aber eben kein Paar mehr. Können Sie das bestätigen?
Ja, das kann ich bestätigen. Es kommen viele Paare mit kleinen Kindern zu mir und beklagen, dass sie „nur noch funktionieren“, ihre Aufgaben als Eltern erfüllen, aber nicht mehr liebevoll miteinander umgehen. Häufig empfinden und äußern die Partner:innen kaum noch Wertschätzung füreinander, sondern werfen einander vor, egoistisch zu sein. Das ist verständlich, weil die Bedürfnisse der Eltern eine Zeitlang fast zwangsläufig zurückstehen müssen, weil Eltern in unserer Kultur oft zu wenig soziale Unterstützung bekommen.
Wenn beide Partner:innen sich überlastet und bedürftig fühlen, entstehen leicht Enttäuschungen, weil sie schwer füreinander da sein können. Die Liebe liegt dann fast zwangsläufig auf Eis, und es ist sehr wichtig, diese Situation nicht als Versagen des Partners oder der Partnerin zu werten. Vielmehr sollte man die Liebe rechtzeitig wieder auftauen, indem das Paar bewusst auch die eigene Liebesbeziehung pflegt, sich Freiräume zu zweit schafft, statt Vorwürfen die eigenen Bedürfnisse benennt und das würdigt, was die Eltern einander gerade zu geben in der Lage sind.
Viele Paare erleben auch wenig Sexualität miteinander – kann eine Ehe nur halten, wenn es regelmäßig Sex gibt?
Lustvoller Sex wirkt auf jeden Fall verbindend und ist eine Quelle von Freude aneinander. Es gibt aber Paare, die Intimität und Verbundenheit schwerpunktmäßig in anderer Form ausdrücken bzw. erleben. Man könnte sich trotzdem fragen, wie zwei Menschen, die zusammenleben, es schaffen, die Finger voneinander zu lassen. Wenn das über längere Zeit gelingt, lohnt es sich, zu ergründen, was die Partner:innen davon abhält, körperliche Intimität zu leben.
Dafür gibt es vielfältige Gründe. Eine Konstellation, die mir öfter begegnet, hat damit zu tun, dass das Paar eine Rollenverteilung entwickelt, in der ein:e Partner:in ein sehr fürsorgliche Rolle einnimmt und der /die andere sich versorgen lässt. Eine solche Beziehung ähnelt der zwischen Eltern und Kindern lässt entsprechend wenig Erotik aufkommen. Wenn beide Partner:innen sich in ihren Rollen wohlfühlen, kann eine solche Ehe recht stabil sein.
Heißt also: Eine Sexflaute ist auch mal ok. Aber wie lang ohne Sex ist dann ZU lang?
Sexflauten sind ok und völlig normal, solange die Partner:innen darüber sprechen, ihre Bedürfnisse ausdrücken und Warnsignale erkennen können. Spätestens wenn eine Person feststellt, dass sie sich zurückgewiesen fühlt und/oder in die Versuchung gerät, ihr Bedürfnis nach Intimität außerhalb der bestehenden Beziehung zu befriedigen, ist es allerdings an der Zeit, ernsthaft auszuloten, ob die Sexflaute Ausdruck einer Schieflage in der Beziehung ist.
Bei jungen Eltern ist es z. B. sehr typisch, dass auch der Sex eine Zeit lang auf Eis liegt. Da kann es sinnvoll sein, es nicht persönlich zu, wenn die Partnerin oder der Partner eher das Bedürfnis hat, für sich zu sein. Wenn man aber anfängt, deswegen gekränkt zu sein und den anderen anzugiften, sollte die Lage ehrlich besprochen werden.
Gibt es etwas, was Sie allen Paaren raten können, die sich nach Veränderung sehnen?
Was ich allen Paaren raten kann, ist, sich um eine Entschleunigung ihrer Kommunikation zu bemühen. Das kann helfen, aus automatischen verletzenden oder vermeidenden Mustern auszusteigen. Dabei ist es zentral, von sich zu sprechen, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse auszusprechen, auch auf die Gefahr hin, dass das Gegenüber davon nicht begeistert ist. Damit ist eine ehrliche Selbstbeschreibung gemeint, ohne Vorwürfe an die andere Person zu richten, sie zu analysieren oder gar gemein oder laut zu werden. Wenn es dann gelingt, gegenseitig emphatisch auf die Selbstäußerungen des anderen zu reagieren, ist viel gewonnen.
Kommen zu Ihnen nur Paare, die die Beziehung retten möchten oder auch welche, die bei einer Trennung begleitet werden wollen?
Zu mir kommen fast ausschließlich Paare, die ihre Beziehung retten wollen. Vielleicht liegt das daran, dass vor allem Eltern ihren Kindern zuliebe eine gütliche Trennung anstreben. Und dann gibt es oft Dinge zu klären, auf die Mediatoren spezialisiert sind.
Gibt es auch Fälle, bei denen Sie klar sagen: Diese Beziehung ist nicht zu retten? Oder haben alle Beziehungen eine 2. Chance?
Wenn ein Paar zu mir kommt, hat es ja ein gewisses Maß an Motivation, sich für die Beziehung zu engagieren, sonst wäre es nicht bei mir. Manchmal zeigt sich dann allerdings, dass die Partner:innen es nicht schaffen, sich selbst soweit zu beruhigen, dass sie die verbalen Verletzungen einstellen können. Oder es wird deutlich, dass eine Person sich innerlich schon verabschiedet hat und sich nicht wirklich einbringt. Ich weiß aber nicht von vornherein, ob es dem Paar gelingen wird, sich soweit aufeinander abzustimmen, dass beide das Gefühl haben, ihre Bedürfnisse kommen in dieser Beziehung zu ihrem Recht. Die Partner:innen entscheiden selbst, ob sie sich für die bestehende Beziehung engagieren oder lieber „weiterziehen“.
Gibt es eine Geschichte aus Ihrer Praxis, die Sie ganz besonders berührt hat?
Ja, ich finde es immer wieder berührend, wenn Menschen aus der gegenseitigen Anklage aussteigen und zu ihrer eigenen Verletzlichkeit stehen. Dann entstehen berührende Begegnungen. Kürzlich hat ein Paar z. B. nach einer Phase, in der es viel Streit und gegenseitige Herabsetzungen gab und es die Beziehung stark infrage gestellt hat, einander mitgeteilt, wie sehr ihnen das weh tut und wie sehr beide sich danach sehnen, wieder Freude aneinander haben zu können. Und dann erklärten beide ihre Liebe zueinander. Da sind mir Tränen in die Augen getreten.
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Wer mehr darüber erfahren möchte: Heute erscheint das Buch von Ankha Haucke: „Soforthilfe für die Paarbeziehung. Die häufigsten Probleme und wie man mit ihnen umgeht“