Verhaltensauffällig seit dem Kindergarten: Seit unser Sohn Medikamente bekommt, kehrt endlich Ruhe ein

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Ihr Lieben, letztes Jahr haben wir über Antjes damals 10-jährigen Sohn berichtet, der schon seit dem Kindergarten verhaltensauffällig war und solche Ausraster hatte, dass sogar mal die Polizei kommen musste (HIER das erste Interview). Lange haben seine Eltern in Sachen Medikamentengabe gezögert, nun nimmt Lukas fast ein Jahr Medikamente. Wie das das Familienleben verändert, erzählt die Mutter hier. Wir freuen uns sehr mit euch, dass es euch so viel besser geht, liebe Antje. Alles Gute weiterhin!

Liebe Antje, unser letztes Interview ist nun ein Jahr her. Damals stand fest, dass Lukas nun Medikamente bekommen soll. Wie hat sich sein Verhalten dadurch verändert? Hat er noch diese extremen Wutausbrüche?

Nach langem Hin und Her hatten wir uns dazu entschieden, die Medikamente zu probieren. Er bekommt nun ein Medikament zur Behandlung der Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS). Ich habe viele Wochen täglich Protokoll über sein Verhalten, seine Laune, seine Stimmungen geführt. Auf keinem Fall wollte ich, dass er durch ein Medikament nicht mehr er selbst ist.

Wir haben verschiedene Dosierungen getestet, bis er und auch ich das Gefühl hatten, dass das Medikament ihm hilft, ihn aber nicht einschränkt. Seitdem hat sich sowohl seine Selbstregulation als auch seine Konzentration deutlich verbessert. Es kommt nur noch selten zu Wutausbrüchen und wenn, dann auch nicht mehr in dieser arg schlimmen Intensität.

Wie geht es ihm in der Schule? Ist er da noch verhaltensauffällig?

Lukas hat die Klasse gewechselt und ist in der neuen Klassengemeinschaft eben einer von vielen Jungs – nicht mehr der Junge mit den Ausrastern. Das tut ihm sehr gut. Die Klassengemeinschaft hat einen festen Zusammenhalt. Durch die Einnahme des Medikaments kann er sich auch in der Schule besser regulieren kann und ist in der Lage dem Unterricht zu folgen.

Alle seine Noten haben sich, zum Vorjahr, um zwei Noten nach oben verbessert. Das war für uns nicht das, was wir erreichen wollten – aber es zeigt eben, dass er in der Lage ist, sich an Regeln zu halten und an sich zu arbeiten.

Und hat sich auch sein Sozialverhalten geändert?

Mittlerweile hat er einen „besten“ Freund, viele Jungsfreundschaften/Bekanntschaften und im Sozialverband der Klasse ist er beliebt. Das macht viel mit ihm. Er wirkt viel fröhlicher und zufriedener. Sein bester Freund ist ihm eine große Unterstützung, da er den gleichen Sinn für Gerechtigkeit hat und die beiden sich gut austauschen können. Auch privat unternehmen sie viel gemeinsam.

Wie geht es dir? Es war ja vor einem Jahr alles ganz schön heftig. Wie fühlst du dich heute?

Mir geht es heute gut. Ich bin unglaublich dankbar über all diese positiven Entwicklungen innerhalb des vergangenen Jahres. Lukas ist gut angebunden, Ergo, Neurofeedback und Verhaltenstherapie. Da ich aber das Gefühl hatte, ich benötige ebenso Hilfe, habe auch ich mir professionelle Hilfe gesucht und bin mehr als zufrieden mit dieser Entscheidung und der Therapeutin. 

Auch wir als Eltern sind in ein Hamsterrad geraten, aus dem wir raus müssen – um für uns alle andere, bessere Verhaltensweisen auszuprobieren und dann in unseren Alltag integrieren zu können. Ich möchte nicht mehr die Mutter sein, die dauernd angespannt und gestresst ist. Ich möchte die Leichtigkeit im Umgang mit Lukas zurückbekommen. Daran arbeite ich mit meinem Mann. 

Ebenso habe ich erkannt, dass es nicht zielführend ist, meinen ganzen Kosmos auf Lukas auszurichten. Ich habe einen Nebenjob angenommen, der mich sehr erfüllt. Ich nehme mir auch wieder Auszeiten nur für mich und merke, dass das nicht nur mir, sondern der ganzen Familie zu Gute kommt.

Der kleine Bruder hat auch unter den Ausrastern gelitten. Wie geht es ihm?

Dem Kleinen geht es gut. Mittlerweile weiß er, wie er sich in Situationen, in denen es „eskaliert“, verhalten sollte. Er geht aus der Situation, wendet sich ab. Wir sind immer im Gespräch darüber. Es ist einfacher geworden, mit ihm darüber zu sprechen, weil er einfach auch älter ist.

Vor einem Jahr hast du uns auch gesagt, dass es in eurer Beziehung nicht einfach ist. Wie würdest du gerade deine Ehe beschreiben?

Es holpert hier und da in unserer Ehe. Ich möchte gerne andere Wege gehen in der Erziehung. Ich versuche verschiedene Ansätze in Konfliktsituationen, aber auch in unserem Alltag. Mein Mann ist da eher der Beobachter und ich glaube, manchmal überfordert ihn dann ein anderes Verhalten, als das was wir hier so gewohnt waren. Er ist überaus darauf bedacht, alles richtig machen zu wollen.

WIR dürfen jetzt wieder lernen uns als Paar zu sehen und nicht nur die Eltern und die Feuerwehr zu sein, wenn wieder irgendwas passiert ist. Das ist ein Lernprozess, den ich gerne mit ihm durchziehen möchte. Weil wir einfach auch weiterhin in dieselbe Richtung gehen. Anstrengend ja, aber in jedem Fall lohnenswert.

Du hast uns auch gesagt, wie schmerzvoll für dich die Kommentare anderer Mütter sind. Gab es seitdem wieder solche Vorfälle?

Tatsächlich kam es zu keinem solchen Vorfall mehr. Allerdings habe ich aber auch mittlerweile ein anderes Mindset. Ich nehme solche Aussagen nicht mehr sooo persönlich. Die Mutter damals hat auch nur ihren Sohn schützen wollen und hatte leider keine so glückliche Kommunikationsart gewählt. Gerne darf aber die ausgeschüttete Aggression und die vorhandene negative Stimmung bei meinem Gegenüber bleiben. Ich nehme gerne Kritik an, wenn mein Gegenüber dazu bereit ist, diese konstruktiv zu besprechen. Alles, was ich einfach nur aggressiv dahin geschmissen bekomme, nehme ich mich nicht mehr an.

Was ist heute so viel besser als vor einem Jahr?

Meine innere Haltung ist sehr viel klarer. Ich bin besser in der Lage in mich zu hören, zu schauen, was brauche ich/ was brauchen wir. Zudem sehe ich große Fortschritte bei Lukas. Er arbeitet wirklich an sich und mit uns. Wir versuchen uns die Leichtigkeit zurück zu erobern. Das ist schön zu sehen, was das mit uns macht und wie sich das gestaltet.

Und wo wünschst du dir noch Verbesserung?

Die Leichtigkeit darf noch fülliger werden und „normaler“. Ich wünsche mir für uns als Ehepaar, dass wir mehr Augenmerk auf uns legen. Dass wir uns wieder mehr als Paar wahrnehmen und erleben können. Mir persönlich ist bewusst, dass ich meine Klarheit von innen heraus nach außen tragen muss, um Veränderungen voranbringen zu können – da möchte ich auch weiterhin dran arbeiten.

Was hast du im letzten Jahr gelernt?

Ich weiß ganz sicher, dass ich zwei großartige Kinder habe. Dafür bin ich sehr dankbar.  Ich habe gelernt, klar aus mir heraus Entscheidungen zu treffen und dafür einzustehen. Ich weiß, dass Lukas all sein Handeln nicht aus bösem Willen heraus steuert, er ist in verschiedenen Situationen einfach überfordert. Kein Kind ist böse! UND es lohnt sich JEDER Kampf für das eigene Kind!! Sie brauchen uns, gerade in schweren, herausfordernden Situationen. 

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4 comments

  1. Wunderbar 🤩 toll, dass ihr eine so positive Veränderung mit Hilfe der Medikation erreicht habt. Darf ich fragen, welche Art von Therapie oder Therapeutin du für dich gewählt hast? Ganz liebe Grüße 😃

  2. Liebe Antje,
    Deine Geschichte ähnelt der unseren sehr stark. Wir sind durch kompletten Schulwechsel zur 2.Klasse, Aufenthalt in der Kinder&JugendPsychiatrie, Medikamentengabe (wegen Impulssteuerungsstörung) und die vielen problematischen Familiensituationen gegangen. Auch seine ausserhäusliche Unterbringung war ein Thema. Sehr schwere Zeiten, die alle an maximale Grenzen gebracht haben, innergrossfamiliäre Kommentare, Kritik und Unverständnis eingeschlossen….
    Jugendamtliche Familienhilfe, eine gute Förderschule und die Zeit haben uns geholfen, zu verstehen. Entlastung und Verständnis gebracht, um mit- und aneinander zu wachsen und aus-/durchzuhalten. Die Entwicklung, die wir GEMEINSAM über die letzten 9Jahre gemacht haben,ist – rückblickend! – wahnsinnig …GUT!
    Unser Sohn ist ein toller ( das wusste ich schon immer!!). Er konnte es nicht zeigen/leben, weil er eben „besonders“ ist. Nicht auffällig, behindert, eingeschränkt …anders, ja.
    Mit 16Jahren ist er jetzt stabil, aktuell nach Schulabschluss ohne Medikamente und ein glücklicher Jugendlicher, wir haben ein normales Familienmiteinander. Er lebt sein grosses empathisches und soziales Wesen in einem FsJ und geht darin auf.
    Ich bin wahnsinnig stolz auf ihn!!!
    Möchte Dich ermutigen, Euren guten Weg weiter gemeinsam zu gehen.es lohnt sich! Alles Liebe

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