Unpaid Care Work: Wie Franziska Büschelberger für Sichtbarkeit von Eltern sorgt

Unpaid Care Work

Franziska Büschelberger. Foto: Katrin Schindler

Ihr Lieben, mit dem Hashtag und der LinkedIn-Unternehmensseitengründung Unpaid Care Work hat Franziska Büschelberger eine Wahnsinns-Welle in den sozialen Medien losgetreten. Nie im Leben hätte sie damit gerechnet, was für ein Tsunami draus werden würde und wie viele Tausende von Menschen plötzlich exakt diese Arbeit mit in ihren Lebenslauf bzw. ihre LinkedIn-Bio nehmen, weil die Skills, die wir durch die Pflege unserer Kinder oder Eltern dazugewinnen eben auch ein Gewinn sein können.

Ihr versteht nur Bahnhof, weil ihr gar nicht bei LinkedIn seid? Dann hier eine kurze Erklärung. Wir können dort eine Seite für unser Unternehmen anlegen und alle, die je dort beschäftigt waren, können das dann in ihren Lebenslauf schreiben und die Unternehmensseite verlinken. Bei mir könnte da stehen: „Ich bin seit zwölf Jahren bei Stadt Land Mama als Co-CEO beschäftigt…“ Da Kinderkriegen in der Berufswelt lange als „Lücke im Lebenslauf“ galt, hat sich Franziska gedacht: Nee, das darf so nicht stehen bleiben.

So hat sie das „Unternehmen“ Unpaid Care Work gegründet, damit die wichtige Arbeit, die wir da leisten, im Lebenslauf nicht wie ein Karriereknick aussieht, sondern wie der Zugewinn von unfassbar wichtigen Eigenschaften wie: Flexibles Reagieren in herausfordernden Situationen, selbst in Nachtschichten die richtigen Entscheidungen treffen, Konfliktlösungsprofitum etc. Damit traf sie in ein Wespennest und seither tragen viel mehr Mütter, Väter und pflegende Angehörige mit Stolz auch diese wichtige Lebensphase in ihre Berufserfahrung ein.

Mütter im Job
Foto: pixabay

Liebe Franziska, mit dem Hashtag Unpaid Care Work auf LinkedIn hast du eine Wahnsinns-Welle losgetreten. Erzähl mal ganz kurz, wie du auf die Idee kamst, ihn ins Leben zu rufen.

Es war tatsächlich nicht der Hashtag sondern das Unternehmen, mit dem ich die Welle losgetreten habe.  Ich bin es einfach leid, dass private Sorge- und Pflegeverantwortung wirtschaftlich als Schwäche angesehen wird. Akzeptanz und Wertschätzung beginnt immer im Kleinen, bei uns selbst. Daher wollte ich den Menschen etwas an die Hand geben, was sie für sich selbst umsetzen können. Etwas, das ihre verborgenen Leistungen sichtbar macht und diese in eine wertschätzende und berufliche Ebene hebt.

Mit #UnpaidCareWork möchtest du darauf aufmerksam machen, dass die Pflege von Kindern und Großeltern keine „Lücke im Lebenslauf“ mehr sein, sondern sichtbar werden sollen, warum?

Es darf nicht sein, dass sich Eltern für ihre Kinder und Menschen für ihre zu pflegenden oder alten Familienmitglieder entschuldigen müssen. Sorge- und Pflegearbeit und obendrauf der permanente Zwiespalt, dem wir damit ausgesetzt sind, kosten unglaublich viel Kraft. Wir glauben selbst, schwach zu sein. Dabei führt diese Arbeit auch zum Aufbau von Kompetenzen und Skills, die wir in unser Berufsleben mitnehmen und dort anwenden können.

Mit was hattest du gerechnet, als du das Hashtag auf den Weg ins Internet gebracht hast?

Als ich das Unternehmen anlegte, hatte ich damit gerechnet, dass es Menschen gibt, die meinem Aufruf folgen und es unter ihren Berufserfahrungen verknüpfen, aber ich hatte nicht mit dieser riesigen Welle gerechnet.

Und was ist dann passiert?

Meinem Aufruf folgten unzählige Menschen, ich habe den Überblick verloren 😉

Wie hat sich dein Leben seither verändert?

Mein Leben hat sich nicht wirklich verändert, außer dass ich nun mit Katrin Fuchs und Petra Bitter zusammen eine wundervolle Initiative vorantreiben darf, mit der wir viel Gutes bewirken können.

Ich weiß noch, wie ich in die LinkedIn App schaute und plötzlich fast alle meine Kontakte etwas wie das hier o.ä. schrieben: „Ich bin zwar schon länger als Co-CEO beim Unternehmen Unpaid Care Work beschäftigt, möchte euch aber von meiner neuen Position als Head of Pubertätsmalässen nicht vorenthalten“. Die Kreativität der Leute war hier nicht zu übertreffen, oder?

Ja, tatsächlich waren hier keine Grenzen gesetzt und das ist das Wundervolle daran. Jeder kann seine Kenntnisse und Positionen so kundtun, wie sie sie selbst bei sich sehen.

Eine Mini-Idee und SO große Sichtbarkeit: Du hast in ein Wespennest getroffen und kannst so plötzlich so wahnsinnig viel bewirken. Dass wir uns für unsere unbezahlte Arbeit nicht mehr verstecken müssen. Sagen dir da auch Leute DANKE für? Wir möchten es nämlich hiermit gern tun…

Ja, die Menschen sagen Danke und hören damit auch nicht auf. So viel Dankbarkeit und Verbundenheit habe ich noch nie spüren dürfen, es ist wundervoll. Es sind aber nicht nur die Danksagungen, mit denen ich das spüre. Die Menschen trauen sich nun endlich sichtbar zu werden, sie beginnen ihre Leistung im Verborgenen selbst wertzuschätzen und das ist so ein unfassbar großer Schritt!

Es gab aber auch Kritik von einigen, sie sagten: „Ich möchte für meine Care Arbeit kein Geld“, „Ich möchte für die Versorgung meiner Kinder/pflegebedürftigen Eltern nicht bezahlt werden“ „Ich möchte nicht, dass Care Arbeit mit Erwerbsarbeit gleichgesetzt wird“. Fandst du die berechtigt?

Ich bin selbst zweifache Mutter und kann diese Sicht absolut nachvollziehen. Es geht auch gar nicht darum, dass Care-Arbeit in dem Sinn bezahlt wird und schon gar nicht von der Wirtschaft, das habe ich von Beginn an betont. Es geht hier in erster Linie wirklich um Wertschätzung und Anerkennung dieser Leistung! Es geht darum, ehrlich benennen zu dürfen, dass man private Sorge- und Pflegeverantwortung trägt.

Es geht um Ehrlichkeit, Sichtbarkeit und Wertschätzung einer Leistung, die hier erbracht wird. Und es geht darum, dass dabei Kompetenzen aufgebaut werden, die auch unserem beruflichen Umfeld zugute kommen. Daher wollte ich, dass diese Leistung auf die berufliche Ebene gehoben wird. Mittlerweile wurde Unpaid Care Work auch als Bildungsstätte freigeschaltet, sodass Care-Arbeit auch als Ausbildung angegeben und verlinkt werden kann.

Du hast mittlerweile eine zweite und dritte Kämpferin für Vereinbarkeit mit an Bord, stell sie uns gern mal vor:

Genau, wir sind mittlerweile zu dritt. Mit Katrin Fuchs und Petra Bitter fühle ich ein wundervolles WIR. Wir brennen alle drei für dasselbe Ziel und ergänzen uns wundervoll.

Was müsste sich in Sachen Sichtbarkeit von Care Work und in Sachen Vereinbarkeit in Deutschland dringend noch tun?

Familien am Limit
Foto: pixabay

Care-Arbeit ist Leistung! Und Leistung gehört anerkannt und wertgeschätzt. Wir dürfen gerne auch Begriffe neu überdenken und neu definieren. Leistungsträger bspw. oder „Werte erschaffen“. Es darf nicht sein, dass Leistung, nur weil sie unbezahlt ist, als wirtschaftliche Schwäche angesehen wird. Es ist ein gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Beitrag, der essentiell ist! Hier werden Werte geleistet, die fundamental sind!

Wenn wir alle den Mut haben, zu äußern, was uns ausmacht, wer wir wirklich sind und was unsere Bedürfnisse sind. Wenn wir beginnen, uns selbst gegenüber und unserem Umfeld gegenüber wieder ehrlich zu werden, dann ist das ein großer Schritt. Um Lösungen zur Vereinbarkeit zu finden, müssen wir uns äußern und wir müssen hinhören!

Wenn du dir etwas für uns Mütter wünschen könntest: Was wäre es?

Ich wünsche mir, dass Mütter nicht so sehr an sich zweifeln. Ich wünsche mir, dass Mütter für sich reflektieren, woher ihr Perfektionsdrang kommt und ob das wirklich sie selbst sind oder vielleicht aus dem Außen kommt. Ich wünsche mir, dass Mütter nicht von den Vätern ihrer Kinder erwarten über ihre für sich selbst zu hohe Messlatte zu springen. Und ich wünsche mir, dass sie sich erlauben, ihre eigene Messlatte ein oder zwei Etagen tiefer zu setzen.

Ich wünsche mir, dass es weniger Neid zwischen Müttern gibt und mehr Ehrlichkeit und Verbundenheit unter ihnen einzieht. Ich wünsche mir für Mütter und Väter, dass sie in ihrem Familienbund frei und selbstbestimmt darüber entscheiden können, wie sie Care-Arbeit und bezahlte Arbeit aufteilen, ohne durch ein einschränkendes System beeinflusst zu sein.

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1 comment

  1. hmm, manche Väter springen ja nicht mal über die bare minimum Messlatte.
    Auch dieser Hashtag bringt meiner Meinung nach nicht viel. Der Schlüssel liegt doch darin, dass beide Elternteile sich die Care Work gerecht aufteilen. Dann wäre es auch völlig normal, dass Väter mal ein halbes Jahr oder länger Elternzeit hätten und die Frauen müssten nicht mit einem pseudohippen Hashtag ihren Lebenslauf/LinkedIn pimpen.
    Bevor jetzt böse Stimmen kommen: ich spreche nicht die Leistung ab, Kindererziehung ist Arbeit, aber sie gehört geteilt und nicht, dass nur ein Elternteil, meist die Mutter beruflich zurücksteckt.

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