Ihr Lieben, natürlich wünschen wir uns alle unkomplizierte Schwangerschaften, schöne, selbstbestimmte Geburten und gesunde Kinder. Doch viele Frauen erleben andere Dinge und auch wenn sie schmerzhaft sind, so gehören sie doch zum Leben dazu. Solche Erfahrungen wegzuschweigen, macht alles nur noch schmerzhafter. Deshalb sind wir sehr dankbar, dass Tina uns von ihrer stillen Geburt erzählt. Trotzdem möchten wir eine Triggerwarnung aussprechen: Dieser Text schildert detailreich die stille Geburt, lies diesen Text nur, wenn du dich emotional dazu in der Lage fühlst!
„Ich schreibe hier über die schlimmste Erfahrung meines bisherigen Lebens. Ich möchte euch davon erzählen, weil es zu mir dazugehört und weil ich dieses Baby nie vergessen möchte.
Schon während der gesamten Schwangerschaft hatte ich leichte Schmierblutungen. Mein Arzt meinte, dass alles okay sei und verschrieb mir Gelbkörperhormone, die die Einnistung zusätzlich fördern sollten. Ich machte mir zwar immer wieder Gedanken darüber, aber versuchte mich zu beruhigen. Der Arzt hatte ja gesagt, dass es normal sei.
In der Nacht vom 2. auf den 3. April bekam ich ein leichtes Ziehen im rechten Unterleib. Es fühlte sich ein bisschen an wie eine Eierstockentzündung, aber gleichzeitig wusste ich, dass es irgendwas anderes sein musste. Dieser leichte Schmerz begleitete mich den ganzen Sonntag, in der nächsten Nacht wurde der Schmerz stechender, ich ging auf´s Klo und hatte eine Schmierblutung mit zwei dunkelroten „Fäden“ drin. Ich hatte solche Angst, dass ich nicht mehr einschlafen konnte.
Ich wusste sofort, dass etwas nicht stimmt
Morgens rief ich gleich in der Klinik an, in der ich für die Geburt angemeldet war. Dort angekommen, wurde ich mit Ultraschall untersucht. Sehr schnell war das Baby auf dem Bildschirm zu sehen. Aber der Arzt sagte kein Wort. Ich hatte sofort das Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Der Arzt schallte und schallte.
Plötzlich veränderte sich sein Gesichtsausdruck, er schwieg immer noch. Ich konnte die Stille kaum ertragen und fragte: „Ist das Baby tot?“ Der Arzt schaute mich an und nickte. Ich weinte und den Schmerz, den ich fühlte, kann ich nicht beschreiben. Es gibt keine Worte dafür.
Der Arzt sagte mir, dass ich nichts falsch gemacht hätte, dass mich keinerlei Schuld treffen würde. Das Kind sei vermutlich schon seit circa zwei Wochen nicht mehr am Leben, denn es sei viel zu klein für die 11. Woche. Er erklärte mir die drei Methoden, wie das Kind nun aus meinem Bauch kommen könnte, sagte aber auch, dass ich das nicht jetzt entscheiden müsste.
Ich erzählte meinem Partner vom Tod des Babys
Ich hörte mir das alles an, dann fragte ich den Arzt nach dem schnellsten Weg nach draußen. Ich wollte keine Menschen mehr sehen. Ich rief schon aus dem Treppenhaus meinen Partner Steffen auf dem Handy an. Als er abhob, weinte ich ins Telefon: „Unser Kind ist tot!“. Steffen konnte es kaum glauben und versuchte, mich zu beruhigen. Er wollte mich abholen und meinte, ich soll bleiben, wo ich bin.
Als ich Steffen traf, umarmten wie uns lange. Wir weinten und sprachen lange kein Wort. Es war ein sonniger, warmer Frühlingstag und dennoch war mir kalt. Zu Hause legten wie uns ins Bett, hielten uns im Arm und weinten. Ich wusste, dass es nichts gab, was ich tun konnte, um mein Baby noch zu retten – und diese Vorstellung brach mir das Herz. Ich spürte eine unendliche Leere.
Am nächsten Morgen rief ich meinen Frauenarzt an. Dieser fragte mich, ob ich bereits Blutungen hätte. Ich bejahte, dass ich Blutungen wie eine starke Periode hätte und der Arzt meinte, dass das gut sei, da das Baby nun von selbst abgehen würde. Er fragte, ob ich mir das zutrauen würde.
Ich sagte ihm, dass ich mir das grundsätzlich vorstellen könnte, aber nicht wochenlang bluten wollte. Die Situation war ohnehin schon extrem belastend für mich. Wir beschlossen, dass ich drei Tage später zu ihm kommen sollte, dann würden wir schauen, ob das Kind von alleine abgegangen sei – und wenn nicht, dass er dann direkt die Curettage vornehmen würde.
Ich war so unendlich traurig. Zum Glück kam meine Mama. Sie setze sich zu mir ins abgedunkelte Zimmer, schwieg und weinte mit mir, sie streichelte mich einfach.
Die stille Geburt beginnt
Am nächsten Tag wurden die Bauchkrämpfe immer stärker. Ich lag die meiste Zeit mit Wärmflasche im Bett. Die Frau meines Vaters kam, meine Mutter war auch da und ich merkte, wie mir alles zu viel wurde. Sie redeten zu viel und ich wollte nur meine Ruhe. Ich blutete inzwischen stark.
Zum Glück war ich irgendwann wieder mit Steffen alleine und ich war viel im Badezimmer. Ich musste ständig aufs Klo und es kamen viele Blutklumpen (sog. Kloagel) aus mir raus. Jedes Mal, wenn ich am Klo stand und sah, wie Blut- und Gewebeklumpen am Klopapier oder in der Toilette landeten, gab es mir einen Stich ins Herz. Ich wusste, es war mein Kind, das ich da Stück für Stück die Toilette hinunterspülte. Dieser Gedanke, mein Kind quasi „runterzuspülen“, war für mich kaum zu ertragen. Ich verabschiedete mich jedes Mal, bevor ich die Spülung betätigte.
Dann wurden die Krämpfe stärker, ich spürte, wie das Blut meine Beine hinunter rann. Ich stellte mich unter die Dusche, verspürte plötzlich den Drang zu pressen. Dann kam etwas aus mir raus, es waren keine einzelnen Blutklumpen mehr, sondern ein „Gesamtpaket“. Ich nahm es in die Hand und wusste, dass es das nun war.
Ich weinte einerseits vor Erleichterung und andererseits vor Schmerz, hielt das Paket noch eine Weile in der Hand. Erst als Steffen, der zwischenzeitlich bei mir gewesen war, das Badezimmer verlassen hatte, verabschiedete ich mich endgültig. Ich ging wieder ins Bett. Steffen und ich kuschelten.
Mein Sternchen wurde am 6.4.2022 geboren, es durfte nie einen Atemzug machen und wurde nur 1,8 cm groß, aber in meinem Herzen wird es immer einen Platz haben.
Ich bin nicht mehr schwanger
Zwei Tage später ging ich wie verabredet ins Krankenhaus. Ich war unendlich froh, dass Steffen den Weg mit mir ging. Wir mussten vor dem Kreißsaal warten, was ich als sehr demütigend empfand. Überall waren Frauen mit dicken Babybäuchen oder es kamen Frauen mit Neugeborenen im Arm vorbei, Paare, die glücklich strahlten.
Alle hatten es geschafft, eine Schwangerschaft mit einem Happy End… nur ich nicht. Ich saß dort mit leerem Bauch, nachdem mein Baby zwei Tage vorher im Badezimmer alleine geboren wurde. Die Situation war für mich kaum auszuhalten.
Die Untersuchung ergab, dass ich nicht mehr schwanger war und die Gebärmutter bereits leer war. Er sagte, es brauche daher keine OP. In ca. sechs Wochen sollte mein Zyklus wieder einsetzen und dann stünde einer erneuten Schwangerschaft nichts mehr im Weg. Er sprach auch darüber, dass es wichtig wäre zu trauern, zu weinen und sich die Zeit für die Trauer zu nehmen.
Wir fuhren nach Hause. Steffen fragte mich, was ich nun essen wollen würde, wenn ich irgendetwas auf der Welt aussuchen könnte, auch wenn es absurd wäre. Ich hatte eigentlich überhaupt keinen Hunger, obwohl ich seit fünf Tagen kaum etwas gegessen hatte, aber irgendwie sagte ich: „Spaghetti Carbonara in der Puppa Bar“. Steffen meinte daraufhin: „Dann lass uns hinfahren. Lass uns übers Wochenende nach Venedig fahren.“
Tatsächlich brachen wir in Richtung Venedig auf. Wir gingen in kleinen Gassen spazieren, saßen an ruhigen Orten. Es war schön und gleichzeitig auch wieder traurig. Am Nachmittag saßen wir dann tatsächlich in der Puppa-Bar und aßen Spaghetti Carbonara. Ich konnte das erste Mal seit knapp einer Woche wieder etwas essen.
Am Meer sammelte ich ein paar wunderschöne Muscheln auf, die wir mit nach Hause nahmen. Die schönste Muschel habe ich am darauffolgenden Montag aufs Sternchengrab gelegt. So ist auch das Sternchen mit Venedig verbunden. Eine schöne Muschel habe ich in die Mitte der Bilderwand unserer Küche gehängt, damit das Sternchen auch hier symbolisch bei uns ist.
Die Tage vergehen und es tut nach wie vor unendlich weh. Die Welt da draußen dreht sich einfach weiter, obwohl meine Welt still steht. Es gibt Momente, in denen ich wieder ein bisschen Freude empfinden kann, aber die meiste Zeit bin ich einfach sehr traurig über den Verlust, den wir erlitten haben.
Ich hoffe, dass ich mich bald wieder mehr über das Leben freuen kann. Ich bin mir sicher, dass ich irgendwann ein gesundes Baby im Arm halten werde und mein Sternchen im Herzen dabei habe. Es ist nur eine Frage der Zeit…
9 comments
Alles alles Liebe und viel Kraft und Hoffnung für alles Kommende! Und NEIN eine kleine Geburt hat nichts mit“ etwas nicht geschafft haben“ zu tun! Und bitte nenn Deine Geburt, wie Du allein es willst! Was soll diese empathielose ( schwachsinnige, sorry) Begriffshampelei? Auch noch von Frauen selbst? ( und ich werde hier zu direkt genannt???) Braucht es dafür auch schon Zensur?
Ja, Silvia, das muss erwähnt werden, es gibt Unterschiede. Das hat nichts mit Empathielosigkeit zu tun. Keine redet hier ihren Schmerz klein, jedoch gibt es Mütter, die eine echte stille Geburt erlebt haben. Und da muss es erwähnt werden, dass es Unterschiede gibt.
Ich persönlich finde es eher unempathis h zu sagen ‚NEIN, eine kleine Geburt hat nichts mit ‚etwas nicht geschafft haben‘ zu tun‘. Wenn Tina vor dem Kreißsaal beim Anblick all der glücklichen frisch gebackenen Eltern diese Gedanken hatte, dann war das so und dann sind diese Gedanken und Gefühle auch erstmal ok.
Natürlich muss man sich nicht an Begriffen aufhängen, schwachsinnig würde ich das jetzt aber auch nicht nennen. Wenn Frauen zB. ’stille Geburt‘ googlen, weil sie ähnliche Erfahrungen suchen wie die eigene, könnte es irreführend sein, wenn sie dann von einer kleinen Geburt lesen. Es geht hier ja auch niemandem darum, welcher Schmerz oder welche Trauer nun größer ist, sondern lediglich um die Vergleichbarkeit der Erfahrung an sich und da gibt es meiner Ansicht nach einfach Unterschiede.
Abgesehen davon bin ich Tina sehr dankbar, dass sie ihre Erfahrung der kleinen Geburt hier teilt, weil diese Erfahrung aufgrund der häufig schnell durchgeführten Ausschabung sehr selten ist und Frauen, die Ähnliches erleben, oft keine Berichte darüber im Internet finden. Gerade deshalb finde ich es wichtig, zb von natürlicher Fehlgeburt oder kleiner Geburt zu sprechen, damit die Begriffe bekannter werden und Frauen sich in den Berichten wiederfinden können. Das muss ja nicht Tinas Aufgabe sein, ist aber m. E. eine Erklärung dafür, warum vielen die Begriffe eben doch wichtig sind.
Und noch zum Thema ’nicht geschafft‘ : ich denke diese Gedanken sind ganz normal, gerade wenn man noch jung ist rechnet man eben nicht unbedingt mit einer Fehlgeburt. Und dann mit denen, die es ‚geschafft‘ haben, konfrontiert zu werden, in so einer Situation, tut doppelt weh. Als ich nach meinen beiden Fehlgeburten wieder schwanger war und mit Kugel durch die Gegend lief dachte ich oft, wie viele Frauen sehen mich jetzt und sind neidisch? So wie ich damals? Und denken, die hat’s gut, die wird einfach so schwanger und kriegt ein Kind? Man sieht eben die Geschichte dahinter nicht. Es ist sehr wahrscheinlich, dass einige der Frauen, die du dort gesehen hast, auch schon Fehlgeburten hatten. Daher ist es so wichtig, dass wir mehr darüber sprechen.
Also Tina, vielen Dank für deinen Mut und noch einmal alles Gute! Dein Körper hat bewiesen, dass er sehr gut funktioniert und das wird er bestimmt auch bei einem Regenbogenbaby!
Es tut mir leid, dass du diese Erfahrung machen musstest. Leider enden viele Schwangerschaften noch vor der 12. Woche, das ist leider Fakt – viele Frauen erleben dies und leider wird noch wenig darüber geredet…
Eine stille Geburt ist dies nicht, denn der Fötus ist in diesem Stadium nicht lebensfähig.
Ich wünsche Dir, dass Du das Erlebte rasch verarbeiten und positiver nach vorn blicken darfst!
Liebe Tina, deine Geschichte hat mich sehr berührt. Es tut mir sehr leid, dass du dies durchleben musstest. Leider hatte ich auch einige dieser „kleinen Geburten“, aber ich bin mittlerweile auch Mutter von drei gesunden Kindern im Alter von 9,6 und fast drei Jahren. Ich bin immer innerhalb von ein paar Monaten nach den Fehlgeburten wieder schwanger geworden und könnte dann nach 9 Monaten meine Regenbogenkinder in den Armen halten. Ich wünsche dir alles Gute.
Kristina
Liebe Tina,
ich kann sehr gut verstehen, dass die Erfahrung und der Verlust deines Kindes und dessen, was gewesen hätte sein können, unendlich schmerzt. Es tut mir sehr leid, dass du dein Kind verloren hast.
Es als „stille Geburt“ zu bezeichnen, trifft es aber nicht. Eine stille Geburt ist die Geburt eines von der Schwangerschaftswoche lebensfähigen Kindes, auch als Totgeburt zu bezeichnen. Tatsächlich ist die stille Geburt vergleichbar von den Wehen und allem was passiert mit der Geburt eines lebenden Kindes, nur schreit das Kind eben nicht.
Bitte verstehe mich nicht falsch, ich möchte dir deinen Schmerz nicht absprechen, ganz und gar nicht, und ich sage auch nicht, dass der Schmerz bei einer stillen Geburt stärker wäre, das ist individuell sehr verschieden, aber du hattest eine Abgang, der sich von selbst eingeleitet hat.
Ich wünsche dir alles Gute auf deinem weiteren Weg.
Jojo, ähnlich wollte ich es schreiben. Auch ich möchte nicht den Schmerz kleinreden, denn jede Frau, die solch einen Abort erlebt, empfindet es anders. Aber eine stille Geburt ist ein anderer, schmerzhafter Schnitt.
Das passiert mir selten, das mir die Tränen kommen. Ich bin nicht „nah am Wasser gebaut“, aber diesmal ist es passiert…
Es tut mir sehr leid für dich. Schön das du positiv bleibst. Ganz sicher wirst du irgendwann dein Baby im Arm halten.
Es gibt dafür auch einen Begriff, man nennt es dann ‚Kleine Geburt‘.
Liebe Tina,
Ich fühle mit dir, ich hatte zwei kleine Geburten, bei der zweiten wurde auch in der 11. Woche festgestellt, dass es nicht mehr lebt, ich musste dann noch bis zur 14. Woche warten auf die kleine Geburt. Ich war danach auch unendlich traurig und habe gezweifelt, ob ich jemals ein Kind haben werde. Und nun möchte ich dir Hoffnung machen, denn wenige Monate später war ich wieder schwanger und habe mittlerweile einen fröhlichen knapp 3-Jährigen um die Beine wuseln. Du musst dich aus diesem tiefen Loch rauskämpfen und dann wird es klappen! Dein Körper hat alles richtig gemacht und das ist trotz all der Trauer ein gutes Zeichen. Ich kann das Buch ‚Gelassen durch die Kinderwunschzeit‘ empfehlen.
Ich finde es übrigens super wie der Arzt reagiert hat, dass er dir mehrere Möglichkeiten aufgezeigt hat und offenbar keinen Druck gemacht hat. Die Situation im Krankenhaus ist natürlich unmöglich. Da muss wirklich mal ein Umdenken und mehr Empathie stattfinden.
Alles Gute für euch!