Ihr Lieben, kennt ihr das auch? Da sitzt ihr zwischen Miracoli- und Backfischresten am Mittagstisch, die Kinder haben sich zum „Chillen“ nach oben verkrümelt (machen Teenies wirklich, ich schwöre) und du hast dein halbkalt gewordenes Käffchen vor dir stehen und scrollst dich durch die Timeline deines Social Media-Accounts und als Werbung wird dir ein Skigebiete angezeigt über das du grad mit der Tochter gesprochen hast, weil sie da in wenigen Wochen auf Klassenfahrt hinfährt (Hallo Facebook, schön, dass du mithörst!) und du siehst lachende Gesichter und Sonne im Schnee und Berge und Freiheit und denkst: Fuck.
Draußen regnets bei acht Grad, die Kinder haben lieber Eis gegessen als die Tomate-Mozzarella-Kreation, jetzt hocken sie wieder vor ihren Geräten und du hast nur dein Homeoffice im Wohnzimmer und siehst nichts anderes und sie waren wenigstens in der Schule, draußen, unter Menschen und du sitzt da nur und kommst nicht raus und es ist Freitag, aber du triffst keine Freunde, weil deine Stirnhöhlen wieder dicht sind von den Kinderviren.
Und gleich ist eh Training und morgen Spiel und übermorgen Turnier und ein Geburtstagsgeschenk brauchts auch noch für die Kinderparty am Samstag und…
Zieht da draußen eigentlich grad das Leben an mir vorbei?
Der Tag fließt dir durch die Finger.
Und dann googlest du Winterurlaube mit Kindern, weil du doch in den letzten Ferien schon überhaupt nicht rausgekommen bist und nur aufgeräumt hast und gekocht und eingekauft und Krümel gesaugt und du schaust dir Reiseziele für Sommer an und für Herbst und träumst dich weg und sehnsüchtelst nach einer Weltreise, einfach weg, Input, Abenteuer, Spannung und dann kommt wieder eine Mail mit einer Hiobsbotschaft und dann kommt ein Termin, bei dem es Missverständnisse gibt und der Januar ist doch eh so trüb und dunkel und nächste Woche ist doch Mathearbeit und joggen kannst du auch nicht, weil blöde Erkältung und huch, musst du nicht JETZT leben statt auf irgendetwas hinzuarbeiten und sollest du dich ausbremsen lassen von den Umständen in denen du lebst oder weiter flexibel sein, auch wenn das ungemütlich werden kann?
Willst du auf dem Land leben oder in der Stadt, warum gibt´s eigentlich so viele bescheuerte Sexisten im Netz und oh, willst du vielleicht nochmal was Neues probieren beruflich, ach, und kannst du der Tochter mit 13 erlauben, erst im Dunkeln nach Hause zu kommen, kümmern wir uns genug, kümmern wir uns zu viel, finden wir den goldenen Mittelweg?
„Ich will doch nur nicht, dass du auf die schiefe Bahn gerätst.“
„Boah Mama, 13jährige haben halt keinen Bock immer alles mit ihren Eltern zu machen.“
Ist es gut, Zwillinge in der gleichen Klasse zu haben, wenn dann der Vergleich der Noten doch ein direkter ist, ist es überhaupt die richtige Schule und boah, sind die schon groß und selbstständig und sehnst du dich jetzt wirklich grad in die Kleinkindzeit zurück, als alles noch kuschelig und niedlich war und ohne Schweiß und Pickel und Rebellentum?
Und braucht das eine Kind ein Hobby und das andere vielleicht weniger Termine, um sich auch mal zu verabreden und dürfen die Kinder auch mal nen Tag liegen und Nichtstun ohne auch nur einen Schluck frische Luft zu atmen und essen sie eigentlich gesund genug und wieso verwüsten sie die Zimmer und wäre nicht auch ein Instrument toll?
Kommt, wir fahren am Wochenende mal raus in die Stadt, NEIIIIIIIIIIIIIN. Auf keinen Fall. Öööde.
Der eine will jenes und der andere das und am Ende hat immer einer schlechte Laune und das Essen ist eh eklig und zum Familientag geh ich schon gar nicht und wieso musst du am Nachmittag doch noch arbeiten, Mama, und WAAAh, immer hängst du am Handy! Und ALTER, Mesopotamien! Da kam doch Jesus her. Nein, Abraham, du Vollhorst. Ich will doch einfach nur in den Urlaub!
Und uhhhh, bist du eigentlich grad in Vanilleparfum gefallen? Du machst nicht wirklich in vier Jahren schon Abi, oder? Oh Gott!
Und oh, der Geschirrspüler fiept, der dritte heute, ja, weil ich gestern keine Lust mehr hatte. Und – wie bitte? – es gab eine Prügelei am Busbahnhof? Kommt mal alle zusammen, wie hättet ihr reagiert? Und oh süüüüß, guck mal das Welpenvideo. Und cool, du hast eine Drei, obwohl du dachtest, es würde eine Fünf? Was soll ich denn heute Abend zum Abendessen kochen? Bin eh weg, treffen uns auf dem Spielplatz…
Und oh, du hast einen neuen Song geschrieben? Zeig mal her, klingt super! Und du brauchst doch noch ein Nutellabrötchen vorm Training, oder? Komm mal her, was bedrückt dich denn? Und dann ab auf den Schoß und mal ne Runde kuscheln und ach, schon fast wieder Abend – schauen wir einen Film zusammen? Mit Snacks und Decken?
Ihr habt heut ja gar nicht gestritten, wie toll ist das denn und dann gehst du raus auf einen Spaziergang und kehrst bei einer Freundin zum Kaffee ein und bei ihr ist es schön mit Lachen und Drücken und Hausaufgaben und voller Spülmaschine und abends ist der Film lustig und du träumst trotzdem noch von Skipisten, obwohl du doch gar nicht Ski fahren kannst.
Ja, so ist das manchmal.
Und am nächsten Tag kommt ein neuer Tag.
Und dann kommt wieder eine neue Phase und dann klappt auch wieder mehr und dann nörgeln immer noch alle übers Essen vielleicht, aber es ist dir egal, weil du dich eingerichtet hast in deinem Pappkarton der Mutterschaft, der durch den Regen und die Sonne und die Zeit immer weicher und durchlässiger wird und mehr Raum und Platz schafft und schließlich auch wieder den Blick zum Himmel freisetzt.
8 comments
Meine sind gerade 0, 2 und 4. Dieser Text spricht mir gerade so aus der Seele. Mein Mann arbeitet von 7.30-19.00 und später. 2 gehen 4 Stunden in den Kiga. Trotzdem ist man vormittags am hetzen und nachmittags eigentlich auch. Dann sich Zeitnehmen für die wundervollen Momente, innehalten und genießen, dass gibt Kraft. Der nächste Urlaub ist er im Mai der letzte war im März. Zu Hause. Kann ja nur besser werden, außer das Fernweh und die Sehnsucht…
Hi,
ich sage danke für deine Ehrlichkeit!
Genauso geht es mir auch öfters.
Ich frage mich auch, wenn ich das gewusst hätte, hätte ich trotzdem 3 Kinder? Oder vielleicht nur eins? Oder vielleicht auch KEINS???
Ich weiß es nicht, trotzdem sind meine Kinder – mein Herz und haben meine unerbittliche Liebe für alle Zeit! Glück ist manchmal mehr und manchmal weniger. Wichtig ist, sich selbst nicht zu verlieren. 💓
Fühle Dich…
…. ganz herzlich umarmt!! Toller, berührender, ehrlicher Text!!! – Du bist nicht allein damit! Danke fürs Teilen.
Danke für diesen großartigen
Danke für diesen großartigen Text! Diese Gedankenachterbahn kenne ich nur allzu gut und ich habe mich an zig Stellen wiedergefunden.
Liebe Grüße – in acht Wochen wird’s Frühling (so ungefähr…), Simone
Das ist dein Leben
Das nennt sich Alltag, jeder Tag eben. Das normale unaufregende Leben. Und mit drei Kindern hast du natürlich, von Zuhause arbeitend, ziemlich eindeutig einen Lagerkoller. Und ich glaube auf dem Land trifft es einen noch mehr, da passiert ja vor der Tür auch nix, was einen mal auf andere Gedanken bringen könnte.
Da hilft nur auf den Frühling freuen. Und ein gutes Deo für die Kids.
Ich glaube das Harte an diesem Alter ist einerseits die ständige Zurückweisung und Diskussionsfreudigkeit und andererseits das ständige Hinterherräumen (falls man es gern ordentlich hat) und das man nicht mehr alles mitbekommt und oft außen vor ist. Es gibt nicht mehr „so viel zurück“. LG
Kenn ich^^
Mit mir ist auch gerade nicht viel los, deswegen bin ich ganz froh über unsere Weihnachtsfeier heute Abend. Da kommt man gezwungener Maßen mal raus und schläft nicht schon 21 Uhr vor lauter Nichts-tun-Langeweile ein. Ich kann mich ansonsten gerade kaum motivieren, was zu machen. Morgens dunkel, abends dunkel und vor allem: viel zu kalt. Da kriech ich gern mal direkt selbst ins Bett, sobald die Kinder schlafen…
So ist es…
Dein Text rührt mich sehr, denn er ist so ehrlich, so wahr!
Das zeigt mir:Du bist nicht allein!
Mit all den Gedanken,Sorgen,Empfindungen.
Danke dafür!
Hinweis zu Facebook
Hallo,
sehr schöner Text. So fühle ich mich auch oft. Nur das meine Kinder noch kleiner sind 😉
Kurzer Hinweis zu Facebook: Wenn man den Messenger installiert, stimmt man zu, dass FB das Mikro nehmen darf und Aufnahmen machen darf. Immer. An sich für Werbung, ob das auch wirklich nur dafür ist, hofft man dann.