Zurück ins Heimatdorf: Wie fühlt sich das an?

Umzug

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Ihr Lieben, wie weit wohnt ihr von dem Ort weg, in dem wir aufgewachsen seid? Wie nah wohnt ihr an euren Eltern oder den Eltern eures Partners/eurer Partnerin? Sehnt ihr euch manchmal nach einem großen Haus mit großem Garten, aber das ist einfach unbezahlbar? Genau diese Gedanken hatte auch unsere Leserin Svenja – und deshalb hat sie den Umzug in ihr Heimatdorf gewagt. Doch so richtig heimisch fühlt sie sich dort mehr…

Liebe Svenja, ihr seid vor kurzem zurück in deine Heimat gezogen. Erzähl mal mehr darüber und darüber, wie ihr vorher gelebt habt.

Wir haben im April 2018 nach fast vier Jahren „Wartezeit“ unsere lang ersehnte Zusage für ein Baugrundstück in meinem Heimatdorf bekommen. Davor waren mein Mann und ich beruflich bedingt in ganz Deutschland unterwegs, mein Mann hatte als Service-Inspekteur für „Notfälle“ auch weltweite Einsätze.

Vor der Geburt unserer Tochter im Frühjahr 2017 haben wir uns eine Wohnung in einer 5.000-Einwohner-Kleinstadt in Baden-Württemberg als „Übergangs-Basis“ ausgesucht. Dort gab es auch schon Kinderbetreuung für einjährige Kinder, was ja – je weiter man ländlich wohnt – nicht selbstverständlich ist. Wir haben in dieser Kleinstadt super schnell Anschluss gefunden, mein Mann war weiterhin viel unter der Woche im Ausland. Zudem haben wir dann ja im April 2018 angefangen zu bauen, waren oft nach Feierabend noch auf der Baustelle.

Und in dieses Haus seid ihr dann auch eingezogen.

Genau, nach fast 18 Monaten „Baustellen-Keine-Freizeit-Familienleben“ und kurz vor dem ersten Lockdown 2020 sind wir dann in unser Haus, drei Straßen entfernt von meinen Eltern, gezogen. Dort hatten wir mehr Platz und einen großen Garten.

Meine Hoffnung war, dass wir in der neuen Nachbarschaft in dem Dorf schnell Anschluss finden. Aber es war nicht leicht. Ich war viel mit unserer Tochter alleine, mein Mann war weiterhin viel unterwegs und durch Corona war es ja noch schwerer, Kontakte zu knüpfen.

Warum habt ihr euch überhaupt entschieden, diesen Schritt zurück ins Heimatdorf zu gehen?

Wir wollten uns den Traum von Eigenheim erfüllen, ohne dabei bis über beide Ohren verschuldet zu sein. Der Quadratmeter Baugrund kostete in meiner Heimat unter 100 Euro.

Zudem wollten wie meine und seine Eltern als Backup in der Nähe haben, denn in Baden-Württemberg endet die Schule täglich um 12 oder 13 Uhr, es gibt also keine Horte oder andere regelmäßige Hausaufgabenbetreuung.

Nachvollziehbare Punkte. Aber es war viel schwerer als gedacht, dort wieder „anzukommen“, oder?

Ja, zu Beginn von Corona, also direkt nach unserem Umzug, hatten wir nur mit einer Familie in der Straße Kontakt, die ebenfalls nach vielen Jahren wechselnder Wohnorte hier hergezogen war. Der Sohn war so alt wie unsere Tochter und so waren wir schnell eine „Corona-Kohorte“, da der Papa auch weiterhin viel im Ausland mit der Bundeswehr war.

Ich habe gemerkt, dass uns Familien mit ähnlichem „Background“ irgendwie besser verstanden. Auch, dass ich bereits nach einem Jahr Elternzeit wieder arbeiten ging, war auf dem Land eher unüblich. Die meisten Mütter sind erst wieder nach dem dritten Geburtstag der Kinder arbeiten gegangen und dann meist nur wenige Stunden. Die Rollenverteilung war einfach überall sehr klassisch.

Ich stellte auch fest, dass die Väter viel weniger an gleichberechtigter Erziehung interessiert waren. Mental Load und all die Themen wurden auch eher belächelt. Kurz: Mit den alten Klassenkameraden oder Sandkasten-Freunden von früher, die in dem Dorf geblieben waren, hatte ich einfach kaum Gemeinsamkeiten

Dazu kam natürlich, dass durch Corona Vereinsleben oder gesellige Treffen auch gar nicht möglich so waren. Und irgendwie ist das nach Corona auch nicht wieder richtig zurückgekommen.

Gibt es auch etwas, was in der neuen Heimat besser ist als erwartet?

Wir alle drei können mehr Hobbys und Aktivitäten genießen, als wir erwartet haben. Ich habe eine kleine Yoga-Schule in der übernächsten Ortschaft gefunden und kann dort einmal die Woche abends hin. Außerdem haben wir hier ein kleines öffentliches Schwimmbad und einen großen Baggersee, der keine 500 Meter von unserer Haustür entfernt ist. Dort hat mein Mann unserer Tochter das Schwimmen beigebracht und im Sommer verbringen wir fast jeden Tag dort, bis die Sonne untergeht. Genau das habe ich als Kind auch geliebt: Den ganzen Sommer am See und diese kurzen Wege.

Wie geht es deiner Tochter in dem neuen Umfeld?

Freundschaften wie die aus der Kleinstadt fehlen uns hier. Unsere Tochter geht aber gerne in die Schule, ist dort beliebt.

Aber es ist unheimlich schwer, unsere Tochter am Nachmittag zu verabreden, manchmal muss man diese Playdates Wochen vorher ausmachen. Weil die anderen Kinder zu weit entfernten Hobbys, zu Arztterminen, Logopädie gefahren müssen.

Wenn sich Kinder verabreden, dann bleiben hier auch oft die Mütter da und dann gibt es richtige „Tratsch-Treffen“, in denen das Dorfleben oder die Erzieher oder die Lehrer besprochen werden. Daran hatte ich aber nie Interesse….

Was vermisst ihr an der alten Heimat?

Tatsächlich die Offenheit und Toleranz. In den größeren Städten gibt es viele mehr „Leben und leben lassen.“ Abends einfach nochmal rausgehen, auf ein Glas Wein, Freude treffen, das gibts hier auch nicht.

Ich finde, hier auf dem Dorf gibt es schon echt viel Klatsch und Tratsch und ich kriege auch oft blöde Kommentare, weil ich eben berufstätig bin und mein Mann auch oft mit unserer Tochter alleine Zeit verbringt.

Was ist dein größtes Learning aus dem Umzug? 

Optimierte Kinderbetreuung durch die Großeltern am Wohnort ist großartig, Eltern verlieren durch aber auch Freundschaften und generell die „Auswahl“ an Freunden. Man findet mit Kind bzw. ab einem bestimmten Alter auch nicht mehr so schnell neue, echte Freundschaften – vielleicht hat uns aber auch die Isolation in der Corona-Zeit da einiges überdenken lassen und wir alle sind anspruchsvoller.

Und es ist auch so, dass man einfach merkt, dass einige Leute von früher, die das Dorf nie verlassen haben, einfach anders ticken und nicht verstehen, warum wir zum Studium und Arbeiten so viel unterwegs waren. Es gibt aber eine Freundin von früher, die 30 Minuten von uns entfernt wohnt, die ebenfalls berufstätig ist und mit der ich viele Gemeinsamkeiten habe. Diese Freundschaft ist mittlerweile sehr wichtig für mich.

Generell war auch ein Learning, dass ein Haus mit großem Garten keine Garantie fürs glücklich-sein ist. Ich würde kein Haus mehr bauen

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10 comments

  1. I feel you -der Text könnte auch von mir sein. ich glaube schon dass es viel ausmacht ob man zur Umgebung und die Umgebung zu einem selbst passt. Klar, Offenheit ist immer wichtig aber letztendlich gibt es ja alle Möglichkeiten -Grosse Stadt, Kleine Stadt, Dorf….. und man sollte schon schauen dass man dort landet, wo man sich wohl fühlt. Das Leben ist einfach zu kurz für Kompromisse die nicht gut tun.
    Liebe Grüße!

  2. …das funktioniert immer nur beidseitig! Und wie in der Migrationspolitik sollten die, die bereits vor Ort und eine Gemeinschaft sind, eine offenherzige Bereitschaft zum Kennenlernen, zum Austausch signalisieren…
    Leider wird das oft missverstanden!

  3. Perspektivwechsel, den Dorfbewohnern Offenheit und Toleranz entgegen bringen und nicht alle als Tratschgemeinde abtun hilft sicherlich auch

  4. Liebe Svenja, ich finde mich in deinem Text -leider- sehr wieder. Auch ich habe hier im Dorf nie Fuß gefasst: auch nach Jahren sagt man mir als Zugezogener nicht mal „Hallo“ -weder im Kindergarten noch beim Kinderturnen. Ich vermisse die kleinen, netten Schwätzchen mit Jedermann, wie wir das vorher in der nahen Kleinstadt hatten. Und auch mein Netzwerk an Freunden und „Familienfreunden“, die auch mal ein Kind zum Hobby mitnehmen oder sonstwie aushelfen. Hier wurstelt jeder für sich.
    Sehr lange habe ich damit gehadert, aber derzeit gibt es keinen Ausweg für uns -vielleicht irgendwann in der Zukunft. Ich liebe allerdings unseren Garten und das alte umgebaute Haus. Deshalb versuche ich einfach diese „Insel“ im weiten Meer so gut es geht zu genießen. Alles Gute für dich!

  5. Die Autorin ist dort aufgewachsen! Was hat sie erwartet; daß sich die Welt dort ihren Ansprüchen anpasst und nur auf sie wartet, damit sie den armen Dorftrottel die große weite Welt erklärt?
    Und na klar, erstmal schön in der Stadt bleiben, wo die Kitaversorgung gewährleistet ist und arbeiten gehen, aber jetzt auf die Mütter herabschauen, die diese Versorgung auf dem Lande eventuell nicht haben und eben 3 Jahre Elternzeit machen.
    Bei uns im „Dorf“ kommen solche Mitmenschen auch nicht gut an!
    Tja, der naive Traum vom Wohnen auf dem Lande, aber Leben wie in der Stadt ist eben dann auch mal schnell ausgeträumt und die Realität holt einen ein.
    Mein Tip; Haus verkaufen, zurück in die Mietwohnung sich vom dörflichen Mief befreien und sich mit gleichgesinnten hippen und berufstätigen Powerfrauen zum Yoga und Latte verabreden, dann klappt es bestimmt auch mit dem Glücklichwerden….

      1. Also mich persönlich nerven diese städtischen Heimkehrer noch mehr, als die Städter die ihren Traum vom Leben im Grünen wollen. Wir leben in Brandenburg, südlich von Berlin und leider hat sich unsere Dorfstruktur sehr negativ verändert. Diese lastenfahrradfahrende Prenzlauer Bergfraktion, die in der Kita nur noch vegane Kost fordern und sich über Erntemaschinen in der lauen Sommernacht beschweren, braucht kein Mensch.
        Die Autorin hat ihre Familie vor Ort, sie ist dort aufgewachsen, man kennt sich also…
        Und grundsätzlich muss man sagen; Die dörflichen Gemeinschaft hat keine Bringschuld!

  6. Hallo,
    wir haben in Bayern im Heimatort meines Mannes gebaut.
    Ich kann Sina nur zustimmen: Kinder waren beide mit 12 Monaten in der Krippe, Grundschule hat einen Hort, ich bekomme als Berufstätige keine Sprüche.
    Wir leben allerdings auch in einem eher jungen Ort mit vielen Zugezogenen.
    Und Corona Zeit war sicher schwierig für den Umzug.

    Ich wünsche Euch, dass Ihr Euch noch einlebt oder den Absprung schafft….

  7. Also, ich weiß nicht….ich will ja der Autorin nicht ihre persönlichen Erfahrungen absprechen…
    Aber ich wohne (zugezogen) in einem Dorf in Baden- Württemberg, hier gibt es an allen(!) Grundschulen der Umgebung Kernzeitbetreuung bis 16.00 Uhr. Praktisch alle Mütter sind mindestens 40-60% (eher mehr) berufstätig und die dorfeigene Krippe (und die der Nachbarorte) nimmt Kinder ab 12 Monaten und hat eine ewige Warteliste.
    Die Menschen hier sind genauso offen und tolerant oder intolerant und engstirnig wie im Rest der Republik.
    Mein Mann und ich haben über die Kinder schnell viele nette Bekannte und auch ein paar enge und tiefergehende Freundschaften gefunden. Unsere Kinder(6&8) klingeln einfach bei ihren Freunden und die sind dann da oder nicht. Eltern sind da komplett außen vor.
    Liegt es immer nur an den anderen?

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