Ihr Lieben, in meiner Ausbildung zur Familientrauerbegleiterin bei Lavia lautete eine unserer Aufgaben zwischen zwei Themenblöcken, wir sollten trauernde Jugendliche oder ein Kind mit Trauererfahrung interviewen. Meine Wahl fiel schnell, ich wollte die 14jährige Zoé (Name geändert) zur Trauer um ihre Oma befragen.
Die Fragen, die wir stellen sollten, wurden uns zur Verfügung gestellt, es ging vor allem darum, ins Gespräch zu finden, zu schauen, wie sich das anfühlt. Nun sind Interviews, auch solche zu Trauer und Schicksalsschlägen, durch die Arbeit hier bei Stadt Land Mama und durch die jahrzehntelange Erfahrung als Journalistin natürlich nichts Neues für mich.
Trauernde Jugendliche und Kinder mit Trauererfahrung
Und dennoch: Diese Fragen zu stellen und diese wahnsinnigen reflektierten Antworten einer Heranwachsenden zu hören, die ihre Oma vor einem Jahr verlor, hat mich nochmal ganz neu und tiefgehend berührt. Eigentlich war eine Veröffentlichung dieses Interviews nie geplant.
Doch als Zoé es nach meiner Niederschrift an ihre Mama weiterleitete, war auch die so tief berührt, dass sie fragte, ob nicht die stadtlandmamaische Weltöffentlichkeit davon erfahren sollte, wie großartig ihre Tochter ist. Und ja, dachten wir, das sollte sie. Hier kommen ihre Worte.
Vorab noch ein Dankeschön an Mechthild Schroeter-Rupieper, die uns gestattet hat, die von ihr entwickelten Fragen hier öffentlich zu machen.
Liebe Zoé, wie alt warst du, als du zum ersten Mal erlebt hast, dass jemand gestorben ist? Wer war das? Hast du es danach noch einmal erlebt? Erzähl mal davon.
Ziemlich genau vor einem Jahr ist meine Oma gestorben, da war ich 13 Jahre alt. Zwei Tage vor ihrem Tod bin ich noch mit ihr spazieren gegangen… Das war die erste bewusste große Trauererfahrung. Meine Uroma starb, als ich ein Baby war, aber daran habe ich keine Erinnerung mehr.
Durftest du mit zur Beerdigung gehen? Erzähl mal, wie das für dich war.
Ich bin nicht mitgegangen zur Beerdigung, weil ich gewusst hab, dass mir das psychisch nicht guttut. Meine Oma hat vor ihrem Tod selbst auch immer gesagt, Kinder haben auf Beerdigungen nichts verloren. Ich hab dann gesagt: „Ich will da nicht hingehen“, hatte gleichzeitig aber auch ein schlechtes Gewissen, dass ich ihr die letzte Ehre nicht erwiesen habe.
Meine Mama hat mich dann aber beruhigt, sie ist der gleichen Meinung wie es meine Oma war. Ich bereue die Entscheidung auch überhaupt nicht, ich bin sicher, es hätte mir nicht gutgetan, ich wollte die Urne von Oma auch nicht da vorn stehen sehen. Ich hab aber Fotos von der Urne gesehen, als Opa sie ausgesucht hat. Ich bin dann am Tag nach der Beerdigung mit meiner Familie zum Grab gegangen.
(Anm. d. Red. Im Trauerseminar lernen wir, wie wichtig es ist, auch Kindern die Möglichkeit zu bieten, an der Beerdigung teilzunehmen, hier wurde durch den Friedhofgang am nächsten Tag aber noch eine gute Abschiedsmöglichkeit fürs Kind gewährt)
Hast du begriffen, dass der Mensch tot ist? Also für immer und ewig nicht mehr wiederkommt? Manche Menschen sagen: „Das ist unbegreiflich!“ Erzähl mal, wieso oder woran du das bemerkt und begriffen hast.
Eigentlich ziemlich bald, ja. Ich bin bei uns im Haus von oben runtergekommen und dann hat mir Papa gesagt, dass Oma gestorben ist. Im ersten Moment konnte ich noch nicht weinen, da hab ich´s noch nicht verstanden und nur ins Leere gestarrt erstmal.
Etwa 20 Minuten später ging es aber los und ich hab richtig geweint. „Papa, ich werd sie NIE wiedersehen!“, hab ich gesagt. Sie nie mehr riechen können oder sprechen hören. Das war bei mir relativ schnell da. Im Jahr nach ihrem Tod fehlte sie aber natürlich auch immer wieder im Alltag.
Oma hat mir immer zugehört, mich einfach reden lassen ohne mir ihre eigene Meinung dazu aufzudrücken. Früher ging ich halt immer zu Oma, wenn ich mich von Mama mal nicht verstanden fühlte. Sie ist einfach nicht ersetzbar.
Weißt du, ob das für dich damals traurig war? Waren andere in deiner Umgebung traurig? Und woran konnte man das bei dir und bei anderen erkennen?
Oh ja, das war sehr traurig. Ich hab wirklich viel geweint und ich hab auch meinen Papa zum ersten Mal in meinem Leben weinen sehen. Er war auch traurig, sagte aber, ich solle mich an die schönen Momente mit Oma erinnern statt mich in dieses „Ich werde nieee wieder…“ reinzusteigern. Die schönen Erinnerungen bleiben ja auch für immer, die kann uns keiner nehmen.
Kannst du mit anderen Menschen über Traurigkeit reden? Mit wem am besten? Und mit wem gar nicht?
Zu Beginn konnte ich das gar nicht, da hatte ich beim bloßen Gedanken an Oma schon Tränen in den Augen. Mit Mama, Papa und Opa kann ich aber super über Trauer reden. Bei Freunden nur mit den besten. Ich trag auch zwei Ringe von meiner Oma (siehe Foto oben) und wenn dann jemand sagt: „Oh, das ist ja ein schöner Ring“ und die Person mir nicht sehr nahesteht, dann sag ich: „Ja, der ist von meiner Oma“. Sage dann aber nicht dazu, dass sie nicht mehr lebt.
Hat dich ein Verlust (Tod, Scheidung, Trennung) verändert? Kannst du das beschreiben?
Bei der Trennung war ich erst eins, da hab ich keine Erinnerungen mehr dran. Der Tod meiner Oma hat mich zu Beginn aber schon verändert, ich hab mich auch zurückgezogen, aber jetzt nicht mehr. Wobei: Ich bin schon daran gereift und stärker geworden bestimmt. Ich hatte aber auch Glück mit den Leuten in meinem Umfeld und mit meiner Familie. Nur mit einer Freundin ging es nicht weiter, weil sie sich gar nicht mehr gemeldet hat.
Was glaubst du oder wünschst du, wo die Verstorbenen sind? Können sie an verschiedenen Orten sein? Sind die Verstorbenen für alle in deiner Familie am gleichen Ort? Wo sind für dich oder euch diese Orte?
Ich glaube, dass Oma im Himmel ist (Anm. d. Red.: Zoé ist nicht getauft und glaubt nicht an Gott). Sie ist die Alte, die, die sie vor dem Krebs war. Und sie schaut auf uns runter als Glücksbringer. Wenn ich eine Arbeit in der Schule schreibe, schaut sie auf mich. Wenn Opa Auto fährt, schaut sie auf ihn und passt auf ihn auf.
Ich gehe ab und zu mal zum Friedhof, manchmal fühle ich mich danach. Dann will ich zu ihr. Ich rede auch mit ihr. Das hört sich vielleicht komisch an. Als sie gestorben ist und ich das erste Zeugnis bekam, das sie sich nicht mehr selbst anschauen konnte, hab ich es mit zu ihrem Grab genommen und ihr die Noten vorgelesen. Ich musste schon nach der zweiten Note weinen – und auf einmal brach der Himmel auf und es wurde ganz hell und sonnig. Da hatte ich das Gefühl, sie zeigt mir damit, dass sie stolz auf mich ist.
Ist dir eine Frage bzw. Antwort schwergefallen? Hätte man noch etwas Anderes fragen sollen? Oder etwas weglassen sollen?
Ich fand die Fragen gut und auch einfach zu beantworten. Sie waren greifbar. Man hätte noch fragen können, wie ich mit der Trauer umgegangen bin. Zu Beginn nämlich mit Ablenkung, ich war zuerst in einer Blase und habe mich nicht damit beschäftigt. Ich hab mit Freunden Spiele gespielt, hab mich in den Ferien (sie starb zwei Tage vor Beginn) viel getroffen.
Irgendwann kam dann aber die Trauer und dann habe ich viel mehr mit meiner Familie gemacht und unternommen. Wir haben alle viel geweint. Irgendwann gewöhnt man sich dann ein Stückweit an die Trauer und weiß sie, wenn sie kommt, besser zu nehmen.
Wenn ich versuchte, Tränen wegzudrücken, sagte Mama: Hau raus. Zu Beginn war es für mich schon auch komisch, meinen Opa weinen zu sehen. Da wusste ich nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Ich hatte zum Glück eine Freundin, die auch schon jemanden verloren hatte und die fragte ich irgendwann: Werd ich irgendwann wieder glücklich? Ich konnte mir das einfach nicht vorstellen. Aber sie sagte: ja.
Eine weitere gute Frage wäre gewesen, was mir geholfen hat. Das sind die beiden Ringe, die ich von Oma trage zum Beispiel. Der eine ist ihr Verlobungsring, den anderen hat sie einfach immer getragen. Mir geben die Ringe Halt und Nähe.
5 comments
Es ist gut, wenn Familien gemeinsam trauern könne und dafür Raum bekommen. Der ist nur gewährleistet, wenn man Aufgaben abgeben kann. So haben wir es auch gemacht und waren sehr froh darüber, dass wir die Bestattung planen lassen haben. Si wurde am Ende sehr schön ausgerichtet.
Meine Oma, also die Uroma meiner Kinder, ist verstorben. Sie war sehr alt, hatte jedoch mit allen eine tolle Beziehung. Sie stand zu meinen Kindern sehr nahe. Sollten sie mit zur Beerdigung?
Liebe Lena, ich kann dir nur sagen, wie ich es selbst handhaben würde und JA, ich würde meine Kinder auf jeden Fall mitnehmen. Gerade, wenn ältere Menschen nach einem erfüllten Leben sterben (also kein plötzlicher Schicksalsschlag, sondern der natürliche Lauf des Lebens), ist das eine gute Möglichkeit für Kinder, sich die Rituale der Trauer (zu denen ich Beerdigungen zähle) zu erschließen und in gewisser Weise auch zu „üben“. Ganz herzliches Beileid dir und euch erstmal.
Meine Kids waren 8 und 12 als mein Mann = ihr Vater von jetzt auf gleich starb. Ich hab, so gut es ging, vorher erklärt, was bei der Trauerfeier und der Beisetzung passiert. Die von mir ausgesuchten Lieder haben wir einige Tage vorher schon gehört. Sie durften ihre Lieblingskleidung anziehen, wir haben Papierschiffe mit der Urne ins Grab gelegt. Papa war begeisterter Segler und ist bei einem Törn in Mykonos verstorben.
Es war für mich sehr wichtig, dass sie sich von ihm verabschieden konnten.
Ich finde es toll, dass Zoé die Entscheidung, ob sie zur Beerdigung gehen möchte oder nicht, überlassen wurde!!
Ich denke, hier gibt es keine Regel, auch wenn es in dem Trauerseminar anders angeraten wird. Jedes Kind /jeder Mensch ist und fühlt anders und das sollte respektiert werden. Wichtig ist sicherlich, das Angebot zu machen, die Entscheidung aber jeder/m Betroffenen selbst und ganz ohne Beeinflussung zu überlassen.