Ihr Lieben, wir sind immer wieder begeistert, wie viele tolle Frauen hier mitlesen. So viele von euch sind echte Macherinnen und packen die Probleme beherzt an. So auch Sabine, die sich nach der Geburt ihrer Kinder nochmal beruflich neu erfunden hat. Sie schulte zur Tagesmutter um und hat mittlerweile 12 Angestellte. Hier erzählt sie von ihren letzten Jahren.
Liebe Sabine, ihr habt viele Jahre lang gebraucht, um Kinder zu bekommen. Kannst du mal zusammen fassen, wie euer Kinderwunschweg aussah?
Ich war acht Jahre Single und habe mit knapp 30 meinen heutigen Mann kennengelernt. Schon nach 6 Wochen sind wir zusammengezogen und kurze Zeit danach haben wir beschlossen, die Pille abzusetzen, da wir uns gleich sicher waren, dass wir füreinander bestimmt sind.
Ich wurde allerdings nicht schwanger und bei einer Untersuchung kam heraus, dass ich zu viele männliche Hormone habe, zu viele „schwarze Ketten“ , die operiert werden müssten, damit Eizellen überhaupt reifen könnten.
Auf Anraten des Frauenarztes gingen wir in die Kinderwunsch-Klinik, wo uns nach sämtlichen Tests eine Wahrscheinlichkeit von 8% diagnostiziert wurde auf natürlichem Weg schwanger zu werden.
Wie seid ihr damit umgegangen?
Wir beschlossen, meinem Körper zu helfen, schwanger zu werden. Wir wussten nicht, was auf uns zu kommen würde. Sechs Jahre später mit zwei Operationen mit Ausschabungen, sechs IVFs, insgesamt 22 Eizellen, unzähligen Massagen und Akupunkturen wurde ich beim allerletzten Versuch tatsächlich schwanger. Mein Körper war ziemlich durcheinander, ich hatte 30 Kilo zugenommen und die hatte eine Schwangerschaftsdiabetes.
Und schließlich wurde euer Baby geboren…
Ja, am 10.12.20215 konnten wir endlich eine süße Tochter in den Armen halten. Wir waren unendlich dankbar. Viele sagten, dass es beim zweiten Kind sicherlich nun von alleine klappen würde, aber das stimmte nicht. Da wir uns ein zweites Kind wünschten, sind wir nochmal den Weg der künstlichen Befruchtung gegangen. Es dauerte wieder sechs Jahre und sehr sehr viele Spritzen, bis sich unser Sohn einnistete und im Januar 2020 geboren wurde,.
Das war nicht nur emotional und körperlich herausfordernd, sondern auch finanziell. Wie habt ihr das gemeistert?
Das stimmt, wir haben 70.000 Euro für die ganzen Behandlungen investiert. Um das bezahlen zu können, hatten wir teilweise sieben Jobs gleichzeitig. Zu unseren beiden Hauptjobs nahm mein Mann noch einen Hausmeisterjob an und ich ging putzen. Wenn irgendwo Helfer für Inventuren oder Lagerarbeiten gebraucht wurden, waren wir dabei. Ich habe nachts getöpfert und die Waren am Wochenenden auf Märkten verkauft. Wir haben sehr sparsam gelebt, viel auf Ebay verkauft.
Und dennoch hat es manchmal kaum gereicht finanziell. Als wir einmal ein Rezept in der Apotheke einlösten und der Preis 1583,45 Euro war und ich wusste, dass nicht mehr genügend Geld auf dem Konto ist… das war schon eine krasse Situation. Wir hatten zum Glück auch immer Unterstützung in der Familie und so sind wir heute unendlich dankbar für unsere beiden Kinder…
Die Belastung damals war schon krass, aber ich bin überzeugt, dass jeder die Aufgaben bekommt, die er meistern kann. Wir sind als Paar, als Eltern zusammen gewachsen und stärker aus dem Ganzen hervorgegangen.
Du hast dich dann entschieden, dich nochmal beruflich neu zu orientieren. Warum?
Nachdem ganzen Kampf, endlich schwanger zu werden, hätte ich es nie übers Herz gebracht, mein Kind nach einem Jahr in die Krippe zu geben. Aber aufgrund der finanziellen Belastungen musste ich ja wieder arbeiten und da hat eine liebe Schulfreundin hat mir gesagt, ich solle doch eine Umschulung zur Tagesmutter machen. Dann könnte ich bei meinem Kind sein und trotzdem Geld verdienen.
Ich fand die Idee so super und tatsächlich gab es bisher noch keine andere Tagesmutter bei uns im Ort. So schloss ich gleich eine Marktlücke und hatte so viele Anfragen. Ich habe dann Kolleginnen im Landkreis in Grosstagespflegen kennengelernt, das fand ich auch spannend und überlegte, ob das auch was für mich sein könnte.
Du kamst ja aus einem ganz anderen Bereich, was hat dich an dem Beruf der Tagesmutter noch gereizt?
Nach fast 20 Jahren im Speditionsgeschäft empfand ich die Arbeit mit den Kindern extrem erfüllend. Ich musste keine Budgets verwalten, keine Verkaufszahlen liefern, keine strategischen Zahlen erreichen, kein Wachstum aufzeigen, keine Kunden vertrösten. Der steife Hosenanzug konnte im Schrank bleiben und das Make up konnte auch liegen bleiben.
Plötzlich gaben mir ganz einfache Dinge wieder so viel Kraft und Freude. Ein Marienkäfer, eine Seifenblase, die gejagt wird, eine Ameise im Garten oder eine reife Erdbeere, die mit Genuss und voller Freude geerntet wurde. Das mit den Kindern zu erleben, war einfach wunderbar. Und dazu die Wertschätzung der Eltern, die mit der Betreuung zufrieden waren. Und natürlich das viele Kinderlachen.
Erzähl mal, wie du dich beruflich noch weiter entwickelt hast.
Als meine Tochter 5,5 war, merkte ich, dass die Tageskinder sie frustrierten. Sie konnte ihr Spielzeug bei soviel kleineren Kindern nicht mehr liegen lassen. Barbie und Playmobil war für die Kleinen zu gefährlich. Ich hatte mir geschworen, wenn es für jemanden in meiner Familie nicht mehr passt mit der Kinderbetreuung zuhause, dann muss ich mich nach außen orientieren.
Nach Rücksprache mit dem Jugendamt sind wir auf die Stadt zugegangen und nach viel Aufklärungsarbeit konnte ich meine erste Großtagespflege in unmittelbarer Nähe zu unserem Haus eröffnen. Das hieß: Ich ging auswärts zur Arbeit, meine Kinder konnten spielen wie sie wollten, ohne ihre Sachen verstecken zu oder das Spielzeug anderer aufräumen zu müssen.
Mein Sohn war damals knapp 2 und konnte mich zur Arbeit begleiten. Nach weiteren 5 Monaten eröffneten wir die 2. Großtagespflege, weil die Stadt uns darum bat und uns die geeigneten Räumlichkeiten zu Verfügung stellte. Nochmal 5 Monate später eröffneten wir die dritte Gruppe. Mittlerweile betreuen wir 36 Kinder und wenn ich die Gruppen besuche und die leuchtenden Augen sehe, weiß ich, dass ich den besten Job der Welt habe.
Warum bist du so erfolgreich in dem was du tust?
Weil ich mit Herzblut dabei bin, 24 Stunden, 7 Tage die Woche, denn ganz abschalten kann ich so gut wie nie. Da sollte ich vielleicht ein bisschen besser meine Grenzen ziehen. Ich bin manchmal auch zu weich mit meinen Angestellten, aber auf der anderen Seite habe ich dadurch ein wirklich tolles Team. Das gibt mir dann doch immer wieder Kraft, weiter mit den Behörden und dem Paragraphen-Dschungel zu kämpfen und das Beste für meine Familie, die Kindern und meinem Team zu erreichen.
Viele haben Angst, sich nochmal beruflich neu aufzustellen. Wie kannst du ihnen die Bedenken nehmen?
Ich habe es für die Familie getan. Für uns war es die beste Möglichkeit allen Wünschen und Bedürfnissen gerecht zu werden.
Generell würde ich als Tipp geben: „Einfach mal machen. Es könnte ja gut werden.“ Wir haben alle zu oft zu viel Angst. Wenn es nicht klappt, dann muss man halt nochmal umorganisieren.
Was macht für dich eine richtig gute Tagespflege aus?
Wir sind die Mischung aus Fachpersonal wie Fachpädagogen und Herz-Bauch-Mamas, also Tagesmüttern. Wir können gegenseitig voneinander lernen und uns bereichern und das ergibt für mich die schönste Ergänzung für die Kinder.
Ein liebevoller, geregelter Ablauf für die Kleinsten, um einen breitgefächerten Grundstock für alles weitere mitzugeben. Mein erstes Tageskind ist immer noch die beste Freundin meiner Tochter und zu allen meinen Tageskindern hab ich noch Kontakt. Es macht mich tatsächlich sehr stolz, dass ich sie am Anfang ihres Lebens so eng begleiten durfte.
1 comment
Eine tolle, inspirierende Geschichte. Selbst ohne die Großpflegegruppen bist du für mich eine Heldin! Es wird leider immer schwieriger, Tagesmütter zu finden. Woran liegt es eigentlich konkret, dass so viele Tagesmütter aktuell ihren Beruf aufgeben? In unserem Stadtteil ist nur eine Tagesmutter von fünf übrig geblieben.