Liebe Alexandra, dein Sohn ist heute 10 Jahre alt, die Schwangerschaft mit ihm war aber nicht ganz leicht. Wann traten erstmals Komplikationen auf?
Mein Sohn war ein absolutes sehnlichst erwartetes Wunschkind. Ich war mit Zwillingen schwanger, das zweite Kind entwickelte sich aber nur bis zur 5. SSW. Nach diesem Verlust entwickelte sich die Schwangerschaft aber gut, ich war sehr glücklich.
In der 23. SSW hatte ich einen Nierenstau mit heftigen Krämpfen. Ich bekam gering dosierte ACE-Hemmer und verbrachte schon zu Hause die meiste Zeit auf der linken Seite liegend, um die rechte Niere zu entlasten.
In der 27. SSW hatte ich dann zu Hause einen Blasensprung, wurde mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht, wo ich sofort Wehenhemmer, Kortison zur Lungenreife des Babys und eine Antibiose-Behandlung bekam. Wehen hatte ich zum Glück nicht.
Kannst du dich noch erinnern, wie du dich da anfangs gefühlt hast?
Ziel war ja, die Geburt hinauszuzögern. Die ersten Tage habe ich wie in Trance verbracht, ich war voller Sorge und Angst. Eine Bettnachbarin von mir hatte in der 35. SSW entbunden, das Kind war gesund, hatte aber Atemprobleme und musste beatmet werden. Da wurde mir bewusst, wieviel zu früh eine Geburt in meiner Schwangerschaftswoche wäre. Mir war dann klar, wie wichtig jeder einzelne Tag war und setzte mir zum Ziel, ebenfalls bis in die 35. Woche zu kommen.
Ab der 27. Woche musstest du also strickt liegen. Wie lange und unter welchen Umständen?
Die ersten Tage durfte ich nicht mal auf die Toilette und bekam eine Bettpfanne – das ist nicht gerade prickelnd, wenn man in einem 3-Bett-Zimmer liegt. Nach zwei Tagen bat ich um eine kleine Trennwand, damit ich etwas mehr Privatsphäre habe. Unnötig zu sagen, dass Verstopfung so vorprogrammiert ist, oder?
Nach 5 Tagen durfte ich das erste Mal wieder zur Toilette gegen, duschen dufte ich allerdings nicht. Ich konnte mich im Bett ein bisschen waschen, was auch wirklich nicht leicht war. Nach 10 Tagen durfte ich erstmals wieder kurz duschen gehen.
Da ich keine Zusatzversicherung hatte, hatte ich die ganze Zeit wechselnde Bettnachbarn. Ich war immer froh, wenn diese wegen anderer Probleme dort waren. Wenn eine andere Frau mit Schwangerschaftskomplikationen da war, hatte man plötzlich nicht nur seine eigenen Gedanken, die nie aufhörten, sondern auch noch einen anderen Menschen, der ebenfalls viel Angst hatte – und teilweise noch schlechter damit umgehen konnte.
Wie sah dein typischer Tag da aus?
Nach den ersten 10 Tagen wurde alles in sofern entspannter, da ich normal zur Toilette durfte und 1x am Tag duschen. Es stellte sich eine Routine ein: Jeden Tag um 6.30 Uhr kamen die Krankenschwestern zur Blutentnahme, dann kamen die Putzfrauen. Gegen 8 Uhr das Frühstück, danach die Visite, sehr oft der Oberarzt, 2x sogar der Chefarzt. Ich kam mir manchmal vor wie ein Tiger im Zoo.
Highlight waren die Besuche der Hebammen mit den Wehenschreibern 3x am Tag. Schon aufgrund dessen, dass sie zu unregelmässigen Zeiten kamen und immer interessante Geschichten über die täglichen Geburten zu erzählen wussten (natürlich anonym). Mittagessen und Abendessen immer zur gleichen Zeit.
Wie vertreibt man sich die Zeit, um nicht vor Langeweile einzugehen?
Mich hat das Internet gerettet. Ich erhöhte meinen Datentarif bei der Telekom und surfte mich auf meinem Laptop gefühlt durch das ganze Netz. Ich habe viel recherchiert und gelesen zu der Zeit, habe SMS an Freundinnen und Kolleginnen geschrieben und auch viel telefoniert. Jeden Abend kam mein damaliger Mann eine Stunde zu Besuch, wenn er unseren Hund dabei hatte, bin ich mit dem Rollstuhl nach draußen gefahren, um ihn zu streicheln.
Nach was hast du dich in dieser Zeit am meisten gesehnt?
Einfach nach zu Hause, nach meinem Bett, meinen Sachen, meinem damaligen Mann, meinem Hund. Aber ich wusste immer, dass diese Zeit ja begrenzt ist und hatte damit psychologisch einen großen Vorteil Schwerkranken gegenüber, die ja nie wissen, wann sie wieder nach Hause dürfen. Und ich wusste natürlich auch immer, wofür ist das alles mache….
Wann ging dann die Geburt los und wie verlief die Geburt?
Es wurden natürlich weiterhin regelmässig Ultraschall-Untersuchungen gemacht, um das Wachstum zu überwachen. Einen Tag vor Weihnachten hatte ich tatsächlich zum ersten Mal sehr leichte Wehen, die aber nach 1-2 Stunden wieder vergingen. In der 33. SSW merkte ich dass sich mein Sohn im Bauch veränderte. Irgendwie schien er sich unwohl zu fühlen, ich kann es nicht genauer beschreiben, aber ich bestand auf einer erneuten Messung. Dort konnte keine Anomalie festgestellt werden, aber mein blödes Gefühl blieb und in einem langen Gespräch mit dem Oberarzt einigten wir uns auf einen Entbindungstermin bei 34+0. Da ich keine Wehen hatte, planten wir einen Kaiserschnitt.
Beim Kaiserschnitt gab es Probleme, die Betäubung saß nicht richtig, ich spürte also noch etwas. Deshalb wurde ich sofort in Vollnarkose versetzt, mein Mann wusste den OP verlassen. Dann wurde unser Sohn geboren.
Wie lange musstet ihr danach noch im Krankenhaus bleiben?
Mein Sohn war bei der Geburt 47cm gross, wog aber nur 1910 Gramm. Ich sage immer, er war ein halbes Baby. Das Gewicht war viel zu wenig für SSW 34, mein Gefühl hatte also gestimmt: Er hatte sich seit der 32. Woche nicht mehr richtig weiterentwickelt, so dass sie Entscheidung, ihn 34+0 zu Violen, absolut richtig war.
Mein Sohn war 3 Wochen auf der Kinderintensivstation, wurde nur am ersten Tag beatmet. Ich kam nach meiner Entlassung immer morgens früh auf die Frühchenstation und liess mich abends spät von meinem damaligen Mann abholen. Ich war den ganzen Tag bei meinem Sohnes, wir känguruhten, machten Babymassage.
Ich lernte in dieser Zeit so viel von den Kinderkrankenschwestern und muss sagen, dass es eine sehr schöne Zeit war, da ich jeden Tag sehen konnte, wie mein Sohn stärker und fitter wurde.
Wie geht es deinem Sohn heute?
Mein Sohn hatte mit 3 Monaten bereits das gleiche Gewicht wie reif geborene Babys, ist heute sogar größer als der Durchschnitt. Er hat sich ganz altersgerecht entwickelt, wofür ich sehr dankbar bin.
Mein Sohn ist heute ein riesen Lego Fan, mag Star Wars, liebt unseren Hund und unsere Katze. Er tobt gerne im Garten, mag Urlaub am Meer, hat eine rege Phantasie und sehr nette Freunde.
Was möchtest du Mamas sagen, die gerade jetzt ebenfalls nur liegen dürfen?
Mein Sohn ist das goldene Ei, das ich höchstpersönlich, liegend, mehrwöchig ausgebrütet habe. Welche Mutter kann das schon von sich behaupten? 😉
Liebe Mamas, haltet durch, euer Kind wird es später unendlich danken. Seid froh über die Chance, durch das Liegen die Situation zu verbessern, andere Mütter haben diese Chance leider nicht. Ihr schafft das, auch wenn es manchmal schwierig ist. Die größte Entschädigung ist es, später sein Kind im Arm zu haben.
3 comments
Ich habe das ganz ähnlich erlebt. Wochenlang im Krankenhaus ohne aufstehen zu dürfen….im 5- Bett Zimmer….Fernseh ohne Kopfhörer, der dann leider viel lief..ständiger Geräuschpegel…ja es war schwierig. Was hätte ich gerne daheim gelegen…ging aber nicht, da ich durchgehend Wehenhämmer bekam…Aber wir haben es geschafft!!
Bei mir war es ähnlich wie bei Franzi, Zwillinge, liegen von Anfang bis Schluss, aber fit werden habe ich gar nicht schlimm in Erinnerung. Ich war eh zum stillen viel gelegen und gesessen und der Rest kam wie von selbst. Ich hatte den Fokus auf den Kindern;
Jetzt sind sie 6, die Gelegenheit war ab dem Kindergarten da, wieder ganz fit zu werden.
Es stimmt: lieber jeden Tag liegen, als was zu riskieren. Wir konnten so eine Frühgeburt, Beatmung und Inkubator vermeiden, was auch meine Gynäkologin beeindruckt hat. Da ich selber aus der Branche komme, wollte ich auch alles geben, um mitzuhelfen, das zu vermeiden.
Hebammen behaupten ja immer Ruhe geben hilft…das wollte ich nicht unversucht lassen. Es war schon die extremste Form von Ruhe im Bett, aber im Nachhinein sogar durch die Routinen eine tolle Erinnerung an eine besondere Zeit an meine Kinder, auf die ich viele viele Jahre gewartet habe.
Ich weiß, wie du dich gefühlt hast. Mit meinen Zwillingen lag ich wegen kontinuierlicher Komplikationen ab der 5. Schwangerschaftswoche bis zur 36+1. Zum Glück nie in der Klinik, aber streng zu Hause im Bett. Es stellt sich eine eigenartige Routinen ein zwischen Arztbesuchen, Hebammengesprächen und dem täglichen Austausch mit dem Internet 😉 . Ihr tapferen Mamas da draußen-haltet durch. Das Ergebnis entschädigt für alles. Nur das anschließende „Wieder-fit-werden“ ist einfach nur ätzend anstrengend!!