Schwangerschaftsabbruch: Ich wollte die Zwillinge nicht austragen

Schwangerschaftsabbruch

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Ihr Lieben, im ersten Quartal 2024 haben 28.200 Frauen eine Schwangerschaft abgebrochen, das sind 3,2 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. 68 Prozent der Frauen waren zwischen 18 und 34 Jahre alt, drei Prozent unter 18 Jahren. Unsere Leserin Josefine gehört zu den 29 Prozent der Frauen, die zum Zeitpunkt des Abbruchs älter als 34 waren. Sie wusste direkt nach dem positiven Test, dass sie nicht nochmal Mutter werden will und entschied sich für einen Schwangerschaftsabbruch.

Achtung: Wir wissen, dass das Thema polarisiert. Wir bitten euch aber, sachlich und konstruktiv zu bleiben. Jeder Kommentar, der verletzend oder anklagend ist, wird gelöscht. Denn wir – das wollen wir hier auch mal ganz klar sagen – sind fest der Meinung, dass jede Frau das Recht hat, selbst über ihren Körper zu entscheiden.

Liebe Josefine, du hattest im Januar einen Schwangerschaftsabbruch. In welcher Woche hast du von der Schwangerschaft erfahren und war dir gleich klar, dass du sie abbrechen wirst?

Eigentlich hab ich gleich nach dem Sex gemerkt, dass jetzt irgendwie was nicht passt. Bis zum Test am 21.12. hatte ich zwar gehofft, dass ich nicht schwanger bin, aber der Test war sofort positiv. Ich wusste aber von Beginn an, dass ich nicht noch ein Kind möchte. Ich bin selbstständig, mein Haus hat kein weiteres Kinderzimmer, ich bin 42 Jahre alt – kurz: Diese Schwangerschaft war ein Unfall.

Wie ging es nach dem positiven Test weiter?

Als Erstes habe ich meinen Partner Bescheid gesagt, direkt danach hab ich bei ProFamilia angerufen. Über Silvester ging es mit Oma in den Familienurlaub. Das fand ich schlimm: Ich wollte nichts erzählen, mir war ständig übel und ich hatte auch ordentlich Blutungen. Da habe ich schon gehofft, dass sich das alles von alleine erledigt…

In der zweiten Januarwoche hatte ich den Beratungstermin bei ProFamilia. Die Beraterin war sehr nett und wollte mich auch nicht beeinflussen. Aber dennoch empfand ich das als unnötige Gängelei und Zeitverschwendung.

In der dritten Januarwoche hatte ich dann endlich den Frauenarzttermin. Ich muss dazu sagen, dass man sich auf dem Dorf ja gut kennt, und ich mit dem Arzt auch „per du“ bin. Ich erzählte ihm alles und erzählte auch von den Blutungen und dass die Schwangerschaft ja vielleicht gar nicht mehr intakt ist.

Was sie aber war….

Genau, der Arzt untersuchte mich und sagte dann: „Die Schwangerschaft ist intakt. Es sind sogar Zwillinge, sie sind zeitgerecht entwickelt, die Herzchen schlagen auch schon.“ Ich antwortete: „Auch
Zwillinge kann ich nicht austragen.“

Erzähl uns mal ein bisschen mehr über dein Leben und von dir.

Ich wohne in einem kleinen Ort im Thüringer Wald, bin 42 und habe zwei ganz tolle Jungs, 7 und 10 Jahre alt. Vom Papa der Kinder habe ich mich vor knapp zwei Jahren getrennt, da meine Jugendliebe wieder in meinem Leben aufgetaucht ist. 

Ich bin selbständig, habe eine kleine Beratungsstelle und bearbeite Einkommensteuern. Mein Leben läuft gut: Kein Stress mit dem Ex, eine gute, liebevolle neue Beziehung und zwei gesunde Kinder.

Hast du deinen Partner oder sonst jemanden in die Entscheidung des Abbruchs einbezogen? 

Meinen Partner habe ich eigentlich vor vollendete Tatsachen gestellt. Er ist 46, hat auch schon einen Sohn. Wir waren uns sofort einig, dass wir keine weiteren Kinder wollen. Ansonsten wusste nur eine Freundin Bescheid. Auch sie hat mir nicht reingeredet. Mein Körper, mein Leben, meine Entscheidung. 

Wie verlief dann der Abbruch?

Mein Frauenarzt hat beim ersten Termin sofort in der Klinik angerufen und einen Termin zum Abbruch gemacht. Der war dann auch relativ zeitnah, da war ich dann in der 10. oder 11. Woche. 

Beim Vorgespräch (an einem Freitag) wurde nochmal alles gemessen und die Zwillinge waren zeitgemäß entwickelt. Da ging es mir nicht sooooo gut und die ein oder andere Träne ist gekullert. Der Abbruch war dann am darauffolgenden Montag. Ich war einfach nur erleichtert, dass es nun soweit sein würde. Meine Schwangerschaftssymptome waren – vermutlich wegen der Zwillinge – extrem ausgeprägt. Mir war ständig schlecht, ich war hundemüde. 

Im Krankenhaus gab es dann ein extra Zimmer für drei Frauen, wir hatten alle das Gleiche vor uns. Wir haben nicht viel miteinander gesprochen, jede hat das mit sich selbst ausgemacht. Nach zwei Stunden des Wartens ging es schließlich in den OP. Die Schwestern waren jetzt nicht sooo freundlich.

Als ich auf die Narkose wartete, hörte ich nur einen Arzt sagen: „Na, heute wären es wieder 4 (Kinder) gewesen.“ Nach dem Aufwachen mussten wir noch drei Stunden zur Beobachtung da bleiben. Ich hatte das Gefühl, eine Verbrecherin zu sein. Es wurde kaum nach uns geschaut, es gab kaum ein freundliches Wort. 

Wie ging es dir psychisch und körperlich nach dem Abbruch?

Mir ging es, bis auf die Momente, als ich die Ultraschallbilder gesehen habe, psychisch gut. Ich war mir ja in meiner Entscheidung sicher und wollte das Kapitel einfach abschließen. Ich konnte hinterher auch gut darüber reden. Körperlich hat sich das alles dann aber doch etwas hingezogen. Klar, die Vollnarkose macht einem ein paar Tage zu schaffen, Schmerzen hatte ich aber gar keine. 

Bei dem Kontrolltermin beim Frauenarzt wurde dann aber festgestellt, dass mein HCG Wert noch zu hoch ist. Ich musste dann wöchentlich zum Blutnehmen und zur Kontrolle, weil man beobachten wollte, ob ich noch eine Ausschabung brauche. Zum Glück war mein Körper 12 Wochen nach dem Abbruch soweit und der HCG-Wert endlich auf Null. Bei einer Zwillingsschwangerschaft dauert das schonmal länger. 

Und wie beurteilst du deine Entscheidung nun ein paar Monate später?

Klar, manchmal denke ich schon daran, was gewesen wäre, wenn ich mich anders entschieden hätte.
Entbindungstermin wäre der 31.8. gewesen. Im März bin ich auch Tante geworden bin und komme so wieder öfter mit dem Thema Baby in Berührung. 

Aber immer, wenn ich darüber nachdenke, komme ich zu dem Punkt, dass es nicht in unser Leben gepasst hätte. Ich bin einfach mit 42 an einem anderen Punkt, ich will mit meinem neuen Partner reisen, Spaß haben, auf Konzerte gehen. Dazu haben wir ja schon insgesamt drei Kinder.

Es gibt viele Menschen, die einen Abbruch moralisch verurteilen. Was möchtest du dem entgegnen?

Den Menschen, die sowas verurteilen, möchte ich sagen: Steckt erstmal selbst in so einer Situation. In der Theorie ist es immer ganz einfach, in der Praxis sieht es dann anders aus. Generell finde ich, dass jede Frau diese Entscheidung für sich selbst treffen sollte und muss – und ab einem gewissen Alter – auch ohne Beratung von außen.

Es gibt viele Länder auf der Welt, in denen Frauen keinen oder nur erschwerten Zugang zu sicheren Abbrüchen haben. Was hat das deiner Meinung nach für Auswirkungen?

Sichere Abbrüche sollten zum Grundrecht gehören. Dabei ist egal, aus welchem Grund man abbrechen möchte. Man sollte viel mehr über Abbrüche reden, schreiben und lesen können – ohne sich wie ein Verbrecher zu fühlen. Leider ist das sogar in Deutschland nicht der Standard. Hier muss noch ganz viel Arbeit geleistet werden.

Gibt es etwas, was du anderen Frauen, die vielleicht vor einer ähnlichen Entscheidung stehen, mit auf den Weg geben möchtest?

Trefft eure Entscheidung und habt kein schlechtes Gewissen! Es ist allein euer Leben und zu diesem Leben gehört auch eine gesunde Portion Egoismus.

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11 comments

  1. Ich kann dich gut verstehen. Meine Tochter ist 7 Jahre alt. Ich bin Selbstständig und genieße mein Leben gerade so wie es ist. Meine größte Sorge war trotz Verhütung vor eben dieser Entscheidung zu stehen. Deshalb habe ich mich letztes für die Sterilisation entschieden.
    Jede Frau sollte das Recht auf selbstbestimmtes Handeln haben.

  2. Sehr mutig und gut diese Geschichte zu erzählen. Und ich kann die Entscheidung auch gut nachvollziehen. Aber dennoch steht für mich die Frage nach der Verhütung im
    Raum. Mich würde schon interessieren wie es zu der ungewollten Schwangerschaft kam und mit 42 Jahren ist man in Sachen Verhütung ja keine Anfängerin mehr. Vielleicht erfährt man ja dazu noch etwas.

  3. Ich kann die Autorin und ihren Partner auch gut verstehen und die Entscheidung nachvollziehen. Wie gut, dass beide damit „fein“ sind. Ich höre immer wieder, dass das Krankenhauspersonal bei dem Thema sehr selbstgerecht ist und Frauen, due abgetrieben haben, quasi links liegen gelassen werden. Das tut mir leid, heißt es doch im Umkehrschluß, dass die Frauen leichtfertig sind und selbst Schuld.
    Ich wünsche der Autorin alles Gute….

  4. Ich finde den Stand der Autorin zur Beratung keinesfalls „hart“, im Gegenteil- ich kann die Sicht gut verstehen. Ich finde, jede Frau sollte ein Recht und Zugang zu neutraler Beratung haben, diese sollte aber keine Pflicht sein. Je nachdem wie und unter welchen Umständen die Schwangerschaft und der Abbruch zu Stande kommen, kann ein solcher Termin Betroffene nur noch mehr belasten. Wer sich seiner Situation und Entscheidung sicher ist, braucht nicht noch Input von Fremden.

    Ich finde, dass nimmt mir als Frau so etwas die Mündigkeit – als ob ich grundsätzlich nicht Herrin meiner eigenen Entscheidung sein kann und noch Beratung von Außen haben muss. Warum sollte es Pflicht sein, sich Input von einem Haufen fremder Leute zu holen, die alle ihre ganz eigene Meinung haben, aber keine Ahnung von Leben und Situation etc. der jeweiligen Frau.

    Klar, wem solche Ressourcen helfen, der soll sie bekommen, aber sie sollten keine Pflicht sein.

    1. Wenn sie verunsichert sind und sich nicht trauen oder von jemanden eingeschüchtert sind. Oder auch wenn man nicht auf Gedanken kommt, was für Hilfe sie bekommen könnten, ist eine Beratung hilfreich. Aber es hilft nichts, wenn sie es nicht in Anspruch nehmen, siehe Gründe oben. Daher finde ich schon, dass es der Pflicht Sinn macht. Ich sehe nicht so, dass man entmündigt wird. Die Beratung bleibt neutral und beeinflusst die Entscheidung nicht. Meine Freundin war sich ihre Entscheidung sicher und nach zwei Minuten war es auch erledigt, da sie dachte, Sie wünsche keine Beratung, sondern eine Abtreibung. Sie haben nur gesagt, wenn sie merken sollte, die Entscheidung zu oder nach der Abtreibung macht ihr doch zu schaffen, so sei sie jederzeit willkommen. Das war’s.

  5. Hinter uns liegen fast 10 Jahre unerfüllter Kinderwunsch mit allem drum und dran inkl 5 Fehlgeburten. Inzwischen sind wir glücklich, dass wir zwei ungeplante Kinder anderer Frauen adoptieren konnten. Ich bin wirklich jeden einzelnen Tag dankbar, dass diese Frauen sich anders entschieden haben. Natürlich kenne ich die Situation der Autorin nicht aus eigenem Erleben und kann und will dazu nicht urteilen. Ich würde mir nur herzlich wünschen, dass die Möglichkeit zur Adoption ernsthaft in Erwägung gezogen wird. Es gibt so viele, die wie wir gerne auch mehreren Kindern ein liebevolles Zuhause geben würden.

    1. Zunächst einmal – ich freue mich für jeden, den Adoption hilft, seines zur Erfüllung eines Kinderwunsches oder als Schwangere die kein Kind will/ haben kann etc.
      Aber die Aussage:“ Ich würde mir nur herzlich wünschen, dass die Möglichkeit zur Adoption ernsthaft in Erwägung gezogen wird. Es gibt so viele, die wie wir gerne auch mehreren Kindern ein liebevolles Zuhause geben würden“ stößt mir dann doch etwas arg auf.

      Ein Kind ist ja nicht wie ein ungewollter Wurf Katzen – wenn ihr kein Haustier wollt, andere würden sich so freuen!
      Adoption bedeutet ja trotzdem die Belastung der Schwangerschaft und Geburt an sich (physisch und psychisch!)
      – es bedeutet, dass JEDER in meinem Umfeld, ob Nachbar, Familie oder Kollegen und Chef, von der Entscheidung wissen und man dort dann evtl. Auch Druck und Verurteilung ausgesetzt ist. Es bedeutet natürlich einen schwerwiegenden 9 monatigen Einschnitt in das Leben der Frau. Und – am Ende hat man doch ein Kind, selbst wenn man nie eines wollte. Spätestens ab 18 hat das Kind ein Recht seine Herkunft zu wissen!
      Kurzum – nach einem Abbruch kann Frau mit der Sache abschließen- eine Adoption ist da deutlich einschneidender.

      Ich wünsche keinem einen unerfüllten Kinderwunsch aber trotzdem – quasi zu sagen „bekommt doch lieber ein Kind, andere hätten soooo gerne eines“…🤢
      Der unerfüllte Kinderwunsch von Person A sollte nie die Entscheidung von ungewollt Schwangeren Person B beeinflussen – am Ende ist das eine nicht das Problem des anderen.

  6. Ich kann schon verstehen, wenn Adoption keine Alternative ist. Immerhin entwickelt sich man Gefühle für die ungeborene Babys. Da möchte man sie nicht mehr abgeben. Dann lieber jetzt, wo noch keine Gefühle entwickelt sind, entscheiden, wie geht es weiter?

    Das einzige was ich eher kritisch sehe ist dass die Beratung bei profamilie als Zeitverschwendung bezeichnet wurde. Das ist sie keinesfalls! Mir hat es damals geholfen und ja ich habe mich für Leben entschieden aber ich konnte ein paar mal vorbeikommen. Ich bin froh es in Anspruch genommen zu haben.
    Sie beraten auch nach der abtreibung, um sie bei der Verarbeitung zu unterstützen. Aus meiner Sicht soll es Pflicht vor der Abtreibung bleiben, damit die Frauen informiert sind, dass sie nicht allein sind, egal ob für oder gegen Leben.

  7. Ein sehr sensibles und kontroverses Thema. Ich bin grundsätzlich auch dafür dass jede Frau ein Recht auf eine eigene Entscheidung bzgl ihres Körpers und ihres Lebens hat. Trotzdem hat mich die Stelle mit dem Ultraschallbild zu Tränen geführt und habe kurz bedauert dass diese kleinen Menschlein niemals ein Recht auf ein Leben haben.

    Ich bemerke, ich hoffe ich muss niemals vor dieser Entscheidung stehen. Diese Zerrissenheit wird einen niemals jemand nehmen können.
    Ich wünsche der Autorin weiterhin den Mut darüber zu sprechen und weiterhin die innere Haltung für sich im Reinen zu sein. Ich kann ihre Beweggründe gut nachvollziehen. Alles Gute.

  8. Ich kann dich gut verstehen! Neulich war ich ein paar Tage überfällig und dabei ist mir -genau wie dir- klargeworden, dass ein weiteres Baby, noch mal von ganz vorne anfangen, jetzt, wo endlich alle aus dem gröbsten raus sind, definitiv keine Option ist.
    Bei mir waren es zwar dann „nur“ die Wechseljahre und zum Glück keine Schwangerschaft, aber die Entscheidung für den Abbruch hätte festgestanden.
    Was du schilderst, dass das Krankenhauspersonal euch nicht freundlich behandelt hat, finde ich schlimm, denn diese Personen fühlten sich moralisch erhaben und das ist immer ganz schlecht. Für diese Entscheidung darf keine Frau verachtet werden! Unsere Gesellschaft ist ach so tolerant, aber wehe, eine Frau nimmt für sich in Anspruch, wofür schon unsere Großmütter kämpften – das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper. Wo bleibt dann die viel beschworene Toleranz?

  9. Ich bin pro choice, aber die obligatorische Beratung als „Zeitverschwendung“ zu bezeichnen, finde ich schon hart. Immerhin geht es um ein (oder in dem Fall zwei) Menschenleben. Das sollte frau schon wohlüberlegt und -informiert entscheiden. Es gab hier ja auch schon Geschichten von Frauen, die sagten, die Abtreibung sei ihnen zu leicht gemacht worden, sie hätten übereilt und panisch entschieden. Was ich schade finde, ist, dass die Möglichkeit einer Adoption nicht einmal erwähnt wird. Klar, eine Schwangerschaft und Geburt sind kräftezehrend und was würden die Nachbarn sagen… aber immerhin hat das Paar ja anscheinend (?) nicht konsequent verhütet und steht somit auch irgendwie in der Verantwortung. Nichts destotrotz wünsche ich der Mutter alles Gute.

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