Schule in Corona-Zeiten: Am Besten wäre ein Schichtsystem

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Liebe Sabrina – du bist seit 15 Jahren Grundschullehrerin. Erzähl mal was über Deine Schule.  

Ich unterrichte an einer Grundschule eines Dorfes im Hamburger Speckgürtel, wir haben knapp 300 Schüler, die meisten aus „gut situierten“ Elternhäusern. Unsere Schule besuchen nur wenige Kinder mit Migrationshintergrund 

Für Dich als Lehrerin hatten die Corona-Maßnahmen positive Auswirkungen. Wie genau sah das aus?

Als nach dem Lockdown der Schulbetrieb langsam wieder aufgenommen wurde, kam ein Drittel der Schüler (das waren 8 Kinder bei mir) für 2 Stunden in der Woche. In diesen 2 Stunden haben wir ganz intensiv gearbeitet (Deutsch/Mathe), ich hatte genügend Zeit, mich wirklich und intensiv mit jedem einzelnen Kind zu befassen. Das trug unheimlich zur Ruhe und Gelassenheit bei mir und den Kinden bei.

So lief es 2 Wochen, dann wurden wir quasi „über Nacht“ damit überrollt, dass plötzlich alles wieder in voller Klassenstärke und mit nahezu vollem Stundenplan laufen sollte – und das 3 Wochen vor den Ferien. Alle hatten ein mulmiges Gefühl und einige Eltern haben ihre Kinder nicht in die Schule geschickt, weil sie es zu gefährlich fanden.  

Wie haben sich die Kinder durch die neuen Situationen verändert? 

Ich hatte nicht den Eindruck, dass der Lockdown gravierende Spuren bei den Kindern hinterlassen hat. Viele Familien berichteten mir am Telefon (ich habe mich regelmäßig bei allen gemeldet), dass sie die gemeinsame Zeit ohne Termine genießen. Das fällt sicher leichter, wenn man große Häuser und Gärten hat, wie es bei den meisten Kindern hier der Fall ist.

Die Kinder haben nichtsdestotrotz ihre Mitschüler und auch mich vermisst, das haben sie mir in den Videokonferenzen erzählt. 

Wie hast du persönlich die Zeit mit den kleineren Gruppen erlebt? 

In der Zeit der kleinen Lerngruppen war es für mich fast wie eine Erleuchtung: ich war so zufrieden wie lange nicht mehr, weil ich mir Zeit nehmen konnte für jedes Kind und weil ich viel weniger gehetzt und gestresst war. Ich kam echt ins Träumen, was man alles erreichen könnte, wenn nicht 25, sonder vielleicht nur 15-18 Kinder in der Klasse wären.

Ich bin mir sicher, dass viele soziale Probleme nicht auftreten würden, weil diese Enge, die Lärmbelastung und die fehlende Aufmerksamkeit viel geringer wäre als bei 25 Kindern in meistens viel zu kleinen Räumen. Ich kann verstehen, dass manche Kinder hoch belastet sind durch die Enge und die Lautstärke und das manchmal vergebliche Warten auf Zuwendung. 

Wie hast du jetzt die Wochen vor den Herbstferien empfunden?

Ich hatte anfangs großen Respekt, was alles auf uns zukommt. Wir arbeiten in voller Klassenstärke und mit normalem Stundenplan. Jeder Jahrgang ist eine Kohorte und in den Pausen voneinander getrennt, was bedeutet, dass wir mehr als doppelt soviele Pausenaufsichten brauchen. Das belastet uns Lehrer enorm, ebenso wie all die Hygienevorschriften wie Händewaschen und Maskenpflicht überwachen, bei kranken Kinder Entscheidungen treffen etc.

Diese deutlich höhere Arbeitsbelastung ist nicht das ganze Schuljahr durchzuhalten, aber momentan will ich nicht darauf hoffen, dass in naher Zukunft Lockerungen eingeführt werden…Ich fürchte, dass uns in den nächsten Wochen viele Krankmeldungen erwarten, bei Lehrern und Schülern. Die Erkältunszeit wird bestimmt nochmal befeuert durch das ständige Lüften 

Das stimmt. Alle blicken mit Sorgen auf die Schulen im Herbst/Winter. Hast du einen Vorschlag, wie es weitergehen könnte? 

Am besten wäre Hybridunterricht, eine halbe Klasse kommt in der einen Woche (und der Abstand wird eingehalten), die andere in der nächsten. Für die Kinder, die zuhause sind, gibt es Wiederholungs- und Festigungaufgaben, die sie möglichst alleine erledigen können. Und der Schwerpunkt liegt auf Deutsch und Mathe, andere Fächer müssen dann in diesem Jahr ein wenig zurückstecken (das sag ich für die Grundschule, an den weiterführenden Schulen ist es sicher anders).

Allerdings weiß ich auch, dass dieses Wechselmodell eine Katastrophe für viele berufstätige Eltern ist. Da hoffe ich, dass die Wirtschaft flexibler wird und dass es in den Schulen eine Notbetreuung gibt. Bei komplettem Homeschooling hat unsere Schule bereits ein Konzept erarbeitet, wie die Kinder unterrichtet werden. Mit Material, das die Schule zur Verfügung stellt, mit Videokonferenzen und Telefonaten. Das ganze natürlich nicht mit Dienst-Laptops (haha!), sondern auf eigenen Geräten und mit hoffentlich stabilem Wlan zuhause.   

Bisher hast du den Eindruck, dass deine Schüler den Lockdown und die Zeit danach gut verarbeitet haben. Wie sähe das bei einer erneuten Schulschließung aus?

Ich denke, es hängt davon ab, wie lange der Lockdown dauern würde, 3-4 Wochen können wir auffangen und mit Inhalten füllen. Ich glaube, meine Schüler sind emotional gut gefestigt und meistens in stabilen Familienverhältnissen, so dass ein paar Wochen zuhause keinen großen Schaden anrichten, hoffentlich!

Ich weiß aber, dass es viele Kinder gibt, die hart getroffen werden, weil sich niemand um sie kümmert und sie alleine gelassen werden…

Wenn du dir 3 Dinge fürs Schulsystem wünschen dürfest, welche wären das?  

1. Kleinere Lerngruppen (maximal 20 Kinder)

2. bessere digitale Ausstattung (in unserer Schule wünsche ich mir stabiles Wlan, Smartboards und Ipads für alle Kinder, falls mal eine gute Fee vorbei kommt)

3. Kooperation und Kommunikation der Ministerien mit der Basis (oft hat man den Eindruck, die Entscheidungsträger haben seit Jahren keinen Unterricht mehr gesehen geschweige denn sebst unterrichtet)

Foto: Pixabay Symbolbild

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4 comments

  1. Ich kann den Wunsch auch nicht nachvollziehen. Inzwischen verdichten sich doch die Erkenntnisse, dass Kinder nicht die Pamdemietreiber sind. Und für berufstätige Eltern ist es schlichtweg untragbar.

  2. Als Mutter einer Gymnasiastin kann ich nur sagen : BITTE NICHT! Am Gymnasium lief das Wechselmodell an nahezu allen Schulen so ab, dass man 4-8 Stunden pro Woche Präsenzunterricht hatte, den Rest der Zeit passierte NIX. Wie auch. Auf der weiterführenden Schule hat man im Schnitt 10 verschiedene Lehrer die sich dann auch noch auf die geteilten Klassen in unterschiedlichen Jahrgängen aufteilen und auch gar nicht greifbar sind für die Schüler die zu Hause sind. Digitale Ausstattung in den Schulen? Mangelhaft. Videokonferenzen? Ich lache. Hessen eiert immer noch rum mit welchen Programmen man arbeiten darf. Nicht das die Homeschooling Zeit besser war: Unfassbar viele Aufgaben und neue Themen ohne Rückmeldung oder Wiederholung. Meine Tochter ist eine gute Schülerin und so sehr ich die Sorgen aus Lehrersicht verstehen kann, weder das Homeschooling noch der sogenante Pseudopräsenzunterricht können nur annähhernd als akzeptabel bezeichnet werden.Die Eine Stunden Mathe / Spanisch /Geschichte ect pro Woche war kaum genug irgendwas richtig durchzunehmen Und auch wir als „Akademikerhaushalt“ sind räumlich an unsrer Grenze gewesen als Homeoffice angesagt war. Die Zeit war schrecklich, vor allem sozial fürs Kind. Ach ja – NACH diesen Wochen der besonderen Schulform ging es nach den Sommerferien im Stoff einfach weiter als hätte es die Schliessungen gar nicht gegeben…..

  3. Schade, dass in einem Satz gesagt wird, dass die Kinder aus gut situierten Familienverhältnissen sind. Und im nächsten Satz, dass es wenig Kinder mit Migrationshintergrund gibt. Sorry, für mich leider etwas unsensibel formuliert. Als wäre man mit Migrationshintergrund immer direkt schlechter situiert und würde den Unterricht belasten.

  4. Hallo, vielen Dank für den Beitrag. Ich bin ebenfalls Lehrerin und Mutter von zwei Kindern im Grundschulalter. Ich habe zwischen April und Juli ebenfalls halbe Klassen mit Abstand voneinander unterrichtet und genau gegenteilige Erfahrungen gemacht. Meine Schüler waren verschüchtert und still, durch den vorgegebenen Abstand war im Prinzip nur Frontalunterricht möglich, es fühlte sich überhaupt nicht nach normalem Unterricht an und ich hatte den Eindruck, dass die Schüler eher weniger gelernt haben. Sie waren aber auf jeden Fall alle heilfroh, endlich wieder in der Schule zu sein. Meine Schüler kommen jedoch auch aus ganz anderen familiären und sozialen Verhältnissen, viele sind aus Syrien geflüchtet und wohnen sehr beengt. Für sie ist die Schule ein zweites Zuhause.
    Ich hoffe sehr, dass es trotz steigender Infektionszahlen nicht zu einer erneuten Schulschließung kommt. In mehreren Studien wurde festgestellt, dass Kinder nicht die Treiber der Pandemie sind und Schulen keine Infektionsherde.
    Und im übrigen wird man vom Lüften nicht krank, sondern von Viren und Bakterien. Es wäre meiner Meinung nach sinnvoll, etwas für die Immunabwehr zu tun in Form von gesunder Ernährung, Bewegung und passender (nicht übertriebener Hygiene), anstatt die Kinder wieder drinnen einzusperren.

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