Ihr Lieben, in ein paar Wochen werde ich 43 Jahre und als ich darüber neulich nachdachte, musste ich doch ganz schön schlucken. 43 Jahre! Ich hab doch eben noch meinen 30. gefeiert, und die 36 war doch auch noch nicht so lange her. Ich frage mich: Wie habe ich mich verändert, was macht das Alter mit mir, was macht es etwa mit Scham und Hemmungen.
Puh, manchmal fühle ich mich dann doch wirklich alt und in mir kommt so eine Sehnsucht nach den Nächten auf, in denen ich barfuß im Morgengrauen von Partys nach Hause gelaufen bin. In denen alles sich so leicht angefühlt hat und die ganze Welt mir noch offen stand.
Heißt also: Früher war alles besser? Als ich jung war, war alles besser? NATÜRLICH NICHT!
Als ich also über mein Alter nachdachte, kam mir eine Szene in den Sinn, die ich vor Kurzem beim Yoga erlebt habe. Zum Ende der Stunde drehte die Lehrerin Musik auf und sagte: „Schließt eure Augen und tanzt einfach. Schüttelt alles aus euch raus. Viel Spaß!“
Mein erster Reflex: Oh Gott, ist das peinlich. Ich will nicht tanzen. Wenn ich tanzen wollen würde, wäre ich in einen Club gegangen. Ich will aber Yoga machen. Ich will mich nicht schütteln. Ich seh sicher schrecklich aus. Was, wenn die anderen Teilnehmer die Augen nicht zu machen und dann über mich innerlich lachen? Ehrlich gesagt kann ich auch viel besser tanzen, wenn ich ein bisschen Alkohol getrunken habe. Aber so ganz nüchtern? Bei Tageslicht? Wie entsetzlich!!!
Vor ein paar Jahren wäre ich peinlich berührt nur von einem Bein aufs andere gewippt oder hätte den Raum sogar heimlich und schnell verlassen. Heute – und das hat ganz sicher was mit dem Alter zu tun – habe ich zwar auch noch diese Gedanken, aber ich kann sie wegschieben.
Scham und Hemmungen? Viel kleiner als damals
Ich dachte mir dann: Ist doch scheißegal, wenn die anderen gucken. Ist doch wurscht, wenn es albern aussieht. Lass dich mal drauf ein, vielleicht ist es ja ganz lustig. Und wenn es dich danach doch seltsam anfühlt, auch okay. Und warum solltest du Alkohol brauchen, um zu tanzen? So ein Quatsch.
Also hab ich meine Augen zugemacht, mir einfach gesagt: NICHT SCHÄMEN! Und dann losgetanzt. Erst zaghaft, dann aber immer gelöster. Es war total ungewohnt und ich habe mich auch nicht zu hundert Prozent wohlgefühlt, aber es war irgendwie lustig. Und niemand hat mich ausgelacht, am Wichtigsten aber: Ich hab mich selbst nicht ausgelacht, ich war mir selbst nicht peinlich.
Zu Hause hab ich das meinem Mann erzählt und gesagt, dass ich merke, dass mir immer weniger Dinge peinlich sind. Früher war mir alles peinlich, heute eigentlich nichts mehr.
Ich singe aus voller Kehle, obwohl ich nicht besonders gut singen kann. Ich quatsche fremde Menschen an, wenn ich etwas interessant finde oder eine Frage habe. Ich gehe alleine Mittagessen und schaue dabei nicht nonstop aufs Handy. Ich trage Bikini, ohne mir ständig zu überlegen, wie mein Bauch aussieht, wenn ich mich setze. Ich sage Dinge ab, die gerade nicht passen oder auf die ich gar keine Lust habe.
Ich sage offen, wenn ich mit einer Dienstleistung nicht zufrieden war und nuschel nicht mehr: „Ja, war alles prima.“ Ich mache Menschen Komplimente, wenn ich etwas toll finde, auch wenn ich sie nicht gut kenne. Generell habe ich kaum noch Angst, mich zum Affen zu machen – ganz egal, mit was und wo.
Hemmungen abbauen, weniger Scham spüren, einfach machen, das kam bei mir definitiv mit dem Alter. Und es fühlt sich so gut an, denn wenn wir Hemmungen, Scham und Angst loslassen, ist da so viel Platz für neue Gefühle und ganz, ganz viel Freiheit.
Jetzt interessiert mich: Was könnt ihr heute viel besser als früher?
2 comments
Hallo, ich stimme dem Artikel auch voll zu! Man muss sich auch selber nicht mehr so viel beweisen, weil man ja auch schon einiges geschafft hat! Ich bin auf Arbeit meinen Kollegen bekannt, dass ich sehr gut Tierstimmen nachahmen kann… also in der Mittagspause, wenn ich von einem Ausflug erzähle.
100prozentige Zustimmung! 🙂