Ihr Lieben, die Entstehungsgeschichten von Kindern und Familien können sehr unterschiedlich sein. „Der Weg ist richtig, wenn er sich richtig anfühlt“, findet Simone. Sie hat ein Kind überraschend mit 18 bekommen und später noch eines mittels Samenspende. Hier erzählt sie von ihrer ganz eigenen Familiengeschichte und wie es ihr damit heute geht.
Liebe Simone, du hast zwei Kinder und die beiden haben ganz, ganz unterschiedliche Entstehungsgeschichten. Erzähl mal ein paar Worte zu deinem ersten Kind…
Als sich mein älteres Kind auf den Weg machte, war ich 18 Jahre alt. Ich war erstmal geschockt, denn ich hatte nicht damit gerechnet, schwanger zu sein. Ohne vorherigen Test war ich bei meiner Frauenärztin und erzählte ihr, dass ich das Gefühl habe, schwanger zu sein. Der Test bei ihr war dann leicht positiv, aber um sicherzugehen, dass keine Eileiterschwangerschaft vorlag, hat sie mir eine Überweisung in die Klinik gegeben. Dort bestätigte sich nach zwei Tagen, dass ich wirklich ein Kind erwartete.
Es war dann aber eine komplikationslose Schwangerschaft, die ich auch sehr genossen habe. Es war für mich dann doch irgendwie Liebe auf den ersten Blick. Zu keinem Zeitpunkt habe ich an diesem Weg für mich gezweifelt. Es sollte so sein, und sie, meine Tochter, durfte zu mir kommen. Sie ist jetzt 14 Jahre alt und ich habe es nie bereut, die Entscheidung für sie getroffen zu haben. Die Beziehung zu ihrem Vater ging zwar vier Monate nach der Geburt auseinander und seitdem haben die beiden leider auch keinen Kontakt mehr zueinander, aber wir sind ein gutes Mutter-Tochter-Team.
Dein zweites Kind entstand dann durch eine Samenspende. Wie kam es dazu? Warst du zur Zeit des Kinderwunsches liiert oder Single?
Als mein großes Kind drei Jahre alt war, lernte ich meinen Mann kennen. 2015 haben wir geheiratet und legten voller Zuversicht los mit der Familienplanung, denn ich wollte immer mehr als ein Kind haben. Aber es klappte leider nicht auf Anhieb. 2017 erfuhren wir schließlich den Grund für die ausbleibende Schwangerschaft und wussten, dass für uns nur eine Samenspende in Frage kommen würde.
Wir mussten uns dann erstmal zurechtfinden in den vielen Möglichkeiten: Wollten wir eine private Spende? Wollten wir es offiziell laufen lassen über ein Kinderwunschzentrum? Wie sollte der Spender sein? Was war uns wichtig und was nicht? Über diese Fragen haben wir uns ausgetauscht und weitere zwei Jahre später merkte ich, dass die Zeit gekommen war, diesen Weg zu gehen. Ich wollte nicht mehr auf bessere Zeiten warten. Ich wollte endlich ein zweites Kind bekommen.
Für welchen Weg habt ihr euch dann entschieden?
Wir haben uns sehr bewusst dafür entschieden, unseren Weg durch ein Kinderwunschzentrum unterstützen zu lassen. Bei einer privaten Spende war die Angst zu groß, dass unser Kind dann irgendwann keine Chance hat, seine biologischen Wurzeln kennenzulernen. Die Begleitung im Kinderwunschzentrum war sehr vertraut im Inneren, aber verschlossen im Äußeren, was mir zu der Zeit echt guttat, denn ich kämpfte sehr mit der Situation, dass es nicht der „natürliche Weg“ war.
Und dennoch war es unser Weg. Zum Glück brauchten wir nur einen Versuch, bis eine Schwangerschaft eintrat, sodass die Kosten überschaubar blieben. Beim Notar wurde in einem Vertrag festgehalten, dass der Spender keine Rechte am Kind bekommt, es selbst aber die Chance hat, den Spender ab dem 18. Geburtstag kennenzulernen. Zudem wurde festgehalten, dass mein Mann die Vaterschaft für das entstehende Kind nicht anfechten kann.
Wie lief das mit der Samenspende dann konkret, was kostet das?
Wir sollten für drei Versuche Sperma bestellen, um ganz sicherzugehen. Das waren ca. 1500 Euro für die Spenden. Zusätzlich kamen Behandlungskosten in einem Wert von ca. 500 Euro hinzu, inklusive der Medikamente zum Auslösen des Eisprungs und zusätzlichem Progesteron. Es waren also insgesamt etwa 2000 Euro, die ich gerne investiert habe, um endlich nochmal Mutter zu werden. Die Spendersamen für weitere Versuche wurden eingelagert, was wir ebenfalls bezahlten.
Wie hat dein Umfeld auf die Schwangerschaft reagiert?
Alle freuten sich mit uns, dass wir endlich ein Kind bekommen. Vorweg gab es in unserem engsten Kreis Meinungen, ob das denn gut für uns ist, diesen Weg zu gehen. Ich habe es sehr aber sehr bewusst bei der Formulierung gelassen, dass wir uns über ein Kinderwunschzentrum „helfen lassen“. Das war oberflächlich genug, um zu sagen, dass wir es nicht einfach hatten und keiner hat danach gefragt, wie der Weg wirklich war, was wir für dieses Kind auf uns nehmen mussten. Als unser Bauchzwerg entstanden ist, gab es keine unangemessenen Kommentare. Zu unseren Familien und allerengsten Freunden waren wir sehr offen mit diesem Thema, sodass dieser Kreis wusste, womit wir uns für unseren Kinderwunsch helfen lassen.
Wie hat sich dein Partner damit gefühlt, dass das Kind in deinem Bauch gar nicht sein leibliches Kind war, konntet ihr darüber sprechen?
So ganz genau kann ich das nicht sagen, denn er war und ist eher pragmatischer Natur. Es ist so wie es ist. Über seine Gefühle und was es in ihm auslöste, wurden die Gespräche immer weniger. Für mich hat das keinen Unterschied gemacht, denn es war durch den notariellen Brief abgesichert, dass nur ihm die Vaterschaft zustehen wird. Für die Liebe zu diesem Kind hat es bei uns beiden keinen Unterschied gemacht. Ein Kind zu lieben, was nicht sein leiblichres ist, hatte er in der Beziehung zu meinem großen Kind ja schon erfahren.
Warst du bei der Geburt allein?
Tja, die Geburt. Es war so schön, wie es unter strengen Coronaauflagen 2020 eben schön sein konnte. Und er durfte sogar mit in die Klinik, gleich morgens, als die Geburt eingeleitet worden war. Also nein, ich war nicht allein.
Mittlerweile seid ihr getrennt, hatte das Ende der Beziehung auch mit der Geschichte deines zweiten Kindes zu tun?
Wir trennten uns letztes Jahr, als mein kleines Kind zwei Jahre alt war. Es gab verschiedene Faktoren, die zur Trennung führten, aber an dem Kind lag es nicht. Es wird nach wie vor von beiden Eltern geliebt und die Sorge wird geteilt. Ich bin ihm auch sehr dankbar dafür, dass er den Kleinen nach wie vor als sein Kind bezeichnet. Der Umstand, dass die Zeugung anders war als bei anderen Paaren, fällt im täglichen Umgang mit ihm also nicht auf. Er ist und bleibt der Vater unseres Sohnes. Da gibt es zwischen uns keinen Unterschied in der Liebe zu den Kindern.
Euer Sohn ist nun 3 Jahr alt, sprichst du offen mit ihm über die Entstehungsgeschichte? Und auch mit deine 14jährigen Tochter?
Zuerst zum großen Kind: Als wir einen erneuten Kinderwunsch hatten, war meine Tochter 6 Jahre alt, da haben wir sie nicht groß eingebunden. Je älter sie wurde, umso mehr gab es auch Gespräche über ihre Entstehungsgeschichte. Sie fragte danach, wie sie entstanden ist, also alles ganz normal. Später spielte uns der Zufall in die Hände.
Zeitgleich mit unserem Weg ins Kinderwunschzentrum fand der erste Sexualkundeunterricht in der Schule statt, da war sie 10 Jahre alt. Diesen Vorteil haben wir genutzt, um ihr zu erkläre, was bei uns gerade ansteht. Auch wenn sie noch ein Kind war, so zeigte sie sehr viel Verständnis. Sie gehörte zu den ersten, die von der Schwangerschaft erfuhren. Das war ihr wichtig, denn sie hat mit uns als Eltern mitgefiebert, ob es funktioniert, ob sie tatsächlich große Schwester wird.
Mit meinem kleinen Kind, also unserem Sohn, versuche ich immer mal wieder, so normal wie möglich darüber zu sprechen, dass wir Hilfe hatten bei seiner Entstehung. Dafür habe ich das Bilderbuch „Die Geschichte unserer Familie“ von Petra Thorn gekauft. Bis heute ist er noch nicht empfänglich dafür, aber ich bin mir sicher, dass er es bald lesen wird und ich ihm das erklären kann. Ganz wichtig ist mir, dass ihm vermittelt wird, dass auch wenn es biologisch einen anderen Mann gibt, mit dessen Hilfe er gezeugt wurde, sein Vater ist für ihn da. Und das wird er auch bleiben.
Du erwähnst Bilderbücher zum Thema, welche guten gibt es da?
Ich habe bisher nur dieses eine Buch. Aber aus dieser Reihe gibt es verschiedene Versionen um die passende für die jeweilige Familiensituation zu finden. Das Schöne an dem Buch ist, dass man es durch Platz für eigene Bilder personalisieren kann. Die Erzählung der Geschichte ist gut mit den empfundenen Gefühlen verknüpft. Das hilft sehr bei jüngeren Kindern.
Was ich vorbereitend gemacht habe, ist, das Forum Spenderkinder durchzuforsten und mir dadurch viel anzulesen, um mir meiner Rolle und der Rolle des Kindes bewusst zu sein. Die vielen mutmachenden und traurigen Geschichten, wo es Kindern erst sehr spät gesagt wurde, haben mich berührt und gestärkt.
Bei den meisten anderen Büchern gibt es viele, die von Mütter- oder Väterpaaren erzählen und noch viel mehr zum Thema Patchworkfamilien und klassischen Kernfamilien. Das sind auch sehr wichtige und richtige Themen, weil wir in einer sehr diversen Welt leben. Leider kommt da die Familienentstehung durch eine Samenspende in Heterofamilien sehr wenig vor.
Bist du alleinerziehend derzeit? Wie klappt das?
Eigentlich bin ich beides, allein- und getrennterziehend. So richtig allein mit all den Pflichten und Rechten bin ich bei der Großen. Leider interessiert sich ihr Erzeuger nicht für sie. Beim Kleinen sind wir getrennterziehend. Mein Ex will sein Kind in seinem Leben haben. Das befürworte ich total.
Wir teilen uns die Sorge so gut es geht 50/50 auf. Dabei haben wir dieselben Probleme wie alle getrennten Eltern. Wer kann wann die Sorge übernehmen, was ist mit Terminen außer der Reihe? Dafür spielt im Alltäglichen der gespendete Samen keine Rolle. Ich bin da auch sehr dankbar drum, dass es keinen Unterschied macht. Unser Kind ist entstanden mit einem großen JA zu ihm.
Würdest du dich als glücklich bezeichnen?
Ja, ich würde mich als glücklich bezeichnen. Denn ich habe zwei wundervolle, gesunde Kinder. Ich habe eine Arbeit, die ich liebe und eine Familie, die mich unterstützt. Ich will nicht sagen, dass alles leicht ist bei mir, denn das wäre falsch. Es ist, wie es in allen Familien ist, ein Haufen Arbeit alles zu organisieren und sich selbst dabei nicht zu vergessen. Was ich in meiner Geschichte gelernt habe, ist dankbar zu sein für die Kleinigkeiten im Leben. Für die großartigen Momente im Leben. Es macht mich glücklich, wenn eins meiner Kinder sagt, es habe mich vermisst. Das zeigt mir, dass sie sich bei mir wohlfühlen.
Was möchtest du anderen Familien mit ungewöhnlichen Geschichten mit auf den Weg geben?
Ich möchte den Eltern Mut machen, ihre Situation anzunehmen. Die Entscheidung, ein Kind mithilfe einer Samenspende zu zeugen, ist ein Beispiel für die große Liebe. Diesen Weg geht man nicht, wenn man sich keine Familie vorstellen kann. Man nimmt die Behandlungen nicht in Kauf, wenn man an sich und der Beziehung zum Partner zweifelt. Dieser Weg ist ein sehr bewusster Schritt. Er erfordert Mut. Mut in der Entscheidung einen ggf. langen Weg zu gehen, um sich den Wunsch nach einer Familie zu erfüllen.
Es erfordert genauso Mut, die finanziellen Aspekte selbst zu tragen. Wir hatten in dem Punkt echt Glück, dass es so wenig war. Bei einer anderen Behandlungsmethode hätten wir das nicht tragen können. Da fangen die Behandlungskosten bei der zehnfachen Summe an… pro Versuch. Ich möchte anderen Familien den Zuspruch geben, dass diese Kinder eine besondere Form der Verbindung sind. Sie sind gewünscht, lange ersehnt und gewollte Kinder.
Insbesondere möchte ich den Vätern zusprechen, dass ein Kind aus einer Samenspende keine Schande, sondern eine Chance ist. Die Chance, eine Schwangerschaft mit seiner Partnerin zu erleben und ein Kind, das ganz fest als das eigene abgesichert ist. Mit all den Rechten und Pflichten, die zum Vater sein dazugehören.
Ich möchte den Frauen mit auf den Weg geben, dass es richtig ist, wenn es sich richtig anfühlt. Im allerersten Gespräch mit meinem Mann, als wir gerade die Diagnose unfruchtbar bekommen haben war ich die, die es befremdlich fand kein biologisches Kind zu zeugen. Als ich es annehmen konnte, dass es bei uns nicht ohne diese Hilfe möglich sein wird, hat sich dieser Schritt richtig angefühlt. Und dieses kleine Kind macht mich glücklich.
Ich wünsche mir, dass Spenderkinder als Chance gesehen werden. Es ist eine Chance auf Liebe zu einem Kind. Dabei ist es egal, wie die familiäre Situation aussieht, ob lesbische Paare, bewusst alleinerziehende Mütter, Heteropaare, … . Kinder mit einer Samenspende sind gewollt und geliebt. Die Männer, die ihren Samen spenden, geben ihn freiwillig. Diese Hilfe dürfen wir uns annehmen.
Das ist meine Geschichte und ich danke Stadt-Land-Mama für die Chance, sie erzählen zu dürfen.
1 comment
Liebe Simone,
Vielen Dank für den schönen Text ! Man spürt die grosse Liebe, die du für deine beiden Kinder empfindest ! Ich wünsche euch alles Gute !
Liebe Grüsse aus der Schweiz
Christina