Ihr Lieben, ihr kennt doch bestimmt Sonea Sonnenschein, oder? Und wenn ihr diese tolle junge Frau nicht kennt, dann doch sicherlich das gleichnamige Blog ihrer Eltern? Sonea hat das Down Syndrom – und hier berichtet ihre Mama Katharina, wie es ihnen mit dem Übergang zur weiterführenden Schule erging…
Inklusion: Geht es unserem Kind gut in der Schule?
„Die ersten Wochen auf der Gesamtschule liegen hinter unserer Tochter Sonea. Aktuell geht sie gerne in die Schule und das erleichtert uns sehr. Das war nicht immer so. In der Grundschule hatten wir ein paar schwere Zeiten und konnten nie so genau herausfinden, was der Grund für diese Abneigung war. Wahrscheinlich war es die Summe vieler Faktoren.
Die Sorge, dass Ausgrenzung und Überforderung der Grund sein könnten, verfolgte uns immer wieder und tut es auch weiterhin auf unserem Weg.
Down Syndrom: Eine Schulbegleitung für Sonea
Einer der Gründe ist und war auf jeden Fall ihre Schulbegleitung. Vorweg: sie macht einen super Job, aber Sonea wünscht sich so viel Selbständigkeit wie nur möglich (außer sie soll sich morgens anziehen, da fordert sie auf einmal sehr viel Hilfe ein) und möchte einfach so sein wie alle anderen Kinder auch.
Sonea hat das Down-Syndrom. Aber das ist nur einer von vielen Merkmalen, die Teil von ihr sind, sie aber nicht explizit ausmachen. In unserem Alltag hat das Down-Syndrom schon lange keine große Bedeutung mehr.
Das war nach Soneas Geburt vor fast 12 Jahren anders. In den ersten Monaten war es hart für mich, ihre Diagnose zu akzeptieren und anzunehmen. Und als dann die Schere der Entwicklungsschritte von Sonea und den Regelkindern, die ich kannte, immer größer wurde, war das extrem hart für mich.
Jeden Tag stand ein Termin auf unserem Plan: Physiotherapie, Babymassage, Babyschwimmen, Krabbelgruppe, Frühförderung, Arzttermine… all das wurde zu unserem Alltag und irgendwann normal.
Der größte Wunsch: Ein bisschen Normalität für unser Kind
Und ja, nichts wünschte ich mir mehr als Normalität. Wie „normal“ wir die ganze Zeit schon gewesen waren, merkte ich aber erst, als dann 2012 Soneas Bruder geboren wurde. Mit ihm schloss sich ein Kreis und viele Dinge relativierten sich.
Es gab Zeiten, in denen unser gefühlsstarker Sohn deutlich mehr Therapien besuchte als seine Schwester und auch er ist es, der aufgrund seiner Hobbys wesentlich mehr unseren Alltag bestimmt als seine Schwester.
Geschwister von Kindern mit Behinderung
Möglicherweise reagiere ich deshalb auch ein wenig allergisch auf das Klischee der benachteiligten Geschwisterkinder. Es ist so einfach, eine Schublade aufzumachen. Seit Soneas Geburt merken wir das immer wieder. Wir haben uns daran gewöhnt. Über viele Dinge hört man einfach hinweg. Wir wurden schließlich auch nicht als Inklusions-Profis geboren und vor Soneas Geburt hatten mein Mann und ich leider auch Vorurteile.
Aber glücklicherweise bringt ein Kind mit Behinderung nicht nur jede Menge Chaos und Sorgen mit ins Leben, sondern noch viel mehr Klarheit und (positive) Veränderung. Außerdem unendliche, bedingungslose Liebe.
Für uns haben sich viele Prioritäten im Leben und die Denkweise über das Leben grundliegend geändert. Sonea hat uns die Augen für viele Dinge geöffnet, für die wir vorher blind waren. Und diese gesellschaftliche Blindheit und Stumpfheit ist auch ein grundliegendes Problem, weshalb Inklusion heute noch nicht so selbstverständlich ist, wie sie sein sollte. Und müsste!
Und gerade deshalb ist es umso wichtiger, diesen steinigen, nicht gerade bequemen Weg zu gehen. Auch, wenn ihn viele nicht wagen zu gehen und leider auch einige daran gescheitert sind.
Inklusion: Kinder wachsen mit unteschiedlichsten Kindern auf
Seitdem Sonea geboren wurde, versuchen wir die Inklusion so gut es eben geht zu leben. Wir hatten bis jetzt meistens Glück und viele sehr engagierte Menschen um uns herum, die die Inklusion aus voller Überzeugung und mit viel Herz vorantreiben.
Wie wichtig Inklusion von Klein auf ist, merkten wir aber vor allem durch Soneas Bruder, der im Kindergarten als Nicht-Inklusionskind viel Kontakt zu Inklusionskinder hatte. Kinder machen da keinen Unterschied. Das gehörlose Kind und das Kind mit der Sehbehinderung gehören genauso selbstverständlich dazu, wie alle anderen auch.
Die Blicke der anderen: „Als Mutter pieksen sie mich schon„
Bereits im Grundschulalter macht sich dann bemerkbar, welche Kinder bereits Kontakt mit der Inklusion hatten und welche nicht.
Mich als Mutter piekst es manchmal schon sehr, wenn ich diese verunsicherten und leicht irritierten Blicke spüre. Wenn sich Kinder über meins lustig machen, weil es voller Begeisterung lauthals (und zugegeben nicht ganz Tonstudioreif) bei einem Lied mitsingt. Oder weil es einfach durch seine optischen Merkmale heraussticht.
Die optischen Merkmale: das breite Grinsen, dass ihr ganzes Gesicht erhellt und ihre mandelförmigen Augen, in die ich jedes Mal versinken könnte, weil sie einfach atemberaubend schön sind. Ein wunderschöner Mensch, nur eben nicht 0 – 8 – 15.
Und im Grunde genommen ist Sonea ein Kind, wie jedes andere auch. Neugierig auf die Welt und bereit, sich sämtlichen Abenteuern zu stellen. Im Herzen ein riesen großer Fan von der Eiskönigin und allem, was pink ist und glitzert. Sie liebt Einhörner, Elfen und natürlich Meerjungfrauen. Und manchmal ist sie selbst eine und taucht einfach ab in ihre heile Fantasiewelt.
So viel Liebe, so viel Fantasie: Wie besonders Sonea ist!
Ich kenne kein Kind, das so fantasievoll ist, wie sie. So sehr mich ihre Papierschnipsel und das Chaos drum herum manchmal nerven, bewundere ich ihre kreativen Ideen und bin sehr beeindruckt von ihren Bastelprojekten.
Damit kann sie sich stundenlang beschäftigen. Wenn sie nicht gerade dabei ist, in ihrem Playmobil-Krankenhaus eine schwierige OP durchzuführen. Sie hat da diesen Ding mit Arztkoffern und sämtlichen Spielsachen, die mit Krankenhäusern zu tun haben. Dabei haben Krankenhäuser zum Glück in den letzten Jahren nie eine große Rolle in unserem Leben gespielt.
Kein Herzfehler trotz Down Syndrom, aber Zöliakie
Wir haben wirklich ein riesiges Glück, dass Sonea keinen Herzfehler hat. Sie hat eine Schilddrüsenunterfunktion, die viele Menschen mit Down-Syndrom haben. Und leider hat sich vor zwei Jahren auch die Diagnose Zöliakie bestätigt, die in all den Jahren immer wieder (und eigentlich sehr offensichtlich, wenn man drüber nachdenkt) im Raum stand.
Seitdem ist Ernährung ein zentraleres Thema für uns. Genau das, was ich immer gehofft habe, vermeiden zu können. Essen sollte selbstverständlich sein und nicht mit Verboten und Einschränkungen verbunden sein. Leider geht diese Strategie schon lange nicht mehr auf.
Mit der Zöliakie-Diagnose kam auch die Pubertät und die hormonelle Veränderung. In den letzten zwei Jahren konnte ich Sonea förmlich dabei zuschauen, wie sie immer mehr zunahm. Die glutenfreie Ernährung an sich ist nicht das Problem. Leider enthalten diese Produkte nur jede Menge Extra-Zucker und machen oft nicht nachhaltend satt.
Trotz Kontaminationsvermeidung und strikter Einhaltung der glutenfreien Ernährung, haben wir die Durchfälle und Bauchschmerzen immer noch nicht ganz im Griff. Und auch Soneas großer Appetit ist immer wieder eine Herausforderung. Ich kenne kein Kind, dass so ein leidenschaftlicher und dankbarer Esser ist, wie sie. Das macht die ganze Sache leider manchmal auch herzzerreißend schwer.
Es braucht feste Strukturen im Leben von Sonea
Sonea besucht immer noch einmal die Woche das Therapiezentrum Rodenacker für Logopädie und geht zum Therapeutischen Reiten. Beide Termine sind feste Größen in ihrem Alltag. Sonea liebt die Routine und braucht feste Strukturen in ihrem Alltag.
Gerade die Veränderungen, die der erste Lockdown mit sich brachte, drückten schwer auf ihr Gemüt. Sonea igelte sich ein, war kaum noch vor die Tür zu bewegen und auch, wenn sie behauptete froh zu sein, nicht in die Schule zu müssen, wusste ich, dass es genau das war, was ihr fehlte.
Homeschooling war eine echte Herausforderung
Das Homeschooling brachte mich manchmal sehr an meine Grenzen. Nicht ohne Grund hat Sonea eine Schulbegleitung und die Aufgaben, die sie eigenverantwortlich und ohne große Hilfe lösen konnte, waren schnell erledigt. Danach saß ich mit ihr gefühlt Stunden am Tisch und bröselte jede einzelne Matheaufgabe in kleine, visualisierte Schritte auf. Und es gab 1 – 2 Momente, in denen ignorierte ich es einfach, dass sie ihre Aufgaben einfach heimlich mithilfe des Taschenrechners löste, den sie in der Schublade unseres Buffetschrankes entdeckt hatte.
Am Ende zählt doch, dass sie ihren Weg geht und möglichst selbstbestimmt durchs Leben kommt. Nun, ich habe wirklich keine Zweifel daran, dass Sonea ihren Weg gehen wird.
Weiterführende Schule: Der nächste Schritt für unser Kind
Seit dem Sommer besucht Sonea die Gesamtschule. Vor einem Jahr haben wir uns noch viele Gedanken und Sorgen gemacht, ob wir den inklusiven Weg weiter gehen können. Ein Weg, den wir Sonea durchaus zutrauen. Wenn da nicht die anderen Schüler wären, die möglicherweise noch nie Kontakt zu Menschen mit Behinderung hatten. Schüler, die in den nächsten Jahren sehr mit sich selbst und den Veränderungen, die die Pubertät mit sich bringt, beschäftigt sein werden. Dazwischen Sonea, die ich gerade lauthals aus ihrem Zimmer „Wo noch niemand war“ von der Eiskönigin trällern höre, während ich diese Zeilen schreibe.
Es gibt Tage, an denen diskutiere ich morgens mit ihr, dass sie ihren Doc McStuffins Ärzteausweis oder ihr pinkes Babyborn Handy besser zu Hause lassen soll und an anderen Tagen legt sie Wert auf besonders coole Kleidung und eine hübsche Frisur, weil ihr das gerade irgendwie wichtig ist.
Nächste Woche haben wir Elternsprechtag und ich bin schon sehr gespannt was Soneas Klassenlehrer uns erzählen werden. Bis zu den Herbstferien hat Sonea ganz normal am Unterricht teilgenommen. Sie hat die gleichen Tests geschrieben, wie die anderen Kinder und die gleichen Hausaufgaben aufgehabt. Und all das hat sie wirklich toll gemeistert.
Die meisten Tage hat mir ihre Schulbegleitung eine positive Rückmeldung gegeben. Meistens wäre diese gar nicht nötig gewesen, denn an Soneas ausgeglichen guten Laune, wenn sie nach Hause kam, konnte ich sofort merken, dass ihr der Schultag Spaß gemacht hat.
Schulzeit: Mal gute Tage, mal nicht so gute Tage
Aber manchmal gibt es eben auch Tage, die sind eher durchwachsen. Das Klischee vom Sonnenscheinkind erfüllt meine Tochter nur selten. An diesen Tagen ist Sonea antriebslos und unmotiviert, stellt sich schlafend oder findet es plötzlich witzig sich zu verstecken.
In der Grundschulzeit hat Sonea sich mal in einem Baum versteckt und es hat sehr lange gebraucht bis die Schüler und Lehrer sie gefunden haben, weil keiner auf die Idee gekommen war einmal nach oben im Baum nachzuschauen.
Von Überforderung und Herausforderung
Das sind diese Momente, in denen Sonea sich das Leben unnötig schwer macht. Und noch viel schlimmer daran ist, dass ihr das bewusst ist. Aber es ist wie ein Zwang. Manchmal sind es einfach die äußeren Einflüsse, die sie in irgendeiner Weise überfordern und dann reagiert sie darauf mit herausfordernden Verhalten. Das sind die wenigen Momente, in denen man daran erinnert wird, was man so oft einfach vergisst: dass sie eine Behinderung hat.
Wir hoffen sehr, dass die nächsten Jahre in der Gesamtschule genauso gut laufen werden, wie die ersten Wochen gestartet sind. Und trotzdem schwingen sorgenvolle Gedanken mit, wenn ich mir diese Zeit ausmale.
Sonea ist stark und selbstbewusst, aber diese Welt ist manchmal sehr hart und ungerecht und eben leider alles andere als inklusiv.
Ich bewundere sie für ihre Gabe im Hier und Jetzt zu leben. Was gestern war und was morgen sein wird, beschäftigt sie nicht. Außer es stehen tolle Ereignisse an, wie zum Beispiel ihr Geburtstag. Den plant sie meistens schon Monate im Vorfeld.
Manchmal wünsche ich mir auch ein bisschen mehr wie Sonea zu sein, denn meine Grübelei hält mich abends oft lange wach.
Aktuell beschäftigt uns aber vor allem ein Thema, das wohl alle Eltern von fast zwölfjährigen Töchtern in Schach hält: die Pubertät. Und die kann nei ihr genauso unbequem sein, wie bei allen anderen Kindern: Stimmungsschwankungen, unvorhersehbare Wutausbrüche oder die Freude am Nachäffen und Veralbern stehen hier gerade an der Tagesordnung.
Unsere Kinder sind unsere Kinder: Egal, wie viele Chromosomen sie haben
Unterm Strich ähneln sie sich doch alle. Egal wie viele Chromosomen sie haben, ob sie eine Behinderung haben oder nicht. Es sind unsere Kinder, ein Teil von uns und wir lieben sie. Ganz egal vor welche Aufgaben und Herausforderungen sie uns stellen.
Und wie diese bei uns in den nächsten Jahren aussehen werden, werden wir sehen. Sehr gerne nehmen wir Euch ein Stück mit auf unserem Blog Sonea Sonnenschein sowie auf Instagram und Facebook.
2 comments
Hallo Liebe Autorin,
Mein Sohn hat auch Zölikie – zbgl den Ersatzprodukten – wir versuchen so viel wie möglich Dinge zu essen die von Natur aus gf sind. Kann dir auf Facebook die Gruppen „Zöliakie Austausch“ und „Glutenfrei kochen ohne Ersatzprodukte“ empfehlen. Als Sonderschullehrerin schlägt mein Herz für Inklusion, Danke dass ihr euch da auf den Weg macht!
Liebe Grüße
Ich bin über ein Detail am Rande gestolpert… nämlich folgenden Satz:
„Leider enthalten diese Produkte nur jede Menge Extra-Zucker und machen oft nicht nachhaltend satt.“
Da ich mich selbst glutenfrei ernähern muss, kann ich dem absolut nicht zustimmen. In glutenfreien Produkten wird Weizenmehl z.B. durch Maismehl oder Reismehl ersetzt, sie machen daher nicht dicker als andere Produkte und sättigen auch völlig normal. Ich ernähre mich nun bereits 14 Jahre glutenfrei und habe da doch einige Erfahrungen gemacht.
Deshalb emfehle ich die „Deutsche Gesellschaft für Zöliakie“ als Ansprechpartner, da kann man vielleicht helfen, die Ernährung zu optimieren.
Und ein letzter Hinweis in dieser Richtung.. wenn glutenfreie Ernährung alleine die Beschwerden nicht lindert… vielleicht auch noch nach anderen Unverträglichkeiten schauen.. Wird Laktose vertragen? usw. Ich bin sicher, dass sich das Problem mit der Ernährung in den Griff kriegen lässt. Alles Gute!