Postpartale Kardiomyopathie: Wie mein Herz nach dem dritten Kind fast versagte

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Mein Name ist Judith und ich möchte Euch von einem Erlebnis erzählen, das mein Leben auf den Kopf gestellt hat. Es war der 7. August 2015 – ein Datum, das sich für immer bei mir eingeprägt hat. 

Es war ein heißer Sommertag, die "großen" Mädchen hatten Kindergarten-Ferien, der Papa als Landwirt alle Hände voll zu tun; und unser zehn Wochen altes Nesthäkchen genoss die Wärme strampelnd im schattigen Kinderwagen.

Nachmittags fuhr ich mit den Mädchen zum See. Wir hatten so viel Spaß, badeten, planschten, aßen Eis. Als befreundete Mamas einen Blick auf die Kinder warfen, konnte ich sogar eine Runde im See schwimmen. Das kühle Wasser war sooo gut gegen die Müdigkeit und den Schlafmangel der letzten Wochen.

Gegen 18 Uhr fuhren wir nach Hause. Ich schmiss eilig ein paar Spaghetti in den Topf, das Baby fing an zu quängeln, und mir wurde plötzlich übel. Mein Herz schlug so schnell und ich fühlte mich schlecht. Ich schob aufkommende Sorgen zur Seite, dachte, dass ich wahrscheinlich einfach ein bisschen viel Sonne abbekommen oder zu wenig getrunken hatte. Und die Mädchen warteten auf ihr Abendessen. Ich trank also nur ein Glas Wasser und kümmerte mich um die Kinder. Doch mein Zustand wurde schlechter.

Mir wurde schwindelig, dieses ungewohnte Herzrasen hörte nicht auf. Ich rief meinen Mann an. Der war berufsbedingt noch nicht in der Nähe, bemerkte aber meine allmähliche Beunruhigung und so ich einigte mich mit ihm, die Babysitterin zu aktivieren und schnell in die Notaufnahme des örtlichen Krankenhauses zu fahren. Wahrscheinlich brauche ich einfach einen Tropf mit irgendetwas Kreislaufstabilisierendem, dachte ich mir.

Die Dame an der Anmeldung nickte, als ich ihr mein Anliegen vortrug. Als ich an der Reihe war, legte ich mich auf eine weiße Liege, eine Schwester nahm den Blutdruck und legte ein EKG an. Sie wurde blaß und drückte einen Alarmknopf. Ich war verwirrt, drehte den Kopf, um auf den Monitor schauen zu können – mein Puls betrug 230 Schläge pro Minute.

Innerhalb von Sekunden füllte sich der Raum mit Ärzten. "Ventikuläre Tachykardie", brüllte jemand, ich bekam Zugänge gelegt, Medikamente gespritzt und alle starrten konzentriert auf den Monitor. Langsam beruhigte sich mein Herzschlag, aber ich zitterte am ganzen Körper und dann wurde mir schwarz vor Augen.

Als ich wieder zu mir kam, hielt eine junge Ärztin meine Hand. Ich war durcheinander, fing an zu weinen und bat sie, mir zu erklären, was da grade passiert war. Sie lächelte nicht (komischerweise blieb mir genau das in Erinnerung) und antwortete, dass das leider niemand wüsste.

Ich wurde mit einem Rettungswagen und Notarzt-Begleitung in das nächst größere Krankenhaus mit kardiologischer Intensivstation gebracht. Dort blieb ich drei Tage, 24 Stunden intensiv überwacht, die Ärzte stellten fest, dass meine Herzleistung nur noch 23% betrug. Niemand hatte Anhaltspunkte, was vorgefallen war. Ich war endlos verzweifelt, hatte Angst zu sterben, weinte viel und vermisste meine Kinder.

Am dritten Tag kam eine Oberärztin auf die entscheidende Idee. Sie erinnerte sich an einen Fachartikel über "Postpartale Kardiomyopathie". Eine Krankheit, die bis dato gesunde junge Frauen im letzten Schwangerschaftsdrittel oder wenige Wochen nach der Geburt trifft. Prolaktin, weitläufig als "Stillhormon" bekannt, greift dabei die Herzmuskelzellen an und schädigt diese. Abgeschlagenheit, Husten, Ödeme, Herzrasen bis hin zum plötzlichen Herztod sind innerhalb weniger Wochen die Folge.

Die Diagnose traf mich wie ein Pfeil und mir wurde bewusst, wie viel Glück ich in diesem ganzen scheinbaren Unglück doch hatte. Ich wurde umgehend in die Medizinische Hochschule nach Hannover verlegt; dort arbeiten Experten einer Forschungsgruppe an der Bekämpfung dieser tückischen Krankheit. Ich bekam Medikamente angepasst und wurde gut betreut. 

Nach drei Wochen durfte ich nach Hause. Ich war schwach, aber unter absoluter körperlicher Schonung erholte sich mein Herz langsam wieder. Nicht vollständig, aber so, dass ich den Alltag mit drei Kindern bewältigen kann. Zu meinem eigenen Schutz habe ich einen Defibrillator implantiert bekommen, der sofort eingreift, falls es nochmal zu bösartigen Herzrythmus-Störungen kommen sollte.

Heute geht es mir wieder gut. Und in Momenten, in denen ich mit meinem Schicksal hadere, hat mich dieses Ereignis gelehrt, wie wichtig es ist dankbar zu sein – für alles, was man allzu schnell für selbstverständlich hält…

 

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3 comments

  1. Liebe Judith,

    Ich habe gerade zufällig deinen Artikel gefunden und würde gerne mit dir in Kontakt treten, ich hatte heuer meine zweite Geburt im Mai und mir erging es ähnlich wie dir! Hatte einen Herzstillstand mit Kammerflimmern und jetzt auch einen defi implantiert ! Vielleicht hast du ja Lust zu schreiben, wie es dir jetzt paar Jahre nach deinem Ereignis geht! Dein Unglückstag ist mein Geburtstag 🙈 alles liebe Verena

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