Ihr Lieben, uns ist es ja schon immer wichtig zu zeigen, dass Familie eben nicht nur Vater-Mutter-Kind bedeutet, sondern dass es ganz viele verschiedene Formen von Familienleben gibt. Heute geht es bei uns im polyamore Eltern, genauer gesagt um Nicole, Christian und Fabian, auf die wir über ihren Instagram Kanal aufmerksam geworden sind. Wie genau ihr Familienleben aussieht, erzählen sie im Interview.
Ihr Lieben, erzählt doch erstmal, wer zu eurer Familie gehört.
Wir sind Nicole (38, Dozentin, Speakerin und Coach), Christian (36, Software-Entwickler) und Fabian (33, IT-Consultant / Vertrieb). Wir wohnen in Köln und haben zwei Kinder im Alter von fast 3 und 5 Jahren.
Hier fällt natürlich auf: Ihr seid zu dritt als Eltern. Seit wann lebt ihr so und wie habt ihr davor gelebt?
Christian und Nici sind 2011 zusammengekommen, damals haben sie recht schnell eine offene Beziehung gestartet. 2012 wurde Fabian der beste Freund mit Vorzügen. Nici hatte Fabi 2010 mal flüchtig an der Hochschule kennengelernt und Ende 2011 auf einer Party mit Chris wieder getroffen. Eine Beziehung zu dritt führen wir aber erst seit 2016 offiziell. Zuvor war uns nicht bewusst, dass zwischen uns mehr als nur Freundschaft sein könnte. Wir waren so geprägt von der „monogamen Welt“, dass wir lange Zeit dachten, dass romantische Liebe immer exklusiv sein muss.
Wie schwer war es für Chris am Anfang? Spielte Eifersucht da eine große Rolle?
Chris hatte es gar nicht schwer. Wir haben ja damals eine offene Beziehung geführt und er hat sich genauso mit Frauen getroffen. Eigentlich war es reiner Zufall, dass wir heute eine Konstellation mit zwei Männern haben. Wir hätten genauso gut eine Beziehung mit zwei Frauen oder eine Beziehung zu viert haben können. Es gab einige Beziehungen mit Frauen, die fast in diese Richtung gegangen wären.
Chris und Fabi waren auch beste Freunde und deshalb hat Eifersucht kaum eine Rolle gespielt. Natürlich hat man manchmal kurze Momente. Aber diese wurden bei uns immer direkt angesprochen und so haben wir bemerkt, dass wir alle kein Grund zur Sorge haben müssen.
Wie haben eure Familien und Freude auf eure Dreier-Beziehung reagiert?
Die meisten in unserer Familie haben toll reagiert. Viele konnten sich das schon denken. Wir haben uns recht spät geoutet (als Nici mit unserem ersten Kind schwanger war). Unsere Eltern und Familien haben uns oft als „Dreiergespann“ erlebt. Natürlich wurden auch Sorgen geäußert. Sie haben uns gefragt, was wäre, wenn wir uns zerstreiten oder doch jemand eifersüchtig wird. Wir sagten, dass auch monogame Paare keine Garantie für ihre Beziehungen haben und daraufhin haben sie uns zugestimmt.
Eine Person aus der Familie hatte mehr damit zu kämpfen. Diese Person wollte nicht, dass wir zu dritt als Familie auftreten. Das war für uns ein heftiger Schlag ins Gesicht. Es war auch der Moment, in dem wir beschlossen haben, öffentlich für Aufklärung zu sorgen. Heute ist es in der Familie auch gar kein Problem mehr.
Ist eure Dreier-Elternschaft ein Thema für die Kids? Wie erklärt ihr ihnen eure Konstellation?
Die Kinder sind ja noch sehr klein. Deshalb verstehen sie noch keine Biologie der Fortpflanzung. Sie haben natürlich schon bemerkt, dass einige Kinder „nur“ einen Papa haben. Aber für sie sind 3 Eltern einfach was ganz Normales. Wir sagen immer, dass sie eben 3 Eltern haben und dass Familien bunt sind.
Manche Kinder haben nur 1 Elternteil, manche 2, manche 3 oder 4 und manche leben bei den Groß-Eltern. Es gibt Patch-Work-Familien, gleichgeschlechtliche Eltern mit 2 Mamas oder 2 Papas. Wir gehören einfach zu diesem bunten Mix dazu. Für beide Kinder ist es absolut normal, dass sie eine Mama und einen Papa (Fabi) und einen Papi (Chris) haben.
Biologisch haben wir uns damals geeinigt, dass beide Männer Väter werden, damit wir offiziell alle blutsverwandt sind. Aber wichtig waren uns die Gene nie. Chris hat selbst einen Stiefvater, der mehr für ihn da ist als sein leiblicher Vater (seinen leiblichen Vater hat er nämlich seit 15 Jahren nicht mehr gesehen.)
Welche Vorteile hat es, wenn es mehr als zwei Erwachsene in einer Familie gibt?
Mehrere Eltern zu sein hat bei der Kindererziehung natürlich viele Vorteile. Wir sind nicht so ausgebrannt und wir können uns jederzeit abwechseln. Es kann immer mal jemand ausschlafen, ohne dass sich eine Person mit den Kindern allein gelassen fühlt. Vor allem wenn die Kinder mal krank sind, ist das Gold wert.
Wir haben die Möglichkeit sie mehr zu fördern, da wir alle 3 unterschiedliche Hobbies und Talente haben, die wir an die Kinder weitergeben können. Fabi macht zum Beispiel gerne Musik mit den Kindern, Christian ist gut im Handwerk und im Zeichnen, Nicole fördert die Kinder gerne intellektuell mit pädagogischen Spielen. Wenn beide Kinder bei einem Ausflug getragen werden wollen, können wir uns auch abwechseln und so unseren Rücken schonen.
Auch im Haushalt und beim Kochen haben wir mehr helfende Hände. Auch wenn mehr Menschen mehr Wäsche und Essen kochen bedeutet, ist es schön, immer zusammen anpacken zu können.
Und gibt es bei euch – nach all den Jahren – heute auch noch Eifersucht oder das Gefühl, „zu kurz“ bei Nici zu kommen? Und wie geht ihr dann damit um?
Nach all den Jahren gibt es das nicht. Fabian und Christian führen selbst eine romantische Beziehung und sind füreinander da. Man lernt recht früh, dass man unterschiedliche Interessen hat und die Verbindungen zwischen allen Paaren in der Polyamorie auch etwas individuell ist.
Christian und Nici haben eine engere Verbindung, wenn es um Handwerk geht, Fabian und Nicole sind beide aus der Wirtschaft und führen gerne ökonomische Gespräche, mit denen Chris nichts anfangen kann. Fabian und Chris haben aber auch Themen, mit denen Nici nicht mitreden kann (oder will). Das einzige, was sich bei den 3 Beziehungen wirklich unterscheidet ist die Intimität, aber da haben wir uns eingependelt in unserem Alltag, sodass niemand „zu kurz“ kommt.
Welche Vorurteile gibt es aus der Gesellschaft gegenüber polyamoren Eltern heute immer noch?
Uns begegnen im Alltag noch sehr viele Vorurteile: Es wäre keine richtige Liebe und zum Scheitern verurteilt. Es wäre nur ein Freifahrtschein fürs Fremdgehen oder wir könnten uns einfach nicht entscheiden. Menschen betiteln uns gerne als „pervers“ und reduzieren uns auf das Sexuelle.
Wir versuchen mit diesen Vorurteilen aufzuräumen. 1/3 der verheirateten Menschen sind schon mal fremdgegangen, die Dunkelziffer könnte noch höher sein. Viele unserer Follower*innen sagen, dass sie zumindest schon mal daran gedacht haben, mal etwas mit jemand anderem intim zu sein. Das heißt: Die meisten Menschen kennen (zumindest sexuell) das Bedürfnis nicht nur monogam zu leben. Viele trauen sich nur nicht dies zuzugeben.
Es herrscht das Vorurteil, dass man dann seine Partner*innen nicht richtig lieben könnte. So bleiben die meisten Menschen lieber bei den Lügen, als mit ihren Partner*innen offen und ehrlich über ihre Bedürfnisse zu sprechen. Nicht selten höre ich in meinen Beratungen, dass sich am Ende rauskommt, dass beide Partner*innen bereits fremdgegangen sind. So wird Vertrauen gebrochen und die Verbindung zerstört. Die ehrliche Kommunikation jedoch kann die Verbindung vertiefen und ein ganz neues Level der Beziehung eröffnen.
Was wünscht ihr euch für eure Familie?
Wir haben Angst über die jüngsten politischen Entwicklungen. Wir wünschen uns, dass jeder Mensch so akzeptiert wird, wie man ist. Wir wünschen uns, weniger Hass und Hetze in dieser Welt. Die Welt könnte so schön sein, wenn Menschen einander akzeptieren und respektieren könnten.
Wer noch mehr Infos zu den Drei haben möchte, findet sie hier:
https://polyamorie-beratung.de
https://www.instagram.com/real.polylife.germany
https://www.youtube.com/@realpolylifedeutschland/shorts
4 comments
@Matthias Heiser: Wer redet denn von Fremdgehen und verbotenem Verlangen? Von vorgetäuschten Konditionen, Reduktion auf körperliche Bedürfnisse, Schuld und moralischer Wertung? Mir scheint, dass Du intellektuell, wie emotional von dem Artikel überfordert bist.
Es erscheint ein wenig seltsam das von ‚Bedürfnis‘ gesprochen wird wenn es ums Fremdgehen oder das Zusammensein mit mehreren Partnern geht.
Als wollte man jegliche moralische Wertung vermeiden.
Die Tatsache dass eben dieses Fremdgehen geheim gehalten wird, macht solche Entscheidungen jedoch zwangsweise eine Art von Betrug.
Das lässt sich dann nicht mehr einfach auf ein Bedürfnis reduzieren. Stattdessen stellt dies einen Vertrauensbruch dar.
Es ist ja nicht viel dagegen zu sagen wenn Menschen sich der Konditionen einer Beziehung bewusst sind, aber wenn diese Konditionen vorgetäuscht werden, oder einseitig unterwandert, liegt mehr als nur ein unerfülltes Bedürfnis vor.
Es wird ein verbotenes Verlangen das die eigenen, nach außen Bekanntgegebenen, Grundsätze bricht.
Das so auf körperliche Bedürfnisse zu reduzieren erscheint mir äußerst bedenklich.
Als wäre es ein Freispruch für all jene die es in ihrer Natur sehen.
Welch andere Bedürfnisse könnten dann rückwirkend als naturgegeben von Schuld freigesprochen werden?
Der Artikel wirkt komisch konstruiert, wenn aus der Perspektive einer vierten Person geschrieben wird und dann einen Satz weiter wieder als Teil des Dreiergespanns…
Klingt gut! Wir leben auch schon seit Jahren ein polyamores Modell und sind damit glücklich.