Ihr Lieben, Catrin Göbel folgt uns schon lange und hat sich vor zehn Jahren beruflich komplett neu erfunden. Die Dreifachmutter bietet in Köln Pilates für Mütter (und alle anderen Personen natürlich) an und hat mit einem Kollegen sogar ein spezielles Programm für Mütter nach Kaiserschnitten entwickelt. Was es damit auf sich hat, erzählt sie uns im Interview.
Liebe Catrin, du bist Mutter und Pilates-Lehrerin, erzähl doch mal: Wieso passen diese beiden Aufgaben so wunderbar zusammen?
Im meinem Job als Pilates-Lehrerin kann ich mir meine Zeiten frei einteilen. Ich bin meist vormittags und abends bei meinen Kursen bzw. meinen Medical-Stretching- und SNI-Anwendungen (SNI: strukturelle Narbenintegration). So bin ich über die Mittagszeit zu Hause, wenn zwei von drei Teenagern aus der Schule kommen (der Älteste ist seit letztem Sommer in der Ausbildung und kommt auch erst abends nach Hause).
Meine verschiedenen Aufgaben schaffen Abwechslung, nicht nur für den Kopf. Ich kann so auch besser von stressigen und aufreibenden Situationen abschalten und Abstand gewinnen. Ich schlüpfe ab der Fahrt zur Arbeit in eine andere Rolle (ein bisschen wie der Circus-Clown…).
Warum ist Pilates für Mütter so sehr empfehlenswert?
Pilates ist nicht nur für Mütter aller Altersgruppen und Generationen, sondern auch für die Väter und Kinder zu empfehlen 😉 Pilates ist ein effektives Ganzkörpertraining, das verschiedene Ebenen im Körper anspricht und Effekte auslöst. Man trainiert besonders die tiefe Bauchmuskulatur und somit auch den Beckenboden und die Rückenmuskulatur. Es ist somit kräftigend und durch die Atmung auch entspannend.
Du selbst hast nach den Geburten deinen alten Job hinter dir gelassen und dich ganz der Trainerinnen-Karriere verschrieben, hast du den Schritt je bereut?
Das stimmt. Ich habe vor zehn Jahren einen kompletten beruflichen Neuanfang gewagt. In einer vollkommen anderen Tätigkeit. Und ich habe diesen Schritt nicht eine Sekunde bereut. Ich habe mich mit dem Älterwerden der Kinder auch beruflich immer weiterentwickelt und kontinuierlich im Bereich der Faszienarbeit weitergebildet und noch nebenher das Fernstudium zur Präventionstrainerin für Bewegung abgeschlossen.
Nun entwickelst du gerade ein Programm für Mütter nach einem Kaiserschnitt, wie kamst du darauf und was hat es damit auf sich?
Hier kommen aus meinen beruflichen Schwerpunkten die Faktoren zusammen.
- Ich gebe viele Kurse an Orten, an denen viele Mütter teilnehmen (Neue Kölner Elternschule, Familienbildungsstätten…). Oft kommen die Teilnehmerinnen zu mir und berichten von Einschränkungen in der Bewegung, nicht besser werdenden Rektusdiastase, Schulterproblemen, Rückenschmerzen bis hin zu Bandscheibenvorfällen.
- Durch meine Ausbildungen im Bereich manueller Faszienarbeit (Anatomy Trains, Medical-Stretching) habe ich einen anderen Blick auf den Körper entwickelt. Ich betrachte den Körper ganzheitlich. Wo ist weniger Beweglichkeit und warum bzw. wo liegt der Zusammenhang im System?
Der Köper funktioniert in der Bewegung wie ein großes Straßennetz. Und ist an einer Stelle Stau, etwas verengt, blockiert, usw. hat das Auswirkung auf den Rest (Beispiel Kölner Autobahnring: Ist eine Autobahn nicht frei, staut es sich überall in der Stadt, der Verkehr fließt nicht mehr).
Tricky an der Situation ist oft: Der Täter schreit nicht! Das heißt: Dort, wo ich Schmerzen habe oder etwas zwickt, ist das System überlastet. Diese Stelle ist das Opfer im Körper, aber die Ursache rührt oft woanders her. So heißt es dann: Den Täter ausfindig zu machen.
- Aktuell habe ich mit einem Kollegen aus Hamburg (Patrick Nehmzow vom Faszienzentrum-Hamburg) nach der gemeinsamen Ausbildung in Scarwork (Narbenbehandlung) ein Ausbildungskonzept zur strukturellen Narbenintegration (SNI) entwickelt. Denn ganz oft habe ich im Training, durch Gespräche oder in der Medical-Stretching Behandlung festgestellt, dass eine Narbe für die Bewegungseinschränkung mitverantwortlich ist.
Das Ziel ist es, durch eine sanfte und schmerzfreie Methode, also der strukturellen Narbenintegration (SNI), das Narbengewebe zu entspannen, die Narbenfunktionsstörung zu lindern und das Narbengewebe wieder in das Fasziennetz zu integrieren. Dies geschieht durch gezielte Streichtechniken während einer SNI-Anwendung bei einer entsprechend geschulten Person.
Man kann aber auch viel selbst für sich tun. Es gibt einfache Tipps, die ich meinen Kunden gebe: Mit einer weichen Bürste (Babyhaarbürste, Gesichtsmassagebürste, -roller) immer sanft zur Narbe streichen. Dies geht sowohl bei ganz frischen als auch bei alten Narben (und natürlich bei jeder Narbe).
Du sagst, dass eine Sectio-Narbe mit Rückenschmerzen bei der Frau zusammenhängen kann – inwiefern?
Durch Verwachsungen und Verklebungen kann es u.a. zu Einschränkungen in der Bewegung kommen, zu einem dauerhaften Zug auf das Gewebe im unteren Rücken und in der Folge zu einer Schonhaltung, …Wie oben schon erläutert, wurde das Straßennetz (Fasziennetzwerk) im Körper gestört bzw. beeinträchtigt.
Auch eine von außen betrachtet „schöne“ Narbe kann massive Störungen hervorrufen. Hier sprechen wir in der strukturellen Narbenintegration (SNI) vom Eisbergprinzip (ich sehe nur die Oberfläche; das, was unter der Haut geschieht, kann ich nur durch Tasten und Fühlen „sichtbar“ machen). Es muss aber nicht zwingend eine Sectio-Narbe sein (trifft allerdings am häufigsten zu), das gilt für viele Narben im Bauchraum.
Mal darüber hinaus: Welche Pilates-Übungen können deine Kinder schon?
Eigentlich alle, aber grundsätzlich ist ja im aktuellen Alter meiner Drei (fast 18, 16, 13) alles peinlich und uncool, was die Mutter macht. Am liebsten machen sie alle Übungen für den Schultergürtel auf dem Spinefitter.
Wie hat Pilates dich selbst verändert und wie verändert es deine Klientinnen?
Durch Pilates habe ich ein viel besseres Körperbewusstsein und -verständnis erlangt. Die Lust und Freude am immerwährenden Lernen und Sich-selbst-herausfordern und seine Komfortzonen zu verlassen wurde geweckt. Ich selber bleibe beweglich und habe viel weniger Probleme mit Gelenken als früher.
Ich bekomme von meinen KlientInnen immer zu hören, dass sie durch das Training beweglicher sind und besser entspannen können. Alltagsbeschwerden (Rücken, Schulter, Kopfschmerzen, Regelschmerzen…) werden weniger bzw. verschwinden. Das motiviert mich.