Liebe Ute, Dein Mann sitzt seit Februar 2017 im Gefängis. Was ist passiert?
Mein Mann hat Internetbetrug begangen. Es ging um viele kleine Geldbeträge, die unseren Alltag finanziert haben – bis das nächste Gehalt oder das Kindergeld auf dem Konto waren. Unsere finanzielle Situation war immer angespannt, da mein Mann der Alleinverdiener war, weil ich wegen der Kinder zu Hause geblieben bin. Jeder Geschädigte hat sein Geld zurück bekommen – das soll seine Taten nicht entschuldigen, aber es ist mir wichtig, dies zu erwähnen.
Erzähl uns von Deinen Gefühlen, die Du an dem Tag hattest, als er ins Gefängnis musste.
Dieser Tag war schrecklich. Wir hatten mit den Kindern noch nicht darüber gesprochen, weil wir eigentlich auf eine kurze Haft mit offenem Vollzug hofften. An dem Tag, als er ins Gefängnis musste, habe ich die Kinder zu meiner Mutter gebracht und den Kindern erstmal erzählt, dass Papa auf eine Dienstreise muss. Ich habe mich noch nie so hilflos gefühlt und all das, was vor mir lag, erschien mir wie ein Berg, den ich nicht bewältigen kann. Aber: Als Mutter von drei Kinder kann man nicht einfach aufgeben, man muss weitermachen – und das habe ich dann auch getan.
Als klar war, dass Dein Mann länger ins Gefängnis muss, hast Du dann doch mit den Kindern gesprochen….
Ja, nach einiger Zeit habe ich den Kindern gesagt, wo Papa wirklich ist. Sie waren geschockt – verständlicherweise. Mittlerweile gehen sie gut damit um. Sie wissen, dass Papa anderen Menschen etwas weggenommen hat, dass man das nicht darf und dass er deshalb bestraft wird.
Wie offen gehst Du mit der Situation um? Wissen zum Beispiel Lehrer und Kitaerzieher der Kinder Bescheid?
Ja, nachdem ich den ersten Schock überwunden habe, habe ich mich für Offenheit entschieden. Ich habe mit Lehrern und Erziehern gesprochen und den anderen Eltern aus der Kitagruppe eine Mail geschrieben, in der ich die Situation erklärt habe. Auch unser Bekannten-und Freundeskreis weiß bescheid. Ich habe sehr viel Verständnis und Anteilnahme erhalten, das hilft mir sehr.
Wie oft darfst Du Deinen Mann besuchen? Sind die Kinder immer dabei?
Wir dürfen ihn zweimal im Monat für eine Stunde besuchen, die Besuchstage werden vorgegeben. Eigentlich sind immer ein oder zwei Kinder dabei. Wenn wir beide Besuche gemacht haben, kann mein Mann einen dritten Besuch beantragen. Dieser wird aber nicht immer genehmigt. Wir haben ausserdem drei Stunden Telefonzeit im Monat, in denen er uns anrufen kann. Alles in allem haben wir also fünf bis sechs Stunden Kontakt im Monat.
Warst Du auch mal wütend auf Deinen Mann, dass Ihr seinetwegen in so einer Situation seid?
Mir wurde oft gesagt, ich müsse doch wütend sein. Ich sehe das anders. Denn Wut bringt mir gerade gar nichts, ich kann sie ja nirgendwohin kanalisieren. Ich bin in psychologischer Behandlung und kann dort offen über alles sprechen. Auch die Kinder waren in einer Beratungsstelle, weil ich proffessionell "abgecheckt" haben wollte, wie die Kinder das alles verkraften. Wenn mein Mann wieder da ist, werden wir auch zu einer Eheberatung gehen, um geführt wieder zueinander zu kommen.
Wann fehlt Dir Dein Mann am meisten?
In so unendlich vielen Situationen. Bei der Einschulung unseres Sohnes, bei den vielen Veranstaltungen im Kindergarten unserer Jüngsten, beim Streiten mit unserer Teenager-Tochter (sie war 10, als mein Mann wegging). Er fehlt mir abends auf der Couch und eigentlich immer zum Austausch, wenn ich mich freue, ärgere, Angst habe, verunsichert bin.
Hat sich Dein Mann in der Haft verändert?
Das kann ich erst nach seiner Entlassung sagen. Klar ist, dass er viel lärmempfindlicher sein wird und einen völlig anderen Rythmus als wir haben wird.
Hast Du Dich verändert?
Ich bin gerade für alles zuständig, verantwortlich – weil ich es seit 23 Monaten so machen muss. Natürlich hat mich das verändert.
Im Januar 2019 wird Dein Mann entlassen. Mit welchen Gefühlen siehst Du diesem Tag entgegen?
Zum einen habe ich Angst, wie es sein wird, wenn wir wieder komplett sind. Wie wird er damit zurecht kommen, plötzlich mit einer pubertierenden Teenagerin zusammenzuleben? Einem Sohn, der seit eineinhalb Jahren ein Schulkind ist und einer 6-Jährigen, die gerade wieder Baby sein möchte und der scheinbar am Bewusstesten ist, was Papa alles verpasst hat. Und zum anderen ist da einfach nur Freude, weil wir endlich wieder vereint sind. Weil ich dann auch nicht mehr alles alleine entscheiden und stemmen muss. Weil ich auch mal wieder Frau sein darf, nachdem ich zwei Jahre lang nur Mutter war und funktioniert habe.
Wer hat Dich in der schweren Zeit unterstützt?
Meine drei besten Freundinnen, ihre Familien und meine Familie standen mir stets zur Seite, sie halfen uns durch Weihnachten und Geburtstage, hatten immer liebevolle, warme Worte, Ermunterungen und Umarmungen für uns. Aber auch Menschen, die uns ohne meinen Mann kennen lernten und uns geholfen haben. Ich hatte großes Glück mit einem wundervollen Netzwerk von helfenden Engeln.
Was wünscht Du Dir für die Zukunft?
Ich wünsche mir, dass wir gut wieder ins Leben zu fünft zurück kommen! Es steht uns noch eine schwere Zeit bevor, aber ich bete dafür, dass wir diese als Familie bewältigen können. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir es schaffen.
Foto: Pixabay
5 comments
keine toleranz für kriminalität
also ich habe kein verständnis für die situation der familie. wenn mein partner kriminell wäre dann würde ich mich sofort trennen. eine weiterführung der beziehung käme für mich niemals in frage.
wie finanziert die frau denn die familie während der alleinverdiener im knast sitzt?
wenn man kein geld hat dann muss man eben arbeiten gehen. man kann doch nicht als hausfrau zuhause bleiben und sein leben dann mit kriminellen geschäften finanzieren. also sorry, aber da fehlt mir wirklich jedes verständnis.
Dann
im Zweifel einfach mal die Klappe halten. Du steckst in keinem dieser Schuhe.
Keine Toleranz für Schubladendenken
Und mir fehlt die Toleranz für dein Schubladendenken, Anja!
Wir lesen hier einen kleinen Auschnitt der Geschichte. Für das, was der Mann gemacht hat, wurde er bestraft. Diese Strafe ist nun bald abgesessen und dann beginnt für die Familie ein Neustart.
Ich fände es spannend in 6 Monaten erneut ein interview zu lesen, wie die „Wiedereingliederung des Vaters“ gelaufen ist.
Ich drücke jedenfalls fest die Daumen. Jeder hat eine 2. Chance verdient.
Finanzielle Sorgen
Und wie hat es mit dem Finanziellen geklappt? Fixkosten waren ja die gleichen. Musste Ute arbeiten oder gibt es in dem Fall eine besondere Unterstützung? Alles Gute Euch.
Hallo liebe Julia, aus
Hallo liebe Julia, aus eigener Erfahrung kann ich Dir sagen,dass es keine Unterstützung gibt. Entweder geht man arbeiten oder nimmt eben die finanziellen Hilfen des Staates in Kauf. Eine andere Option gibt es nicht.