Narzissistischer Vater: Bis heute will er Macht über mich haben

narzisstischer Vater

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Ihr Lieben, wie sehr ein narzisstischer Vater die Kindheit prägen kann und wie schwer es ist, sich von ihm zu lösen, erzählt uns heute Marie. Sie hat erst mit der Geburt ihrer eigenen Kinder wirklich verstanden, was ihr in der Kindheit widerfahren ist und versucht seitdem, sich zu befreien. Vielen Dank für deine Offenheit und alles Liebe für dich, liebe Marie!

Liebe Marie, du bist mit einem narzisstischen Vater aufgewachsen. Erzähl mal, was für ein Mensch dein Vater war.

Mein Vater war schon immer ein sehr machtorientierter Mensch, der sehr gerne über sich und seine Erfolge sprach. Nach außen lobte er seine Familie (meine Mutter und mich) in den höchsten Tönen, innerhalb der Familie wollte immer die Kontrolle über alles haben. Alles musste so laufen, wie er es sagte und bestimmte. Er wollte immer über alles informiert sein, wurde laut, wenn etwas nicht nach seinem Willen lief. Meine Mama hat er immer kleingehalten, sie mental nieder gemacht und abwertend behandelt, wenn sie mal nicht nach seiner Pfeife tanzte. Wenn alles so lief, wie er wollte, konnte er auch ein lieber Vater und Ehemann sein.

Generell, wenn man ihn nicht kennt, würde man nie denken, dass ein Narzisst in Reinkultur vor einem steht. Er ist sehr klug und belesen und weiß genau, wie man Menschen manipuliert und benutzt. An was ich mich noch aus meiner frühersten Kindheit erinnern kann ist, dass er sehr oft schlecht über andere Menschen gesprochen hat und sie woanders schlecht gemacht hat. Und er verdreht die Wahrheit immer so, dass er gut da steht („hat er nie gesagt, er wurde falsch verstanden“ usw.).

Wie würdest du generell deine Kindheit beschreiben?

Da ich ein Einzelkind bin, hatte ich mehr oder minder schon immer das ganze Päckchen allein zu tragen. Ich war sehr viel bei meinen Großeltern mütterlicherseits, die mir den Halt gaben, den ich brauchte. Sie holten mich aus dem Kindergarten ab, waren viel mit mir unterwegs. Meine Mama, denke ich, hat mich immer aufrichtig geliebt. Zumindest in dem Umfang, wie sie konnte. Ich denke, mein Vater konnte das Gefühl von Liebe nur imitieren. Als Kind denkt man, so wie es ist, ist es normal. Erst viel später habe ich erkannt, dass Elternschaft was ganz anderes bedeutet.

Ich war viel mit den Kindern aus der Nachbarschaft draußen und habe mich oft für meine Eltern geschämt. Für das Gebrüll, für die Handgreiflichkeiten gegenüber meiner Mutter. Ich hatte nie Freunde zu Besuch. Und Dinge, die Eltern ihren Kindern lernen, wie Radfahren oder schwimmen, brachten mir andere Leute bei.

Zudem hat deine Mutter Probleme mit Alkohol. Wie hast du das in deiner Kindheit und Jugend erlebt?

Das meinte ich mit „Päckchen“. Seit ich denken kann, ist meine Mama Alkoholikerin. Ich erinnere mich sehr gerne an die wenigen schönen Momente. Wenn sie mit mir einen Drachen gebastelt hat oder Schlitten fahren war oder mir Gutennachtgeschichten erzählte.

Meine Mama trank zunächst heimlich und ich habe schon als kleines Kind Flaschen mit Alkohol gefunden. Sie hat ihren Tagesablauf irgendwann nicht mehr auf die Reihe bekommen. Ich erinnere mich, dass der Kindergarten einmal die Herausgabe von mir verweigerte, da sie mich im betrunkenen Zustand abholen wollte. Bei einer Bahnfahrt ist sie mit mir an der Hand aus der Bahn gefallen, als wir aussteigen wollten. Sie schlief viel. Als ich älter wurde, übernahm ich dann immer mehr Aufgaben im Haushalt, wurde so quasi ihre Betreuerin.

Ich versteckte ihr Geld, damit sie keinen Alkohol kaufen konnte. Auf Landheimfahrten mit der Schule war ich nie mit, ich musste ja auf meine Mutter aufpassen. Meine Mutter war vor der Beziehung zu meinem Vater sehr lebenslustig, sie reiste viel. Vielleicht hat sie den Druck meines Vaters einfach nicht ausgehalten und deshalb angefangen zu trinken. Eigentlich hatte ich recht wenig Zeit für eine Kindheit und Jugend, wie ich sie mir wünschte und wie auch jedes Kind ein Recht darauf haben sollte: Unbeschwert einfach Kind sein.

Seit wann hast du keinen oder kaum noch Kontakt mit deinen Eltern?

Der Kontakt wurde mit meiner ersten Schwangerschaft 2008 immer weniger. Mein Fokus verschob sich zu dieser Zeit, nicht mein Vater war nicht mehr so wichtig, sondern meine eigene Familie. Ich zog mit meinem Mann zusammen und 500km weit weg. Dadurch bekam ich Abstand und mit der Zeit reflektierte ich immer mehr und sah meine Eltern aus einer anderen Perspektive. Diese neuen Erkenntnisse waren für mich sehr hart.

2019 habe ich einen sehr langen Brief an meine Eltern geschrieben. Eigentlich mehr für mich, zum verarbeiten (ich hatte darin auch angeboten, eine Familientherapie zu machen, da eine Klärung zu dritt nicht möglich wäre). Sie haben nie darauf geantwortet. Stattdessen ging mein Vater mit diesem Brief im Freundes- und Verwandtenkreis und bei meinen Schwiegereltern hausieren, lass Auszüge vor und redete mich überall schlecht. Als ich letzes Jahr festellte, dass meine verstorbene Patentante mich enterbt hatte, weil er u.a.ihr erzählt hat, ich würde Drogen nehmen und sei auf der schiefen Bahn, hatte es sich dann entgültig für mich erledigt.

Aktuell geht es deiner Mutter sehr schlecht. Was hat sie genau?

Sie wurde vor einer Woche wegen einer Hirnblutung ins Krankenhaus eingeliefert und liegt seitdem im künstlichen Koma.

Dein narzisstischer Vater macht es praktisch unmöglich, dass du darüber informiert wirst, wie es deiner Mama geht, richtig?

Man muss dazu sagen, dass ich ihn auf meinem Handy blockiert habe, der jahrelange Terror, auch am Telefon, hat das nötig gemacht. Über die Mama meiner besten Freundin habe ich dann erfahren, dass meine Mutter im KH ist. Mein Vater ruft ja überall in meinem Umfeld an, nur um irgendwie an mich ranzukommen. Mit meiner Mutter hat er das einzige Druckmittel gegen mich und das weiß er. Den Kontakt habe ich hauptsächlich wegen ihm abgebrochen und meine Mutter konnte den Kontakt zu mir alleine nicht aufrechterhalten. Sie ist halt von ihm abhängig.

Ich habe herausbekommen, in welchem Krankenhaus meine Mama liegt. Ich hatte dort dann um Auskunft gebeten, wie es ihr geht und dass ich informiert werden möchte, falls sich ihr Zustand verschlechtern sollte und sie verstirbt. Die Ärzte verweigern mir sämtliche Auskünfte und verweisen immer wieder auf meinen Vater, der wohl im Besitz ihrer Patientenverfügung ist. Ich könnte mir ja bei ihm alle Informationen holen.

Es ist für mich gesundheitlich absolut nicht möglich, mich mit ihm zu unterhalten. Schon der Gedanke daran triggert mich direkt. Er würde mir sowie nur die Infos zu geben, die er gewillt ist. Es würde sicher auch Vorwürfe von ihm hageln, er braucht halt wieder eine Plattform, um an mich ranzukommen.

Er hat auch schon so oft erzählt, dass er mir nicht Bescheid sagen wird, wenn sie verstirbt. Früher dachte ich, so unmenschlich ist niemand. Heute bin ich sicher, dass er genau weiß, was er sagt und tut.

Was macht das alles mit dir?

Als es 2019 zu dem besagten Brief kam, hatte ich mir parallel dazu auch psychologische Hilfe geholt und bin auch sehr froh darüber. In meiner Therapie konnte ich quasi alles aufarbeiten und für mich vernünftig verarbeiten. Mein inneres Kind als Achtjährige und ich als Teenie…alles hatte seine Berechtigung und ich konnte endlich mal die ganze Enttäuschung, Wut, auch Trauer loswerden. Aber ich habe auch gelernt, endlich mal stolz auf mich zu sein. Auf das, was ich alles schon geschafft habe.

Nun hast du selbst Kinder. Wie prägt dich deine Kindheit in Bezug auf deine Mutterschaft?

Ich trinke tatsächlich keinen Alkohol, weil ich Angst habe, so wie meine Mutter zu enden. Ich vergleiche oftmals Situationen und versuche, mich immer in unsere Kinder hineinzuversetzen. Unsere beiden Kinder (Sohn 14 Jahre und Tochter 9 Jahre ) sind sehr emphatische und hilfsbereite Kinder. Jeder darf bei uns frei seine Meinung äußern. Das Motto lautet: Wir finden immer eine Lösung! Wir sind ehrlich und offen zu unseren Kindern. Sie wissen genau Bescheid über das Verhältnis zu ihren Großeltern.

Ich bin vorsichtig, was meine Kinder betrifft, sie sind aber trotzdem an der langen Leine. Sie dürfen viel, aber sie sind beide auch ehrlich, wenn Mist passiert und kommen zu uns. Ich möchte nicht, dass sie Dinge heimlich tun (wie Ohrloch stechen), deshalb sprechen wir über Lösungen. Unser Großer ist gerade mitten in der Pubertät und kommt immer mit allen Sorgen zu mir. Das zeigt mir, dass wir in unserer Familienbande ein wirklich gutes 4er-Team sind.

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3 comments

  1. Ein bedeutsamer Beitrag. Als junger Mann leide ich immer noch unter dem Narzissmus meines Vaters – von damals. Ich kann alles genauso unterschreiben, wie es dargestellt wurde – und bekommen Angst um andere in der gleichen Situation. Das schlimmste ist, wenn es Mittäter:innen gibt. Menschen, die alles klein reden und für ihn entschuldigen. Habe den Kontakt vor sechs Jahren mit Mitte Zwanzig endlich abrechen können. Ich war meine gesamte Jugend lang ein Mobbingopfer, weil ich mich aufgrund der häuslichen Gewalt dazu machen lassen habe. Ich schrieb ihm einmal, dass ich nur von ihm geliebt werden wollte und schämte mich sofort dafür, aber heute nicht mehr. Ich bin eine andere Art Mann und habe damit meinen Frieden gemacht. Ich habe angefangen darüber zu schreiben. Das Ganze auch in fiktiven Erzählungen symbolisiert. Auch, wenn es erst darum geht, dass ganze zu verarbeiten, ist es auch eine Waffe gegen ihn geworden. Es ist unmöglich gegen einen Menschen anzureden, der vor nichts und niemandem Respekt hat. Aber die Leute lesen meine Texte und machen sich ein neues Bild über ihn. Wichtiger ist jedoch zu verstehen, dass es erst vorbei ist, wenn man seine Relevanz für das eigene Leben vollkommen annuliert.

  2. Bleib stark Marie! Ein Narzist hat nur soviel Macht über Dich, wie Du ihm gibst. Und, auch wenn die Ungewissheit schwer ist, Deine Mama würde nicht wollen, dass Du ihrerwegen wieder unter ihm leidest. Warum nimmst Du Dir nicht einen Anwalt, der in Deinem Auftrag handelt ( spätestens beim Erbteil)? Gib Deinem Vater nicht die Befriedigung, Dich ( oder Deine Kinder) wieder kontrollieren zu können. Narzisten kann man nur dauerhaft und konsequent ignorieren, das ist das Einzige was sie trifft. Und, leider, Narzisten ändern sich nicht, durch keine Therapie der Welt, erspar Dir und Deiner Familie das Drama und schließ endgültig ab mit Deinen Eltern.

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