Update von Kitty: Nach dem Verlust unserer Tochter haben wir nochmal ein Baby bekommen

Verlust

Die Fußabdrücke der ganzen Familie - mit dem der verstorbenen Tochter als Himmelskind

Ihr Lieben, es gibt Geschichten, die uns ganz besonders berühren und auch immer wieder mal nachfragen, wie sich die Situation für die Familien entwickelt hat. So auch im Falle von Kitty, deren sechsjährige Tochter im November 2021 beim Spielen im Garten tödlich verunglückt ist. Ein schrecklicher Verlust, der das ganze Leben verändert. Schon bei unserem ersten Beitrag hier hat mich Kittys Art sehr beeindruckt und ich freue mich so sehr, dass sie uns heute ein Update gibt – und zwar eines mit wunderbaren Neuigkeiten.

Über unser Leben nach dem Verlust unserer Tochter

„Katharina hat mich gefragt, wie es uns geht. Ich kann sagen: Es geht uns ganz gut. Wir sind, was die Trauer angeht, auf einem guten Weg, wenn man das so sagen kann. Wir merken, dass sich die Trauer irgendwie verändert. Sie bestimmt den Alltag nicht mehr so sehr, aber natürlich kommt sie immer wieder hoch. Auch ganz plötzlich in Alltagssituationen, wo man nicht so darauf vorbereitet ist. Neulich war ich beispielsweise beim Kinderarzt. Mir gegenüber saß ein Mädchen, was die gleichen Turnschuhe trug wie unsere Tochter. Da musste ich schon ziemlich schlucken. Oder wenn beim Autofahren ihre Lieblingsmusik im Radio läuft, holt einen die Erinnerung auch sofort wieder ein. Da fließen schon mal viele Tränen.

An den Jahres- oder Feiertagen, wo man einfach weiß, dass sie emotional schwierig werden, ist man besser darauf vorbereitet und kann sich vorher überlegen, wie man den Tag gestalten will, um ihn gut zu überstehen. Wobei aber beispielsweise die Schuleinführung unseres großen Sohnes im letzten Jahr ziemlich heftig für uns war, obwohl wir das erwartet haben. Wir waren in Gedanken immer auch bei unserer großen Tochter, die sich so auf ihren Schulanfang gefreut hatte, diesen aber leider nicht erleben durfte.

Endlich durften wir zur Trauer-Reha

Im März diesen Jahres konnten wir endlich unsere familienorientierte Reha für Verwaiste Familien in Tannheim machen. Der Weg dorthin war ziemlich steinig, da meine Krankenkasse die Maßnahme zunächst ablehnte und wir uns mit Widerspruch durchkämpfen mussten. Das war sehr kräfteraubend und irgendwie traurig. Man bekommt das Gefühl vermittelt, dass die persönliche Situation nun wirklich nicht ausreichend schlimm sei, um für alle Familienmitglieder so eine kostenintensive Maßnahme zu bewilligen. Und eigentlich hat man gar keine Kraft immer wieder aufzustehen und sich zu „rechtfertigen“…

Umso erfreulicher war es dann, dass wir letzlich doch fahren durften. Wir konnten die Zeit dort sehr intensiv nutzen, um mal Abstand von allen Alltagsverpflichtungen zu bekommen, Zeit als Paar und auch als Familie zu verbringen, Erfahrungen mit anderen betroffenen Familien auszutauschen und den Verlust nochmal intensiv aufzuarbeiten. Auch die Kinder wurden in speziellen Trauergruppen ganz feinfühlig betreut und konnten so nochmal alles gut aufarbeiten. Die Klinik ist absolut spezialisiert und deutschlandweit mittlerweile die einzige mit diesem Angebot.

Jeden Monat reisen dort 8 verwaiste Familien an und die Warteliste für die Maßnahme beträgt mittlerweile ca. 14 Monate. Obwohl der Bedarf also außerordentlich hoch ist, stellen sich die meisten Kostenträger nach wie vor quer, diese so heilsame und wichtige Maßnahme für die Familien zu ermöglichen. Das finde ich wirklich schlimm.

Nach wie vor fehlen gerade bei uns im ländlichen Raum vergleichbare Angebote, wie z.B. spezielle Trauergruppen für Kinder. Daher keimt in mir immer noch der Wunsch nach einer Ausbildung zur Trauerbegleiterin. Momentan ist das aber mit den Kindern nicht zu realisieren.

Es ist so wichtig, offen über die Trauer zu reden

Ich habe auch durch die Reha nochmal gemerkt, wie wichtig es ist, frei über die Trauer reden zu können. Die ebenfalls betroffenen Familien haben weitgehend dasselbe durchgemacht, auch wenn jeder Verlust individuell und nicht vergleichbar ist. Oft sind es aber die Reaktionen des Umfeldes, die sich bei vielen ähneln. Und sich darüber auszutauschen war sehr wertvoll.

Auch den Kindern hat es sehr gefallen, unbefangen von ihren Gefühlen und ihrer großen Schwester erzählen zu dürfen und kleine Erinnerungsstücke für sie zu basteln. In der Schule und im Kindergarten wird das Thema oft gemieden, was wirklich schade ist. Dabei sollte auch hier der Umgang allgemein viel offener sein, da es immer wieder Kinder geben wird, die wegen der Trennung der Eltern, dem Tod eines Haustieres oder dem Verlust von Familienmitgliedern trauern werden und da auch aktiv unterstützt werden sollten.

Man merkt mittlerweile, dass für viele Menschen in unserem Umfeld das Thema nicht mehr so präsent ist, nun wo fast drei Jahre seit dem Tod unserer Tochter vergangen sind. Nachrichten zum Geburts- oder Sterbetag werden weniger, genauso wie Nachfragen, wie es einem geht oder Hilfsangebote. Ich weiß nicht, ob die Leute das Thema einfach nicht immer wieder aufsprechen wollen, weil sie denken, dass man doch jetzt gut klarkommt und sonst alles nur wieder aufwühlt. Was völliger Unsinn ist, weil der Verlust sowieso immer präsent ist und es immer sein wird. Oder aber, ob sie wirklich nicht mehr daran denken, was ich aber nicht glaube.

Dabei wäre es so schön, immer mal ein kleines Zeichen zu bekommen, dass unsere Tochter auch bei anderen nicht vergessen ist. Wir haben aber auch einige tolle Menschen (näher) kennengelernt, die uns immer wieder gut zureden, Gespräche suchen und uns im Alltag unterstützen – z.B. indem sie uns Essen vor die Tür stellen oder die großen Geschwister nachmittags mit betreuen. Das ist wirklich schön und dafür sind wir sehr dankbar.

Wie schön, wenn jemand an unsere Tochter denkt

Und es tut auch gut, wenn man auf den Friedhof kommt und sieht, dass frische Blumen da stehen, eine Kerze brennt oder ein Kind eine kleine Bastelei ans Grab gelegt hat.

Leider gab es auch kürzlich immer wieder negative Situationen, wo uns Leute durch übergriffige oder unüberlegte Worte verletzt haben. Deshalb haben wir uns mehr zurückgezogen und nicht mehr so offen über bestimmte Dinge geredet. Gerade auf dem Land, wo man nicht anonym ist und jeder jeden kennt, wird man oft beäugt und bewertet. Und ich kann das leider schlecht ausblenden. Obwohl ich durch die Reha gestärkt bin, was den „richtigen“ Umgang mit unserer Trauer und den Kindern angeht, reichen die Worte von einigen wenigen, um das alles wieder zunichte zu machen.

Wir haben noch ein Baby bekommen

So haben wir z.B. auch fast niemandem erzählt, dass wir ein weiteres Familienmitglied erwarten. Unser kleiner Sohn wurde vor zwei Monaten bei uns zuhause geboren. Und es hat sich einfach gut und richtig angefühlt, ihn auch gerade hier zu begrüßen, an dem Ort, wo wir uns von seiner großen Schwester verabschieden mussten. Auch jetzt gibt es natürlich immer wieder mal dumme Sprüche – ich arbeite noch daran, dass nicht so nah an mich heran zu lassen.

Die großen Geschwister sind sehr behutsam und lieb mit ihrem kleinen Bruder und reden immer noch voller Stolz von ihrer großen Schwester, die hier nicht totgeschwiegen wird, sondern immer noch ein festes Familienmitglied ist. Wenn sie von anderen auf die Anzahl der Geschwister angesprochen werden, erwähnen sie ihre große Schwester immer ganz selbstverständlich mit.

Mir hingegen fällt das manchmal schwer, da es anschließend meist zu weiteren Nachfragen, z.B. nach dem Alter der Kinder, kommt. Dann kommt man zwangsläufig immer auf den Tod zu sprechen, was das Gegenüber meistens sehr schockiert oder man sich selber dann unwohl fühlt gerade mit Fremden darüber zu reden. Daher wäge ich meine Antwort vorher meist ab und sage manchmal nur „vier Kinder“. Dabei fühlt sich das falsch an, denn schließlich bin ich Mama von fünf Kindern.

Eigentlich war das Kinderthema nach der Geburt unserer kleinen Tochter abgeschlossen. Aber nach dem Tod unserer großen Tochter war alles irgendwie wieder offen, weil auch die Lücke einfach so groß war.

Durch die Geburt unseres Babys wird natürlich niemand ersetzt – es kommt einfach nur noch jemand dazu und ein Platz bleibt trotzdem immer leer. Wir sind froh, dass wir trotz einiger Unkenrufe unseren Mut zusammengenommen haben und nun voller Liebe ein neues Familienmitglied in unserer Mitte haben. Obwohl ich sagen muss, dass ich in einigen Situationen mittlerweile nicht mehr so entspannt und sorglos bin und immer wieder auch die Angst hochkommt, dass wieder etwas passieren kann.

Bei der Suche nach einem schönen Spruch für die Karte, welche wir zur Geburt unseres Sohnes verschickt haben, ist mir dazu ein schönes und passendes Zitat begegnet: „Mut ist nicht die Abwesenheit von Angst, sondern die Einschätzung, dass etwas anderes wichtiger ist, als die Angst.“ (Meg Cabot)

Ich wünsche mir sehr, dass wir anderen Familien mit unserer Geschichte auch Mut machen können, weshalb ich mich freue, dass ich hier nochmal von uns erzählen darf. Man liest immer wieder so viel von schlimmen Verlusten von Kindern. Doch wenn man selber in der Situation ist, findet man (zunächst) wenige Gleichgesinnte, weil auch einfach häufig nicht offen darüber gesprochen wird. Aber man ist mit diesem Schicksal (leider) nicht allein.

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Geschwisterliebe
Kittys große Tochter (Mitte), die beim Spielen im Garten verunglückte und ihre Geschwister

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2 comments

  1. Oh je, habe mir gerade mal die ganze Geschichte durchgelesen. Der Hinweis, dass man beim Lesen stark sein muss, war gut, denn mir kamen tatsächlich die Tränchen. Das man als Mutter immer Angst hat, dass den Kindern etwas passiert, das kenne ich auch nur zu gut. Immerhin hatten wir auch tatsächlich schon ein paar Schutzengel, vor allem bei meinem kleinen Jungen (mittlerweile fast 6 Jahre). Es muss hart sein. Ich bewundere eure Kraft und eure Stärke als Familie! Und herzlichen Glückwunsch zum neuen Familienmitglied!

  2. Alles Gute für Euch und Eure fünf Mäuse <3
    Nichts könnte schlimmer sein als ein Kind zu verlieren, es ist schön, dass ihr es wagt weiter zu leben. Euer großes Mädchen wird nie vergessen werden.

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