Ihr Lieben, nach einer Trennung gibt es sehr sehr viele Emotionen. Wut, Trauer, Enttäuschung, Verletzungen. Alle Emotionen sind wichtig, aber gerade wenn Kinder im Spiel sind, ist eine Aufarbeitung dieser Gefühle besonders wichtig, damit irgendwann ein friedlicher Umgang herrschen kann.
Unsere Leserin Franziska Karl ist die Gründerin von Happy Single Mum, ausgebildeter Coach und psychologische Beraterin für alleinerziehende Mütter. Als selbst geschiedene Mutter kennt sie die innere Welt und die täglichen Herausforderungen von alleinerziehenden Mamas selbst sehr gut. Hier hat sie ihre Geschichte für uns aufgeschrieben:
Nach der Trennung: Wie ich Frieden mit meinem Ex schloss
Vor 6,5 Jahren (genau genommen war es am 18. Februar 2018) war es eine meiner täglichen Sorgen, wie ich diese ganzen Themen wie Kinderbetreuungszeiten, Geburtstage oder Weihnachten bloß mit meinem Ex sachlich klären sollte. Die Trennung vom Vater meiner beiden Jungs (damals 3 und 6 Jahre alt) war frisch ausgesprochen und wir sind also relativ schnell in den “Business-Modus” übergegangen und haben uns wöchentlich an einen Tisch gesetzt, um so viel wie möglich friedlich zu klären – solange ich noch in unserem gemeinsamen Haus wohnte.
Frisch getrennt mussten wir einfach so viel Organisatorisches klären, wie es eben üblich ist nach einer Trennung mit Kindern. Für große Emotionen war wenig Raum, ich war im Funktionsmodus. Klar, sonst hätte mich alles überwältigt. Das sollte erst nach Auszug kommen…
Ich hatte die Trennung damals als erstes ausgesprochen. Nach jahrelangem Hadern, vielen ernsten Gesprächen, Paartherapien & Trennung auf Zeit und nächtelangen “das kannst du den Kindern nicht antun” wusste ich nur noch eins: Ich muss aus dieser Ehe raus. Ich gehe sonst vor die Hunde. Diese Unzufriedenheit und innere Leere hat mich wahrsinnig gemacht. Dazu das Gefühl des Kontrollverlustes, dass es hier nichts mehr zu retten gibt, dass ich alles versucht habe und dass ich den Tatsachen ins Auge schauen muss. Ich war immer schon gut im Durchhalten, Aushalten und Zähne zusammenbeißen.
Nein, ich bin weder betrogen worden noch hatte ich einen Lover. Mein Alltag in der Ehe bestand aus einem 30-Stunden-Job, Kinderbetreuung, einem großen Haus, zwei Autos in der Einfahrt, schicken Urlauben und Freizeitaktivitäten (meist alleine mit den Kids oder meinen Freundinnen). Das klassische, alte Rollenmodell eben, nur ohne Hund: “Sie macht die Kinder, er verdient das Geld”.
Und obwohl ich die Trennung wollte, habe ich anfangs sehr unter der Trennung gelitten. Dieses Gefühl, es nicht gepackt zu haben, mit Ende 30 bereits geschieden zu sein. Zurück auf Los. Jeden Abend alleine sein, Gefühlsausbrüche der Kinder auffangen, Wut wegatmen, bescheidener zu wohnen, sich für alles verantwortlich zu fühlen, PAX-Schränke alleine aufzubauen.
Es hieß immer, “du wolltest das ja nicht anders” und leider herrscht immer noch die Meinung vor, dass diejenigen, die sich trennen, es einfacher haben und sich vorher genau ihre Exit-Strategie überlegt haben. Nein, eine Exitstrategie hatte ich nicht und auf Kommando frei & glücklich war ich schon gar nicht. Ja, erleichtert, aber eben auch im freien Fall. Wie oft hatte ich mir damals gewünscht, dass es doch schon ein Jahr später sei und ich das Schlimmste hinter mir hätte.
Am wenigsten erwartet hatte ich diese schlimmen Schuldgefühle meinen beiden Jungs gegenüber. Es hat fast schon körperlich weh getan. Schuldgefühle gehörten immer schon zu meinem Gefühlsgrundrauschen. Das kommt aus der Kindheit, aber das ist ein anderes Thema. Doch diese Schuldgefühle waren auch mein innerer Antrieb, denn ich hatte genau zwei Visionen für das erste Jahr nach der Trennung:
- Frieden mit dem Vater meiner Kinder, das bin ich ihnen schuldig.
- Meine Kinder bestmöglich in der Trennungsphase auffangen.
An wen ich weniger gedacht hatte, war an mich selbst. In meinem mir stets vertrauten Muster von funktionieren, Vollgas geben, alles weglächeln, bin ich also durch die ersten Monate nach der Trennung gehetzt. Während der Trennung war ich arbeitslos, bedeutet: Zwei Wochen nach dem Auszug aus unserem schicken Haus habe ich einen neuen Job angefangen. Danach kam direkt die Einschulung meines Sohnes. Dazwischen Wutausbrüche meiner Jungs, ständiger Zeitdruck, heimliche Erschöpfungstiefs auf der Couch und ansonsten habe ich die taffe Powerfrau im Job gegeben. Projekte übernommen, mich gut verkauft.
Das hält kein Mensch lange durch. Das Ergebnis war nach ein paar Monaten ein Erschöpfungszusammenbruch. Als ich bei meinem Dorfarzt heulend zusammengebrochen bin, wurde ich eine Weile krankgeschrieben. Die Scham im neuen Job war groß. Doch alle hatten Verständnis. Schließlich habe ich in einer Firma gearbeitet, die psychologische Dienstleistungen anbietet.
Deswegen sage ich: Diejenigen, die die Trennung letzten Endes aussprechen und den Tatsachen etwas eher ins Gesicht schauen, leiden auch, nur anders. Nein, wir werden nicht vor vollendete Tatsachen gestellt, wahrscheinlich erleben wir auch nicht diesen traumatischen Verlust, dass der andere von heute auf morgen weg ist. Aber wir werden immer das Damoklesschwert der Schuld und Wut des Expartners über uns schweben haben.
Auch wenn mein Ex-Partner und ich Kinderbetreuungszeiten, Unterhaltszahlungen und Co gut und sachlich mit Hilfe von Mediatoren und Anwälten geregelt haben, wusste ich, wir werden wahrscheinlich niemals zu zweit Kaffee trinken gehen. Das ist auch ein Abschied, den man verarbeiten muss. Was wir heute aber sehr wohl können, ist gemeinsam die Geburtstage unserer Jungs feiern (mit der ganzen Sippschaft von neuen Partnern mit Kindern und Ex-Schwiegereltern), wichtige und dringende Dinge schnell über Whatsapp regeln, in ernsten Angelegenheiten für die Jungs zusammenhalten und uns aber auch schnell mal über den anderen und seine komplett anderen Erziehungsansichten ärgern.
Dennoch war mir damals nicht klar, was es im Alltag und auf Dauer wirklich bedeutet, als geschiedenes Ehepaar gemeinsame Kinder aufzuziehen. Und ja, manchmal fühle ich mich alleine mit der Erziehung – besonders jetzt in der Pubertät.
Auch wenn es nicht immer einfach ist, mit dem Expartner zu kooperieren: Ich persönlich finde, es ist einfach unser Job und unsere Verantwortung so viel (inneren) Frieden wie möglich mit dem Ex-Partner zu finden. Wir haben uns damals entschieden, mit diesem Mann Kinder zu bekommen. Nichts ist schlimmer als der Loyalitätskonflikt, den Kinder leider oft empfinden, wenn die Eltern sich gerne innerlich wie hoffentlich nicht äußerlich die Köppe einschlagen.
Aus den Augen aus dem Sinn klappt an der Stelle ja als geschiedenes Elternpaar leider so gar nicht. Außerdem war es mir schon immer wichtig, dass meine Jungs Zugang zu ihrem Vater haben und genauso den Alltag mit ihm bewältigen. Modernes Erziehungsmodell eben. Papa kümmert sich auch um alltägliche Dinge wie Schulbrot schmieren, Wäsche waschen, Essen kochen. Deswegen bin ich auch sehr dankbar, dass meine Jungs sechs Tage am Stück bei ihrem Papa sind.
Frieden mit dem Ex bedeutet auch, zu akzeptieren, dass wir ihn nicht ändern können
Da heißt es also: Innerlich abgrenzen, Frieden schließen, zu verzeihen und unbedingt zu akzeptieren, dass wir den anderen nicht ändern können und sich auf das zu besinnen, was gut läuft. Viele Väter machen den Job gut. Wir Mamas dürfen nur lernen, loszulassen und andere Erziehungsansichten anzuerkennen. Papas Alltagsabläufe sind in den meisten Fällen nicht schlechter, nur eben anders. Solange das Kindeswohl nicht gefährdet ist, ist doch alles gut, oder? Sie werden schon alle groß, auch wenn es mal Pizza gibt, die Kids später schlafen gehen oder sie mit Geschenken überhäuft werden. Liebe und Fürsorge sind wichtiger. Diese Einstellung habe ich über die Jahre gelernt. Denn nichts ist anstrengender, als sich über Erziehungsansichten vom anderen aufzuregen, auf die man in der Papazeit sowieso keinen Einfluss hat und die uns in seiner Zeit auch schlichtweg zu 90% nichts angehen.
Leider erlebe ich es immer noch sehr oft, dass die Eltern in ihrer Wut vergessen, was das mit den Kindern macht. Auch wenn wir im Außen so tun, als sei alles ok: Kinder spüren alles. Und jedes eisige Schweigen an der Haustür, jedes unbewusste Schlechtmachen oder konsequente Meiden des anderen Elternteils empfinden die Kids auch als Ablehnung sich selbst gegenüber. Denn sie sind ja auch immer ein Teil ihrer Eltern. So habe ich es von einer Kinderpsychologin gelernt. Und ja, es ist manchmal sauschwer, immer alles freundlich wegzuatmen und ganz bei sich zu bleiben. Deswegen dürfen wir ran an unsere Gefühle: Trennung aufarbeiten, Wut loslassen, Frieden schließen, das Gute mitnehmen. Das ist nicht immer einfach, aber es hat sich damals für mich persönlich alles verändert. Nichts ist energieraubender als sich noch Jahre nach der Trennung über den Vater unserer Kinder aufzuregen.
Zurück zu meinem ersten Jahr nach der Trennung: Ja, mein Alltag war besonders im ersten Jahr extrem anstrengend. Aber ich hatte gleichzeitig auch viel freie Zeit dazugewonnen, wenn die Jungs bei Papa waren. Hier bin ich dann allerdings nicht tagelang vor Netflix versunken. Ich krempelte in der Zeit ganz bewusst mein Leben um.
Wie heißt es so schön? Wenn sich ein Lebensbereich ändert, ändern sich nach und nach auch andere Lebensbereiche. Von einer Selbstständigkeit habe ich schon immer geträumt. Ich begann also Ausbildungen zu machen und ich baute mir mein Business als Trennungsberaterin auf. Pünktlich zum ersten Lockdown von Corona. Trennungen und Einsamkeit gab es damals viele.
Ich lebe also ein Leben, was wirklich meinen persönlichen Werten und Lebenseinstellungen entspricht. Denn in meiner Ehe (in der wir im Außen alles hatten) habe ich mich innerlich oft leer und einsam gefühlt. Ich war nicht wirklich ich damals. Heute spüre ich jeden Tag, dass dies mein Leben ist und ich endlich angekommen bin. Ich gehe jeden Tag aufs Neue für mein Herzensbusiness los und seit fünf Jahren habe ich auch meinen absoluten Traumpartner an meiner Seite. Übrigens über Tinder kennengelernt. Ein Mann, den ich aus freien Stücken gewählt habe und nicht aus den gesellschaftlichen Erwartungen heraus von Hochzeit, Haus, Kind, gemeinsamer Kredit und gemeinsamen Alltag.
Ich bin im absoluten Frieden mit meiner Trennung, habe keine Schuldgefühle mehr und meine Jungs geht es gut. Sie haben zwei Halbbrüder, durch meinen Partner und die Partnerin meines Ex-Mannes weitere enge Bezugspersonen und sind mittlerweile Profis darin, sich in beiden Welten zu bewegen. Und ja, in der Pubertät wird das natürlich auch ausgenutzt.
Am Ende des Tages war für mich die Trennung eine riesen Chance, sich mit mir selbst auseinanderzusetzen, meine alten Wunden zu heilen und wirklich den Weg zu mir selbst wiederzufinden. Auch wenn es nicht immer einfach ist und viel Mut, Kraft und Zuversicht benötigt: Es lohnt sich wirklich.
Wer nun Kontakt zu Franziska aufnehmen möchte, kann dies über ihre Homepage: www.franziskakarl.de oder per Mail: willkommen@franziskakarl.de. Außerdem könnt ihr auch in ihren Podcast reinhören: https://podcasts.apple.com/de/podcast/happy-single-mum-dein-neustart-nach-der-trennung/id1607858410
2 comments
Ich finde den Hinweis bzgl. Hilfe von Mediatoren und Anwälten sehr wichtig! Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich nur bestätigen, dass eine gute Einigung ohne Familien- und Rechtsberatung sehr schwierig geworden wäre. Auf die Idee einer Paarberatung kommen viele, aber Trennungsberatung und -Begleitung ist mindestens genau so wichtig.
Ja, da hast du recht, liebe Tara. Viele haben oft noch „Respekt“ sich einen Anwalt/eine Anwältin zu holen weil der Begriff für viele so negativ behaftet ist und immer an Rosenkrieg erinnert und das gefühlt ein letzter Keil zwischen die Eltern treiben könnte. Doch ein Anwalt weist uns alle nur auf unsere Rechte und Pflichten in einer Trennung hin und wird zur Scheidung ja sowieso benötigt. Und eine neutrale Familienberatungsstelle ist oft gold wert, weil die Mitarbeiter oft eine Mediatorenausbildung haben und immer versuchen, im Sinne des Kindes Einigung herbeizuführen womit beide Parteien sich auch wohlfühlen. Schlichtung statt Aufhetzen. Hier gibt es z.B. Angebote über die AWO, Diakonie, ProFamilia oder auch die Initiative „Kind im Blick“: https://www.kinder-im-blick.de/fuer-eltern/beratungsstellen/leitzone-2/.
Liebe Grüße, Franziska