Nach dem Tod eines Kindes: Verändert sich die Trauer?

Tod

Ihr Lieben, wir haben zuletzt im Februar 2022 über Theo berichtet, er starb in der 41. SSW. Seine Mama Susann hat uns damals davon erzählt, wie man nach dem Tod eines Kindes weiterleben kann (HIER das erste Interview). Wir freuen uns, dass Susann uns heute wieder ein paar Fragen beantwortet und uns erzählt, wie es der Familie geht.

Liebe Susann, euer Sohn Theo ist in der 41. SSW gestorben. Bei ihm wurde bei der Schwangerschaft Trisomie 18 festgestellt. Ihr habt euch damals gegen einen Abbruch entschieden. Kannst du noch mal erzählen, warum ihr euch so entschieden habt? 

Ja klar. Zum einen war Theo ein absolutes Wunschkind, unabhängig von einer Diagnose. Es ging ihm ja auch in einem Bauch blendend, für ihn war es ja ein geschützter Raum voller Geborgenheit und Liebe. 

Zum anderen sind wir Christen und wollten nicht über Leben und Tod entscheiden. Uns wurde Theo geschenkt (Theo heißt „Geschenk Gottes“) und dieses Geschenk wollten wir mit allem, was in unserer Macht stand, ehren. Wir wollten unseren Theo selber entscheiden lassen, wann es für ihn Zeit ist zu gehen und seine Reise als Himmelskind fortzuführen. 

Und der dritte Grund war, dass ich von Frauen gehört habe, die im Nachhinein den Abbruch bereut haben und sich immer gefragt haben, wie es gewesen wäre, wenn sie die Schwangerschaft nicht abgebrochen hätten. Diese Fragen wollte ich mir nicht stellen müssen. Natürlich sind auch in unserem Fall nicht alle Fragen beantwortet, aber ich bin mir nach wie vor sicher, dass wir für uns richtig entschieden haben. 

Kurz nach Theos Tod habt ihr ein Regenbogen-Baby bekommen. Nun hast du uns gesagt, dass du nach wie vor einen Kinderwunsch hast. Erzähl mal. 

Ja, tatsächlich fühle ich mich irgendwie noch nicht komplett. Es kommt mir so manchmal die Frage auf, ob es diese Lücke von Theo ist, die sowieso kein weiteres Kind je füllen wird oder ob da eben doch noch jemand wartet, Teil unserer Familie zu sein. Es ist definitiv noch so viel Platz im Herzen und auch im Haus. 

Wir haben jetzt zwei Kinder, wovon eins sehr intensiv in der Betreuung und im Verhalten ist. Dazu kommen zwei Vollzeitjobs, ein Haus, mehrere Ehrenämter – wir haben also gut zu tun, aber ich glaube, wir würden ein drittes Kind auch noch gut schaffen. Außerdem haben wir auch durch meine Eltern tolle Unterstützung. 

Ich stelle mir ein Leben mit drei Kindern zwar herausfordernd, aber auch so schön vor. Und trotzdem sind da auch Punkte, die mich grübeln lassen. Werden wie den anderen zwei dann noch genug Aufmerksamkeit geben können? Wie soll das mit der Einschlafbegleitung gehen? Werde ich es nervlich durchhalten, wenn drei Kinder schreien? Was macht das alles mit der Partnerschaft? Und natürlich: Wie wäre die Schwangerschaft? Durch all das, was wir bei Theo an Sorge durchgemacht haben und dem Wissen, was alles sein könnte, wird diese definitiv nie so unbeschwert sein wie meine erste. 

Letzten Endes wird dieser Wunsch nach noch einem weiteren Kind trotz all dieser Bedenken und eventuellen Kontras jedoch bisher nicht kleiner und wir sind gespannt was die Zukunft bereit hält…

Ihr habt auch über eine Adoption nachgedacht. Was sind eure Beweggründe dafür?

Seit ich 15 Jahre bin trage ich diesen Gedanken in mir. Ich hatte mir damals schon ausgemalt wie schön es doch wäre, jemandem ein Zuhause zu bieten, der keines hat. Ich hatte eine schöne Kindheit, habe aber ein FSJ in Rumänien gemacht. Dort und auch in weiteren Ehrenamtlichen Stationen meines Lebens bin ich mit Armut, sozial benachteiligten sowie hilfsbedürftigen Kindern in Kontakt gekommen und schon damals dachte ich, wie gut es wäre, diesen Kindern Liebe und Geborgenheit und auch die Chance auf ein gutes Leben zu ermöglichen. 

Ich stelle mir die Frage, ob es nicht sogar egoistisch wäre, noch selbst ein Kind in die Welt zu setzen, wo es doch schon so viele Kinder gibt, die genau das suchen/brauchen, was wir haben. Leider ist es in Deutschland gar nicht so leicht, ein Kind zu adoptieren und zudem hat mein Mann noch Bedenken, ob man ein angenommenes Kind wirklich so lieben könnte wie ein leibliches. Es ist also alles noch nicht spruchreif… 

 Somit lebt der Gedanke weiterhin in meinem Kopf und Herzen. Nach zwei Kindern an der Hand und eines im Himmel, habe ich aber irgendwie das Gefühl, dass das nun genau der nächste richtige Schritt wäre, um unser Familienglück zu vervollständigen und etwas nachhaltig Gutes zu tun. 

Wie präsent ist Theo nach wie vor in eurem Alltag und euren Gedanken?

Sehr. Für mich persönlich vergeht kein einziger Tag, an den ich nicht an ihn denke. Wir beten am Abend immer zusammen und da schließen wir Theo ins Gebet mit ein. Wir sind die „Family of 5“, das ist unser Slogan, seit Moritz auf der Welt ist. Denn unser Theo ist und bleibt unser Kind, wir haben also 3 Kinder. Das kann/soll und darf jeder wissen. Ich rede super offen darüber. Wir haben eine ziemlich große Gedenkecke und eine Leinwand bei uns im Wohnzimmer und auch sonst im Haus Bilder und Erinnerungen. 

„Er“ (als eine kleine selbstgenähte Puppe, die wir zur Beerdigung bekommen haben, ihr könnt die Puppe auf den Bildern sehen) kommt in jeden Urlaub oder zu jedem Fotoshooting mit und ist somit immer Teil von uns. 

Wie würdest du sagen, hat sich deine Trauer seit unserem letzten Interview vor 1,5 Jahren verändert?

Ja, zum Glück hat die Trauer sich verändert. Denn vor allem das erste Jahr war so heftig vom emotionalen Schmerz, dass es einfach besser werden musste, denn dieser Schmerz reißt einen komplett nieder. 

Sicher war unser Regenbogenbaby, das schon 10 Monate nach der Geburt von Theo auf die Welt kam, eine große Hilfe, mit dem Verlust besser klarzukommen. Denn nun war da dieses Baby, das mich brauchte und auch noch unsere Große, die mich ebenso stets brauchte. Mit zwei Kindern bekommt man automatisch auch wieder einen Blick für das Schöne – und das ist auch gut so. Auch, wenn die Momente der Trauer immer wieder kommen, aber sie sind nicht mehr so häufig wie am Anfang. 

Die Zeit heilt die Wunden also ein wenig, aber vor allem lernt man, damit umzugehen. Wir sind so dankbar für unsere zwei Kinder an der Hand. Wir lieben unseren Theo und freuen uns, ihn in der Ewigkeit wiederzusehen. Bis dahin vermissen wir ihn und sind füreinander da in den Phasen der Trauer. 

Wie geht es den Geschwistern?

Unsere Lotta war gerade 2.5 Jahre, als Theo geboren ist und wir sind immer sehr offen mit allem umgegangen. Sie war voll involviert und auch auf er Beerdigung dabei. Für sie ist Theo ihr Bruder und fester Bestandteil der Familie, sie redet von ihm und vermisst ihn auch, wie sie sagt. Sie erzählt, dass sie zwei Brüder hat. Lotta hat einen enormen reifen Umgang mit Tod und man kann mit ihr super tiefgehende Gespräche über Gott, die Welt, Leben und Tod führen. 

Unser Moritz geht mit Papa hin und wieder zum Grab und benennt Theo auch schon auf den Fotos. Er wächst mit seinem Bruder auf und für ihn gab es ihn sozusagen irgendwie von Anfang an. Er wird immer der kleine Bruder und unser Regenbogenwunder sein.

Just in den Moment, in dem ich diese Zeilen verfasse, zeigt unser Moritz auf Papas Arm und sagt „Theo Tattoo“ und wenn er ein Flugzeug am Himmel sieht, sagt er „Theo auch im Himmel“. 

Was möchtest du all den Eltern sagen, die erst vor Kurzem ein Kind verloren haben und nicht wissen, wie sie weitermachen sollen?

Ich möchte ihnen sagen, dass sie nicht alleine sind! Ich möchte ihnen sagen, dass es verschiedene Möglichkeiten der Unterstützung gibt. Ob digital oder andere Anlaufstellen (DRK, Diakonie, Gemeinden, Psychologen). Ich möchte Mut machen, öffentlich zu trauern. Aber vor allem so zu trauern, wie man es selber für nötig hält: So viel, so lange, so intensiv wie nötig. 

Auch ist ein wichtiger Hinweis, sich gegenseitig als Paar in seiner Trauer Raum zu geben und zu akzeptieren, dass es jeder anders tut. Vom Umfeld sollte man nicht zu viel verlangen/erwarten, die meisten sind überfordert mit der Situation… Wenn man die Kraft hat, sollte man seine Bedürfnisse äußern: ich würde mir wünschen, dass ich mit dir offen über mein verlorenes Kind reden darf. Mir würde helfen, wenn du für mich mit dem großen Kind/Hund eine Stunde raus gehen könntest etc.

Wird es besser mit der Zeit? Ich kann sagen, ja. Hört es jemals auf? Niemals! So schließe ich mit unserem Slogan ab, der seit der Beerdigung besteht.  Er war und ist: „Geliebt und geborgen von Anbeginn bis in alle Ewigkeit.“

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