Ihr Lieben, das Verhältnis zur eigenen Mama, die Mutterbeziehung, ist in den wenigsten Fällen nur einfach. Oft verläuft sie in Wellen, mit Höhen und Tiefen – aber sie ist uns bleibt eine der wohl prägendsten Beziehungen in unserem Leben. Alexa von Heyden ist Journalistin, Autorin, Bloggerin und führt einen tollen Instagram-Account. Nun hat sie ein sehr persönliches Buch über ihren Kinderwunsch und die Beziehung zu ihrer eigenen Mutter veröffentlicht. Wir haben mit ihr gesprochen.
Liebe Alexa, dein Buch hat den Untertitel „Wie die Reise mit meiner Mutter zu mir selbst führte„. Wie wir alle wissen, sind Mutter-Tochter-Beziehungen komplex, deshalb würde ich gerne mit dir über eure Beziehung sprechen. Wie hast du deine Mutter in deiner Kindheit erlebt?
Nicht als typische Mama. Mein Vater ist gestorben, als ich fünf Jahre alt war. Meine Mutter war Witwe, hatte drei Kinder und war selbstständig als Ärztin. Ich habe uns stark mit anderen Familien verglichen und meiner Mutter viele Vorwürfe gemacht, dass wir nicht chic und reich waren, sondern unsere Klamotten meistens gebraucht und die Trinkpäckchen von Aldi waren. Heute verstehe ich erst, was meine Mutter damals für uns geleistet hat: Sie hat sich den Arsch aufgerissen, damit wir Ballett machen und drei Wochen in den Sommerurlaub fahren konnten.
Und wie war sie für dich in der Pubertät? Hattet ihr da viele Streitigkeiten?
Oh ja, das waren schlimme Jahre für meine Mutter. Es gibt Menschen, die sagen, dass mir „die harte Hand“ eines Vaters gefehlt hat. Ich habe ab 14 gemacht, was ich wollte: Disco, Alkohol, Sex, Diebstahl und blaue Briefe. Auf mich hat einfach keiner aufgepasst. Mein Bruder hat studiert, meine Mutter war arbeiten. Mir war auch egal, wenn sie die Polizei gerufen hat, wenn ich nicht im letzten Bus saß.
Ich wusste aber immer, dass ich nach Hause kommen kann, auch wenn ich im Vollrausch meine Schuhe verloren hatte. Das war ihr immer das Wichtigste: Dass ich nach Hause komme und nicht irgendwo in der Ecke liege. Irgendwann hat sich das Blatt gewandelt und ich bin in die Eigenverantwortlichkeit gegangen, um meine Mutter zu entlasten. Ich habe plötzlich verstanden, wie anstrengend es für sie ist, nach meinen Abstürzen jede Stunde meinen Puls zu fühlen und morgens in der Praxis zu funktionieren.
Worin seid ihr euch ähnlich und was macht ihr ganz unterschiedlich?
Wir haben den gleichen Humor und können super zusammen lachen – aber auch heftig streiten, weil wir beide sehr dominant sind. Innerhalb von zwei Minuten sind wir beide auf 180 und sagen uns, was uns nervt. Danach ist aber auch gut und wir finden schnell wieder zueinander. Anderen Familienmitgliedern fällt, streiten und versöhnen nicht so leicht wie meiner Mutter und mir. Aber auch hier denke ich, dass wir das nur können, weil wir uns sehr lieben und vertrauen. Wir wissen, dass wir den anderen niemals verlieren.
Was bewunderst du an deiner Mutter?
Sie hat ihren Vater nie kennengelernt, ihre Mutter und ihr Mann haben sich das Leben genommen. Ihr wurde nichts im Leben geschenkt, sie hat sich alles selbst erarbeitet und wurde als alleinerziehende Frau oft benachteiligt. Mich hätten diese Lebenserfahrungen wahrscheinlich gebrochen oder bitter gemacht. Aber meine Mutter wächst immer wieder über sich selbst hinaus, ist für andere da. Sie zeigt mir, dass das Leben lebenswert ist und es sich lohnt, für die Dinge, die einem wichtig sind, zu kämpfen.
Wie anders ist deine Mutter als Großmutter?
Meine Mutter war nie eine typische Mutter und ist deshalb auch keine typische Großmutter, die mit einer karierten Schürze in der Küche steht und Schokoladentäfelchen aus der Rocktasche zaubert. Sie hat einen besonderen Umgang mit meiner Tochter, die sie auch nicht „Oma“ oder „Omi“ nennt, sondern ihr einen eigenen Namen gegeben hat: „Amy“. Meine Mutter ist wie eine ältere Freundin: liebevoll, lustig und verspielt, aber sie braucht auch ganz viel ihren eigenen Space. Das respektieren wir.
Gibt es etwas, was du an deiner eigenen Mutter erst jetzt verstehst, seitdem du selbst Mutter bist?
Diese Sorgen, die man sich macht. Ich wünschte, ich hätte damals begriffen, dass meine Mutter mir nicht den Spaß verderben will, sondern sich Sorgen macht, ob ich die Nacht überlebe. Ich entschuldige mich bis heute immer wieder für das, was ich in der Pubertät veranstaltet habe.
Wann brauchst du deine Mutter am meisten?
Wenn ich an mir selbst zweifele, dann gibt sie mir das Gefühl, dass mein Standpunkt und ich okay sind. Abgesehen davon schätze ich ihren medizinischen Rat und ihre Lebenserfahrung mit fast 80. Sie hat 40 Jahre Frauen in jeder Lebenslage beraten und so viele Erfahrungen gemacht – es tut einfach immer wieder gut, ihre Einschätzung zu bestimmten Themen zu hören, weil sie dabei immer zuversichtlich ist.
Deine Mutter war sehr lange alleine, hat nun aber wieder einen neuen Partner. Für Kinder ist das manchmal seltsam, die eigenen Eltern wieder verliebt zu sehen. Wie war das für dich?
Das war so krass! Die beiden waren als Studenten zusammen, hatten sich 50 Jahre nicht gesehen und sich dann nur übers Telefonieren wieder ineinander verliebt. Die anderen Liebhaber meiner Mutter fand ich doof. Sie hat Männern zuliebe viele Kompromisse gemacht, mit denen ich als Tochter nicht einverstanden war. Ihr jetziger Partner fühlt sich an, als wäre er immer schon ein Teil unserer Familie gewesen – irgendwie war er das auch, weil meine Mutter ihn nie vergessen hat. Die Kinder nennen ihn alle „Opa“. Er macht meine Mutter so glücklich, wie ich sie noch nie gesehen habe. Das hat mich anfangs kurz irritiert, weil ich natürlich dachte, dass mein Vater die große Liebe meiner Mutter war. Aber wenn man Glück hat, gibt es im Leben eben mehrere große Lieben. Und dieses Glück gönne ich meiner Mutter jetzt von ganzem Herzen.
Was wünschst du dir für deine Mutter?
Zeit, um noch länger glücklich zu sein. Niemand hat es so verdient wie sie.
„MOHN UND REGEN – Wie die Reise mit meiner Mutter zu mir selbst führte“ von Alexa von Heiden könnt ihr HIER bestellen
5 comments
Interessantes Thema, aber der letzte Satz hat mich sehr irritiert. „Niemand hat es so verdient wie sie.“ Warum glaubt die Autorin, dass einzelne Menschen es MEHR verdient haben als andere, glücklich zu sein? Und muss man sich Glück überhaupt „verdienen“? Seltsame Einstellung…
Endlich mal ein doppelt positiver Beitrag: 1.) nachträgliche Erkenntnis/Einsicht und 2.) „alleinerziehend“ kann es „Frau“ trotzdem gelingen, eine positive Kindheit zu gestalten – trotz der beschriebenen „Hindernisse“.
Gefällt mir viel besser, als die vielen „Jammern auf hohem Niveau-Beiträge“ und ist hoffentlich ein Anreiz für andere, ebenfalls „anzupacken“ und selbst das Geschick für die eigene Familie in die Hand zu nehmen. Mit etwas mehr Erläuterung wird es dann hoffentlich auch nicht so rebellisch wie hier beschrieben.
Holger
Von schweren Zeiten zu berichten, die wir übrigens ALLE mal haben, ist nicht jammern! Und das klingt jetzt bei Ihnen ein wenig nach männlicher Relativierung (nicht schlimm Frau und Kind zu verlassen heutzutage kümmert sich die Gesellschaft, gibt’s Unterstützung…)? Zumal ja offensichtlich nicht so positiv gelungen ist die Jugend ( trotz Bemühung der Mutter hatte die Tochter mehr als die üblichen Teenie- Probleme).
Ach Silvia, warum immer diese „Stutenbissigkeit“ gegenüber anderen Frauen? Die Tochter hat (zumindest so wie ich es lese) im Artikel ja klar ausgesagt, dass sie erst (zu) spät erkannt hat, was die Mutter den Kindern ermöglicht hat UND dass diese immer wieder geholfen und unterstützt hat. In meinen Augen bewundernswert, ich würde bei meinen Kindern (spätestens beim 3. derartigen Vorfall) wohl anders reagieren.
Und wo Sie den Rest herfantasiert haben, wundert mich noch mehr….ich dachte bei Jammern eher so an Aussagen wie: Huch auf dem Land ist es ja ländlich, ein Kind verändert ja das Leben als Paar, jetzt bin ich im Urlaub ja an die Schulferien gebunden, usw.
Das ist zwar alles so, aber dass sollte jede/r vorher wissen. Mein Leben als verheirateter Vater sieht natürlich auch ganz anders aus, als mein damaliges Single-Leben……da „jammere“ ich aber nicht drüber-dafür habe ich mich ja freiwillig (mit meiner Frau zusammen) entschieden!
Liebe/-r Chris, das ist doch nur eine Phrase, um zu verdeutlichen, wie stark diese oder jene Person es verdient hätte, lange noch etwas Bestimmtes zu haben. In dem Fall das gesunde Leben. Das hat nichts mit einer egoistischen Einstellung oder Ähnlichem zu tun. Einfach nur ein Satz, den jeder von uns im Leben gewiss schon einmal von sich gelassen hat. Immer diese Pickerei heutzutage. Sich gleich angegriffen fühlen oder in allem etwas Negatives sehen.