Ihr Lieben, bis Anfang diesen Jahres war in der Familie von Vicky alles okay, doch dann änderte sich alles. Ihr jüngster Sohn Finn ist in einem Zustand, den man „Minimales Bewusstsein“ nennt. Wenn man diesen Begriff googelt, wird er so erklärt: „Es bestehen ebenfalls schwere Schädigungen des Großhirns. Jedoch ist eine eindeutig nachweisbare, wenngleich auch sehr gering ausgeprägte, gezielte Reaktionsfähigkeit auf äußere Reize vorhanden. Dieser Zustand des minimalen Bewusstseins kann sich aus einem Wachkoma entwickeln.“ Was das genau bedeutet und wie die Familie mit diesem Schicksalsschlag umgeht, könnt ihr hier bei uns im Interview lesen.
Außerdem könnt ihr HIER (https://www.gofundme.com/f/bitte-helft-finn-und-seiner-familie) für die Familie spenden, denn sie braucht dringend ein behindertengerechtes Auto, um Finn transportieren zu können. Gerne könnt ihr auch via Paypal an Franz-viktoria@web.de spenden. Wir wünschen Finn und der ganzen Familie alles alles Liebe.
Liebe Vicky, du hast drei Söhne im Alter von 15, 14 und 7. Ende Januar hat sich Euer Leben schlagartig verändert, dein jüngster Sohn ist schwer erkrankt. Kannst du erzählen, was die ersten Symptome waren und wann ihr ins Krankenhaus gefahren seid?
Finni klagte am Freitag, 12.01.24, nach dem Aufstehen erstmals über Halsweh. Das war nicht weiter ungewöhnlich, zu der Zeit waren einfach so viele Menschen krank. Wir sagten ihm, er solle erstmal was Warmes trinken und schauen, ob es sich bessert. Er wollte dann auch unbedingt in die Schule gehen. An dem Tag war Sportunterricht, den hat er so geliebt.
Als er aber mittags aus der Schule kam, hatte Finn Fieber. Ich legte ihn mit einem kühlen Waschlappen ins Bett, er ruhte sich den ganzen Nachmittag aus. Ich dachte, es sei halt ein grippaler Infekt.
Am Samstag früh ging es ihm aber wesentlich schlechter. Er hustete, klagte über starke Halsschmerzen. Meine erste Vermutung, es handelte sich um Pseudokrupp, konnte ich schnell verwerfen. Dafür ging es ihm einfach „zu schlecht“. Am Abend entschieden wir uns, einen Arzt dazu zu rufen. Die 116117 hatte mich, nach 35 Minuten in der Warteschleife, sofort ins Krankenhaus verwiesen, nachdem der Herr hörte, wie Finni hustete und zudem immer wieder über Atemnot klagte. Also fuhr ich am Samstag Abend ins Krankenhaus in die Kindernotaufnahme.
Wie war die Situation in der Notaufnahme?
Die Notaufnahme war total überfüllt und es gab nur eine diensthabende Assistenzärztin. Ich wartete mehrere Stunden, Finni lag die ganze Zeit auf meinem Schoß. Erst, als er hustete und in dem Moment die Ärztin an uns vorbeilief, wurde sie auf seinen Zustand aufmerksam und bat uns endlich ins Behandlungszimmer. Dort wurde er abgehört, ihm wurde in den Hals geschaut und die Sättigung wurde gemessen. Diese war schwankend, pendelte sich aber immer wieder auf ein „Okay-Zustand“ ein. Die Ärztin stelle daraufhin die Diagnose „Pseudokrupp“, gab uns eine Kortisontablette (Zäpfchen waren keine verfügbar!!!) und Paracetamol.
An Pseudokrupp hast du aber nicht geglaubt…
Nein, ich hab schon im Behandlungszimmer die Diagnose in Frage gestellt. Ich sagte, dass er doch für Pseudokrupp eigentlich schon zu alt sei und dass ich bei allen Kindern Erfahrungen mit Pseudokrupp gemacht hatte und dass diese einfach anders waren. Finni war viel kränker. Wir wurden jedoch ohne weitere Untersuchungen oder Abstriche in der Früh zu Sonntag (ca. 2:30 Uhr) nach Hause geschickt mit dem Hinweis, wir könnten wiederkommen, wenn es ihm nicht besser ginge.
Finni weinte die ganze Fahrt über. Zuhause brachte ich ihn dann zu meinem Mann ins Bett. Ich selbst habe noch 1-2 Stunden auf der Couch geschlafen, da ich am Sonntag in der Früh zur Arbeit musste.
Wie ging es dann weiter?
Mein Mann rief mich dann am Vormittag an und meinte, er würde nochmal mit Finni ins Krankenhaus fahren, „Remmidemmi“ machen und auf genauere Untersuchungen pochen. Am Sonntag hatte dann der ärztliche Bereitschaftsdienst die Verantwortung. Diese Ärztin schlug erst eine nochmalige Gabe von Kortison vor und wollte dann ein Antibiotikum aufschreiben. Etwas verwundert, weshalb es ein Antibiotikum sein sollte, ohne weitere Untersuchungen, pochten wir dann auf Abstriche bzw. eine Blutuntersuchung. Nach einigen Diskussionen bekam Finni endlich die Blutentnahme.
Er klagte die ganze Zeit über über Atemnot. Im Wartezimmer hatte Finni dann den ersten schlimmen Hustenanfall, der ihm „die Luft abschnitt“. Wir haben ihn dann geschüttelt und gesagt, er solle weiter atmen. Nachdem die Krankenschwester uns daraufhin in ein anderes, ruhigeres Zimmer brachte, bekam Finni erneut einen Hustenanfall, aus welchen er nicht mehr rauskam. Er lief blau an, strampelte mit Armen und Beinen. Mein Mann trug ihn in den Flur. Als wir merkten, dass das richtig ernst wird, fing ich an zu schreien und bat um Hilfe.
Mein Mann brachte Finni noch in den Behandlungsraum, in welchem dann schon der Notfall-Alarm ausgelöst wurde. Finni ist in den Armen meines Mannes erstickt. Sofort fing die Reanimation an. Die Ärztin, die noch eine halbe Stunde vorher Antibiotikum verschreiben wollte, musste dann eine Herzmassage bei unserem Sohn machen. Es kamen immer mehr Ärzte angerannt. Es war wie im Film. Nach entsetzlich langen 10 Minuten dann die erlösende Nachricht: Finnis Herz schlug wieder. Er wurde intubiert und kam sofort ins Ct. Durch das CT stellte man eine massive Lungenentzündung fest. Der rechte Lungenflügel war bereits kollabiert. Vermutlich hatte sich aus dieser entzündeten Lunge ein Schleimpfropf gelöst und ist in den oberen Atemwegen stecken geblieben. Finni konnte also weder ein- noch ausatmen.
Zu der Lungenentzündung kam eine Infektion aus Influenze A, Streptokokken und Staphylokokken. All das, was man mit einer Blutabnahme und einem Röntgenbild hätte herausfinden können. Finni kam anschließend auf die Intensivstation und wurde in einen künstlichen Tiefschlaf gelegt. Zu all dem Übel gesellte sich ein Status Epilepticus dazu, den die Ärzte erst nach 36 Stunden durchbrechen konnten. Dadurch, und durch den Sauerstoffmangel während der Reanimation, hat Finni deutliche Schäden am Hirn davon getragen.
Beschreib mal, wie es Finn momentan geht.
Als das künstliche Koma langsam zurück gefahren wurde, ist Finni einfach nicht mehr richtig wach geworden. Wir wurden nach drei Wochen auf die Früh-Reha verlegt, auf der wir nach wie vor sind.
Gibt es Prognosen, wie sich Finn weiter entwickeln wird? Seht ihr Fortschritte?
Finni ist mittlerweile zwar „wach“, jedoch nennt sich sein Zustand „Zustand minimalen Bewusstseins“. Er bekommt schon viel mit, reagiert auf Gehörtes, auf kalt und warm, auf Schmerz, auf Unwohlsein, er äußert Panik und Angst. Jedoch kann er sich nicht richtig bewegen. Sein Bewegungszentrum im Gehirn hat massiv gelitten. Dadurch hat sich eine Spastik an allen vier Extremitäten entwickelt.
Er kann nicht sprechen, versucht aber langsam, mit uns irgendwie zu kommunizieren. Er lacht ab und zu. Wir dürfen winzig kleine Mengen zu essen geben, die Hauptnahrung läuft über eine Magensonde. Prognosen werden hier eher zurückhaltend gemacht. Die Ärzte können es schlichtweg nicht, denn ein Hirnschaden ist sehr individuell. Wir hoffen einfach, dass sich diese junge, eigentlich kerngesunde, kleine Kerl, besser erholt als vermutet.
Nun gibt es ja noch zwei große Brüder, wie gehen sie damit um?
Die großen Brüder haben es auch schwer. Klar, der kleine Bruder war oft nervig. Aber jetzt ist er schon seit einem halben Jahr weg. Und die zwei wissen, dass er vermutlich nie mehr „der Alte“ wird. Sie leider darunter sehr; beide auf eine andere Art und Weise. Die Pubertät kommt natürlich auch noch dazu. Die zwei sind fast 14 und 16.
Und was macht die Situation mit der Partnerschaft?
Für die Partnerschaft ist es eine krasse Herausforderung. Die Nerven liegen blank, man ist gereizt, man ist traurig. Wir vermissen den Finni so sehr. Die quälende Ungewissheit, wie sich alles entwickelt, zehrt sehr an unseren Nerven. Aber wir hoffen, dass wir das zusammen durchstehen
Du hast auf deinem Instagram-Profil ein Bild von den matschverschmierten Schuhen von Finn, die er an dem Tag getragen hat. Fühlt sich das bei solchen alltäglichen Sachen immer noch an wie ein böser Albtraum oder hast du die Situation schon richtig realisiert?
Die erwähnten Erinnerungen tun sehr weh. Alles im Haus erinnert uns an den Finni. Er steckt in jeder Ecke, in jeder Schublade, in jedem Schrank, an jeder Wand… Und es ist so ruhig, so einsam ohne ihn. Er fehlt so sehr. Langsam realisieren wir schon, dass dieser Alptraum nicht einfach zu Ende sein wird. Aber wir geben die Hoffnung nicht auf, dass sich Finni besser erholen wird, als es vielleicht aktuell den Anschein macht.
Wie geht es dir generell? Hast du Unterstützung von Freunden/Familie?
Mit geht es aktuell etwas besser. Wir haben tolle Freunde, die uns sehr unterstützen, auch der Rückhalt aus unserer Gemeinde ist sagenhaft. Unsere direkten Nachbarn und unser Vermieter helfen, wo sie können. Das tut gut.
Mittlerweile habe ich mich dazu durchgerungen, medikamentös einzugreifen. Ich nehme seit ca. 2 Wochen einen Antidepressivum, damit das Loch, in dem ich fest stecke, nicht ganz so tief und düster ist. Es verging seit dem 14.1.24 kein einziger Tag, an dem ich nicht geweint habe. An manchen Tagen habe ich nur noch geweint und keinen Ausweg mehr gesehen. Das waren dann auch Augenblicke, die die Ärzte und Pflegekräfte hellhörig werden ließen und im Gespräch mit mir darauf hingewiesen wurde, dass sich Hilfe holen nicht schlimm ist. Und nun habe ich das in Anspruch genommen. Seither kann ich nicht mehr weinen. Ich hoffe, das pendelt sich wieder ein. Denn gar nicht mehr weinen, ist auch nicht gut.
Erzähl uns bitte noch mehr über Finn. Was für ein Junge ist er?
Finni ist unser Sonnenschein. Unser Nesthäkchen. Unser Baby. Mein Baby. Meine große Liebe. Finni und ich haben ein ganz besonders enges Band. Finni ist wie mein Schatten. Überall war er dabei. Er ist schlau, sensibel, mutig und schüchtern zugleich, wissbegierig, immer für Abenteuer gut. Finni ist ein toller Begleiter. Ich liebe ihn bis zum Mond und zum Universum und wieder zurück.
Kein Tag konnte beginnen, ohne dass wir uns abgeknutscht haben. Genauso konnte kein Tag enden ohne zu knutschen. Finni ist eine ganz liebe Seele, tut keiner Fliege was zuleide; liebt Tiere, liebt Dinosaurier über alles, liebt Nutella und die Bücherei. Liebt vorlesen. Er liebt die Schule. Das Lernen. Finni ist einfach Finni. Meine ganz große Liebe.
5 comments
Das Schicksal von Finni und seiner Familie berührt mich tief. Ich wünsche euch, dass ihr mit Finni ein kleines oder größeres Wunder erlebt und ihn wiederentdecken könnt!
Möchte euch irgendwie wissen lassen, dass ich alle Gefühle, die ihr gerade vielleicht habt, komplett verstehen kann und euch bestimmt viele, die das hier lesen, irgendwie aus der Ferne Beistand leisten wollen! Wir sind alle bei euch. Denke immer wieder an euch und hoffe so sehr das Beste
Hallo, die Geschichte hat mich sehr berührt, das ist ja eine Horrorvorstellung als Eltern in eine solche Situation zu kommen! Da denkt man, seinem Kind wird geholfen und dann eskaliert das so. Können da eigentlich Schadensersatzansprüche und Schmerzensgeld geltend gemacht werden? Ich weiß, das ist nur Geld, aber vielleicht hilft das der Familie ja weiter? Alles, alles Gute!
Das ist eine Kette von klaren Kunstfehlern, die mich sprachlos machen und die dazu führen müssen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Nehmt euch einen Anwalt und klagt, davon wird euer geliebtes Kind zwar nicht wieder gesund, aber mögliche finanzielle Belastungen werden wenigstens etwas abgemildert. Ich bin Ärztin und fassungslos, wenn ich das lese.
Wie furchtbar. Ich konnte es kaum lesen. Das Schlimmste ist, daß es hätte verhindert werden können, wäre unser Gesundheitssystem nicht so überlastet. Mehrere Stunden warten in der Notaufnahme sind ja mittlerweile normal. Dann ist es auch keine Notaufnahme mehr. Aber was soll man tun als Eltern? Wegen Husten ruft man ja auch keinen Krankenwagen. Ich kann der Familie nur von Herzen alles Gute wünschen und Finni ganz fest die Daumen drücken, dass für ihn ein Wunder geschieht.