Migras gegen Rechtsruck: Wir überlegen, das Land zu verlassen

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Ihr Lieben, meine iranisch-deutsche Freundin aus Köln schickte mir am Wochenende folgenden Aufruf per WhatsApp. Wir kamen darüber in eine konstruktive Diskussion über den Rechtsruck der Gesellschaft und Rassismus in Deutschland, über Schubladen und über die unglückliche Einteilung in ein Wir (Migrant:innen) und ein Ihr (Deutsche). Wir teilen den Dialog mit euch, weil wir die Einblicke ganz spannend finden und will sie und ihr Mann wirklich schon überlegen, mit den Kindern ins Ausland zu gehen, sollte der Rechtsruck noch deutlicher werden… . Hier der Aufruf:

„Hallo du! Krisen, strukturelle Probleme, fehlende Infrastrukturen in den Kommunen, aufsteigende Rechte und Rechtsextreme. Und wen (oder was) macht die Politik dafür verantwortlich? Migration, Migration und Migration. Statt anzupacken und Lösungen zu finden, werden wir Migras zu Sündenböcken gemacht für alles, was in diesem Land schiefgeht.

Ausgeblendet wird dabei der Fakt, dass wir ein Teil dieser Gesellschaft sind, die unsere Eltern, Opas und Omas mit aufgebaut haben und in der wir jetzt die Strukturen mittragen. Ohne uns funktioniert nichts. „Ich bin nicht euer Sündenbock” ist unsere Antwort. Wir wollen damit Sichtbarkeit schaffen für unsere Geschichten und Erfahrungen. Bist du dabei?

Unsere Botschaft richtet sich nicht nur an die Bundesregierung, sondern auch an alle Abgeordneten des Deutschen Bundestags. Wir sind hier. Wir gehören dazu. Und wir fordern, als das gesehen zu werden, was wir sind: Menschen mit einem Recht auf ein Leben in Respekt und Anerkennung, die eine zentrale Rolle in unserer Gesellschaft spielen. (…) #MigraStreik und #NotlageMenschlichkeit. (…) Lasst uns über das Wochenende die sozialen Medien mit unserer Botschaft überfluten und unseren Cause sichtbar machen. Danke fürs Mitmachen!“

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Ich schrieb daraufhin: Ich versteh den Ansatz, finde aber, es arbeitet noch mehr dieses „Wir gegen die“ raus. Und ich finde auch nicht, dass „die Politik“ die Migration für alles verantwortlich macht oder die Migras zu Sündenböcken für alles. Grüne oder SPD zum Beispiel nicht. Ich finde, man kann da was gegen AfD oder AfD-Wählende machen, aber nicht gegen die, die seit Jahren so viel auch für Refugees Welcome und Integration tun in ihrer politischen Verantwortung.

Sie erwiderte: Verstehe ich auch. Aber so fühlt es sich gerade für viele Menschen mit Migrationshintergrund an. Ich finde immer: wenn die Bewegung von den Betroffenen kommt, dann unterstütze ich das.

Ich: Aber ich find´s zu leicht, immer „die Politik“ zu haten. Es ist die Bevölkerung, die Stimmung macht, nicht die, die für ein gutes Zusammensein einstehen

Sie: Genauso wie mit dem Z- oder N Wort. Da gibt es auch Menschen, die sagen – totaler Quatsch! Ich sehe das nicht so. Ich bin aber nicht Betroffene. Und das Wir und das Ihr – das wird ja gerade in jeder Talkshow durchgenudelt. Wenn Migras jetzt aufstehen und sagen „Es reicht“, ist es eine gute Bewegung.

Ich hab Sorge, dass es die Fronten noch mehr verhärtet.

Ich glaube nicht. Aber ich verstehe was du meinst!

Ja, aber bitte nicht nur in Richtung Politik, sondern dann lieber in Richtung Gesellschaft. Ich stell gar nicht in Abrede, dass es mehr Sichtbarkeit braucht. Ich find nur den Adressaten schwierig in dem Fall.

Aber die Gesellschaft bekommt Aufwind. Wenn Merz und Söder Unwahrheiten behaupten, dann kommt es aus der Politik. Uns es sind ja nicht nur die beiden …

Aber es ist nicht „die Politik“, wenn zwei Einzelpolitiker das sagen. Die Politik, die gemacht wird, läuft bislang – von der Ampel aus – nicht gegen Migrant:innen. Ich bin da aber auch grad empfindlich, weil Politik so unfassbar viel Arbeit ist, weil sich so viele Menschen so sehr einsetzen für eine bessere Situation für die Menschen und weil sie dafür einfach nur Hate abbekommen, das finde ich nicht gerecht und nicht gerechtfertigt. In unserem Ortsverein ist fast die Hälfte der aktiven Mitglieder mit Migrationshintergrund, wir machen da Politik wirklich für alle (versuchen es zumindest).

Verstehe ich auch total. Aber – Merz und Söder laufen gerade auch durch alle Talkshows. Ich bin auf der anderen Seite so empfindlich, weil zu wenig Abgrenzung kommt. Nach außen hin. Ich weiß nicht, wie es intern läuft. Aber wie gesagt, ich verstehe deine Punkte auch total! Es geht ja auch um die Wahlen – nicht um einzelne – es geht auch um die AFD Wähler:innen. Und den immer stärkenden Rechtsdruck. Von denen wir uns nicht zu Sündenböcken machen lassen wollen… Ich finde die Bewegung gut. Laut zu sein – im Kollektiv. Und zu sagen: es reicht!

Ich mag einfach überhaupt keine Unterschiede machen, mag dieses einteilen in „Wir“ und „Ihr“ nicht, dafür sind wir hier doch viel zu multikulti. Ob Mann, ob Frau, ob dunkel, ob hell. Ich mag Menschlichkeit. Wenn die von jemandem kommt, mag ich die Person. Fertig. Mag dir aber die Unterstützung der Aktion nicht absprechen, nur erklären, warum ich mich damit schwertue.

Rechtsruck: Wir überlegen, das Land zu verlassen

Integration
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Ja! Ich mag das wir uns das ihr auch überhaupt nicht! Das ist auch nicht der richtige Weg. Aber das wird in der letzten Zeit immer mehr gemacht. Und darum – greifen Migras das jetzt selbst auf. ‚Wir‘ sind halt zu einem Immer größeren IHR geworden. Neulich sagte eine Dame zu mir: So Leute wie ihr seid ihr willkommen. Ich hab ihr dann gesagt, wie rassistisch das ist.

Ja, da sind wir ja exakt derselben Meinung. Weniger Wir/Ihr. Und deswegen tu ich mich schwer mit den Formulierungen des Aufrufs (vermutlich nicht mal mit dem Inhalt). Und es stimmt auch rein faktisch auch nicht, dass „die Politik“ „die Migrant:innen“ für „alles“ verantwortlich macht. Sie machen z.B. auch den Russlandangriff auf die Ukraine verantwortlich (für steigende Preise etwa). Muss natürlich zugespitzt formuliert werden, stimmt aber eben in meiner Wahrnehmung rein faktisch nicht.

Ich muss mich schnell fertig machen.

Alles gut. Ich finds total gut, dass wir darüber sprechen und uns austauschen können, wertvoll auch und konstruktiv!

Ich auch! Wir machen einen Blog: Schwarzkopf-Kartoffelmamas. Migra-BioDeutsche.

Dann teilen wir ja SCHON WIEDER auf. Müsste einfach „Wir: Zwei Muttis“ heißen. Aber die Leute brauchen ja Schubladen 😉

Leider ja. Mein Mann sucht wirklich schon nach Wohnungen für uns im Ausland. So geht es hier…

Schreib mir gern mal nen Blogbeitrag dazu.

Kann ich gerne machen…

Man könnte auch einfach unseren Dialog veröffentlichen.

Ja, finde ich gut. 

Volià, hier ist er.

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