Menerva Hammad: „Egal, wie wir ausschauen, wie alt wir sind – wir dürfen nicht aufgeben“

menerva autogramme

Ihr Lieben, Menerva Hammad lebt in Österreich, ist Mutter und Ehefrau, Bloggerin und Autorin. Wie wir arbeitet sie hauptsächlich von zu Hause aus und vereinbart Kindererziehung mit Haushalt und Arbeit. Sie sagt: "Kindererziehung IST auch Arbeit. Die schwierigste und am wenigsten anerkannte von allen."

In diesem Jahr ging nun endlich ihr Traum vom eigenen Buch in Erfüllung. In ihrem Werk "Wir treffen uns in der Mitte der Welt" (Affiliate Link) geht es um starke Frauen – und fehlende Akzeptanz. Wir haben mit ihr darüber gesprochen.

Liebe Menerva, schon immer war es dein Kindheitstraum, ein Buch zu schreiben, zehn Jahre lang hast du darauf hingearbeitet, nun hat es endlich geklappt – und du stehst sogar unter den TopTen der österreichischen Bestseller-Liste. Wie fühlt sich das für dich grad an? Und wie konnte es so weit kommen?

Menerva Hammad: Es fühlt sich ganz unglaublich an und ich bin noch dabei alles zu realisieren, was in den letzten Wochen passiert ist. Im Prinzip habe ich nichts Außergewöhnliches getan, ich habe einfach nicht aufgegeben.

Ich bin der Meinung, dass es keine Rolle spielt, wie wir ausschauen, wie alt wir sind, welche Mittel wir haben oder nicht, wir dürfen einfach nicht aufgeben. Die Buch-Idee ist mehrmals abgelehnt worden, ich habe wirklich gekämpft, damit dieses Werk ans Licht kommt und genau dort ist es jetzt – dort wo es hingehört.

Im Buch geht es um Menschen verschiedenster kultureller Hintergründe, du berichtest neben vielen anderen von einer Frau, die früher Genitalverstümmelungen vornahm und heute Sexualberatungen anbietet. Ein großer Bruch. Was hat dich diese Geschichte gelehrt?

Sie ist heute keine Sexualberaterin mehr, sondern schon vor Jahren gestorben, aber ja, sie hat ihre Lebensrichtung geändert und nur deswegen habe ich sie auch portraitiert. Was ich aus dieser Geschichte mitnehmen konnte ist, dass es zum Umdenken nie zu spät ist.

Und dass man sich von Zeit zu Zeit selbst unter die Lupe nehmen muss, die eigenen Gedanken ordnen, das eigene Leben und Handeln hinterfragen und bei Bedarf auch ändern, wenn man merkt, dass man in eine komplett falsche Richtung abgebogen ist.

Hast du dein Leben auch schon mal neu justiert?

Ja, das hab ich lernen müssen. Jeder Mensch hat Vorurteile und dann geht man durch das Leben, lernt Leute kennen, lernt alte Denkmuster zu verlernen, sich zu informieren, Erfahrungen zu sammeln und neu zu erlernen. Das passiert mir – und dafür bin ich dankbar – ständig. Ich möchte aus diesem Lernprozess gar nicht rauskommen.

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Dich scheinen besonders die biografischen Brüche zu interessieren, das Aufweichen von Klischeedenken. Du selbst möchtest auch nicht in eine Schublade gesteckt werden. Einige bezeichnen dich als Feministin…

Solche Bezeichnungen sind mir relativ egal. Es geht mir nicht um Labels, sondern ich habe eine Lebenseinstellung, die auf andere vielleicht feministisch wirkt, ja. Ich konzentriere mich auf meine Ziele, auf das Brückenbauen, auf die Kommunikation zwischen Menschen und vor allem unter Frauen, die normalerweise nicht zusammenkommen, sondern übereinander und nicht miteinander reden. DAS ist meine Passion.

Erzähl uns mal genauer, wie du deinen Glauben mit dem Feminismus vereinbarst.

Wie gesagt, ich vereinbare alles und nichts. Ich wache nicht jeden Tag auf und sage zu mir selbst „Ich bin Muslima und trage Kopftuch“. Wie vereinbaren andere den Minirock mit dem Feminismus oder Trachtenkleidung  und seit wann ist der Feminismus ein Kleidungsstück?

Ich weiß zwar, dass es nun sehr modern ist, T-Shirts zu tragen, auf denen feministische Aussagen gedruckt sind, aber mein Feminismus geht etwas tiefer als ein „Was trage ich heute und was sagt es aus“? Für mich ist das eine rein oberflächliche Debatte, die den Feminismus, der ja aus viel mehr als bloß aus Stoffen und deren vielen Interpretierungen besteht, ins Lächerliche zieht.

menerva hammad

In deinem Blog Hotel Mama schreibst du auch über die weibliche Sexualität. Wen erreichst du damit vor allem? Sind es Frauen, deren Kultur das Sprechen über Sexualität eher ausklammert und für die du ein Strohhalm in diese Welt sein kannst?

Ich erreiche damit Frauen allgemein. Es gibt keine Kultur, die das Sprechen über Sexualität nicht ausklammert. Nur macht das jede Gesellschaft ein wenig anders als die andere. Wenn es um die Information, die Bildung und das eigene Gespür geht, hinken alle hinten nach. Offen und ohne Tabus über diese wichtige Sache sprechen nur die wenigsten.

Auch in Österreich gibt es politisch gesehen ganz schöne Rechtstendenzen, spürst du das im Alltag und auf der Straße?

Ja, tue ich. Und es ist eine Schande, dass wir nicht weiter als 1938 gekommen sind, wenn wir schon so zivilisiert und gebildet tun, dann aber in dunklen Zeiten steckengeblieben sind.

Womit erklärst du dir den großen Erfolg deines Buches? Sind es – wie schön das wäre! – Menschen, die endlich ihre Vorurteile ablegen wollen?

Ich denke es ist die Neuheit, dass eine sichtbare Muslima nicht über Kopftuch und Islam schreibt, sondern einfach über Frauen. Wertlos. Es geht nicht darum, jemanden zu belehren, oder zu bashen, sondern einfach nur um das Menschliche. Und das vermisse ich gerade sehr – damit bin ich anscheinend nicht die Einzige.

Was genau möchtest du mit dem Buch, deinem Blog und deinen Auftritten am meisten erreichen?

Dass die unterschiedlichsten Frauen untereinander die Schuhe tauschen und ein wenig in fremden Schuhen laufen lernen.

 

hammad coverMenerva Hammad: Wir treffen uns in der Mitte der Welt. Von fehlender Akzeptanz in der Gesellschaft und starken Frauen. Braumüller. 22 Euro.

Fotos: ASMA AIAD

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