Ihr Lieben, wir möchte euch heute Natalie und Nicole vorstellen und falls ihr ihnen nicht längst bei Instagram folgt, möchten wir euch hier mal eine riesige Empfehlung aussprechen: Folgt Faces of Moms bei Instagram oder schaut mal auf ihrer Website vorbei. Wir haben die beiden Frauen hinter der Initiative zum Interview gebeten.
Ihr Lieben, ihr wollt gemeinsam für Gleichberechtigung und Care-Arbeit sensibilisieren. Wie kamt ihr darauf?
Das war eine Aneinanderreihung verschiedener Momente. Zum einen hat Natalie das Thema soziale Ungleichheit und Mutterschaft, die Rollenerwartungen, die gegenüber Müttern in unserer Gesellschaft herrschen als Promotionsthema schon vor Corona im Kopf gehabt. Unabhängig davon hatten wir uns dazu seit Längerem auch schon Gedanken gemacht und konkret an einem Interview-Konzept gearbeitet. Während Corona wurde das Thema in unserem Umfeld immer bewusster diskutiert und gesellschaftlich sowie auch politisch immer relevanter. Da wollten wir nicht länger warten und gingen innerhalb eines Wochenendes auf Instagram live.
Wie gleichberechtigt lebt ihr selbst und wie gesehen oder ungesehen fühlt ihr euch in eurer eigenen Care-Arbeit?
Wir beide versuchen gleichberechtigt zu leben. Wenn man gleichberechtigte Partner- und Elternschaft auf eine 50/50 Aufgabenteilung herunterbricht, gelingt uns das mehr oder weniger gut. Natalies Mann kocht jeden Tag, kümmert sich um den Einkauf und übernimmt genauso wie sie Aufgaben im Haushalt. In Bezug auf unsere Kinder leben wir beide aber das klassische Modell. Unsere Männer gehen beide Vollzeit arbeiten und wir sind hauptsächlich für die Kinder zuständig. In den ersten Jahren war das auch vollkommen okay für uns, jetzt versuchen wir uns aber neu zu strukturieren und auch die Kinderbetreuung besser zu verteilen, damit wir auch in unseren Jobs wieder mehr Präsenz zeigen können.
Es ist ein ständiges Diskutieren und Ausdifferenzieren, das kann schon auch mal anstrengend sein, aber es lohnt sich. Es ist wichtig, dass alle abgeholt werden, jede Meinung und jeder Wunsch ein Gehör bekommt und man zusammen austüftelt, wie es als Familie gelingen kann, „gleichberechtigt“ zu leben.
Gleichberechtigte Elternschaft ist immer auch ein individueller Deal. In Bezug auf den „Mental Load“ fühlen wir uns beide jedoch ungesehen. Es ist einfach nicht nur vormittags Kaffee trinken und mit Freundinnen ratschen. Es bedeutet so viel mehr. Arzttermine, Kindergarten-Elternabende, Fototermine, Geburtstage, Berichte schreiben und on top „facesofmoms“ mit jeweils zwei kleinen Kindern unter einen Hut zu bekommen, ist teilweise schon eine hohe Doppelbelastung.
Wichtig zu sagen ist in diesem Zusammenhang noch, dass es uns darum geht, für die vorherrschende Ungleichheit gegenüber Müttern und (unbezahlter) Care-Arbeit zu sensibilisieren, dass Mütter strukturell benachteiligt werden, egal welchen Weg sie als Mutter einschlagen. Dabei stellt sich eben die Frage, wie gleichberechtigt man in unserer Gesellschaft überhaupt Elternschaft leben kann, wenn ein Elternteil dabei von strukturellen Machthierarchen und Diskriminierungen betroffen ist.
Gleichberechtigung würde nämlich voraussetzen, dass beide Elternteile auch dieselben Chancen haben, die sie schlichtweg auch schon aus biologischer Sicht nicht haben können. (Dazu hat Jana Heinicke einen sehr wichtigen und klugen Post auf Instagram gemacht.)
Habt ihr das Gefühl, es wird mit wachsendem Alter der Kinder besser oder eher schlechter?
Wir haben schon das Gefühl, dass es mit wachsendem Alter der Kinder für uns als Mama „besser“ wird, im Sinne der Unabhängigkeit. Mit dem Abstillen der Kinder ist der Groschen gefallen und es gab von da an kein „natürliches“ Argument mehr dagegen, dass auch Papas für das Wohl des Kindes sorgen können. Auch unser Körper hat sich umgestellt, ist erholt von den Strapazen der Geburt und bereit für den nächsten Mädelsabend 😉
Hat euch das nach den Geburten überrascht, wie sehr man doch in alte, längst überholt geglaubte Rollen fallen kann?
Wir haben uns als Paar vor der Geburt unseres ersten Kindes ehrlich gesagt nicht viele Gedanken gemacht, wer was übernimmt und wer wann zuhause bleibt. Wir lebten in einer gleichberechtigten Partnerschaft, so das Gefühl vor der Geburt. Und das ist wirklich – mit Blick in die Vergangenheit – die größte Überraschung für mich. Für mich als Soziologin, die ständig mit dieser Thematik konfrontiert ist, kam erstmals auch keine andere Rollenverteilung in den Sinn.
Zusammenfassend können wir sagen, dass es für uns beide auch vollkommen okay war, zuhause zu bleiben, mit wachsendem Alter der Kinder jedoch mit unseren Männern neu verhandelt wird. Natalies Mann übernimmt jetzt schon einen großen Teil der Care-Arbeit. Bei Nicole ist eine Umstrukturierung berufsbedingt schwieriger. Da wird es zunächst das Modell Vater Vollzeit / Mutter Teilzeit bleiben. Aber auch das kann zur Zufriedenheit beider optimiert werden. Wir glauben, die Frage aller Fragen ist jedoch, warum man als Frau für die Entscheidung Kinder zu bekommen strukturell benachteiligt wird, und zwar egal, welchen Weg man wählt…
Was können wir ändern?
Frauen weltweit leisten Milliarden Stunden an unbezahlter Care-Arbeit. Die Folge sind Lohnlücken und eine unfaire Vermögensverteilung. Die aktuelle Analyse der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass es Frauen schon vor der Krise bis zu zwei Drittel ihres Lebenserwerbseinkommens gekostet hat, Mutter zu sein. Und genau das ist es, was wir unserer Meinung ändern müssen, dass man als Frau nicht strukturell benachteiligt wird, wenn man Mutter wird.
Eigentlich ist das System Familie Privatsache. Wir finden jedoch, dass das Private auch politisch diskutiert werden muss. Dass Väter gesetzlich Vaterschutz bekommen, weil es dann keine Ausreden mehr gibt. Schaffung lebensphasenorientierter und flexibler Arbeitszeitmodelle für Mütter und Väter bei einem Gehalt, das eine Familie ernähren kann. Frauen in Führungspositionen und weg vom männlichen Vollzeitmodell.
Die Abschaffung des klassischen Ehemodells und der finanziellen Abhängigkeit der Frau. Dass Mütter aufgrund ihrer Kinder nicht in die Altersarmut fallen. Auch in Bezug auf viele Alleinerziehende, die auch zum größten Teil nur Frauen sind. Ein Grundeinkommen für beide Elternteile während der Elternzeit, damit das Argument „Ich verdiene mehr“ nicht zieht. Der Ausbau einer FLEXIBLEN Kinderbetreuung. Dass Care-Arbeit wertschöpfende Arbeit ist. Und so könnte es weitergehen. Die Liste ist lang. Und die Ideen nicht sonderlich unrealistisch… Es müssen alle an einen Tisch. Arbeitgeber*innen, Mütter, Väter, Kinder, Politiker*innen, Alle*innen!!!!
Mit Faces of Moms gebt ihr nun bei Instagram Müttern eine Stimme, macht sie sichtbar, wie profitiert ihr selbst davon?
Unser Abendessen ist politischer geworden. Wir diskutieren über viele Themen, die auch in den Interviews präsent sind. Zudem haben wir die Möglichkeit tolle neue Menschen kennenzulernen, viele neue Kooperationen einzugehen, unser Wissen und unsere Fähigkeiten zu teilen und sogar bald ein Buch zu veröffentlichen, worüber wir uns sehr freuen! Es ist zwar viel unentgeltliche Arbeit, die wir hier (wieder mal) leisten, jedoch ist es die Sache zu 100% wert.
Was wünscht ihr euch für die Zukunft von Müttern in Deutschland?
In erster Linie ist es unser größter Wunsch, dass es, egal für welches Modell man sich entscheidet, nicht sein kann, dass Frauen qua Geburt ihres Kindes benachteiligt werden. Das kann und wollen wir nicht akzeptieren und das kann auch keine Gesellschaft wollen. Wir erleben immer noch, dass es vielen gar nicht bewusst ist, wie wichtig und systemrelevant Care-Arbeit ist. „Wir müssen diese Tätigkeiten endlich als wertschöpfende Arbeit anerkennen und nicht als romantisierte Privatangelegenheit.“ (Zitat Sonja Bastin und Katharina Lutz via Edition F)
2 comments
In einem Punkt hat K total recht, finde ich! Ein Teil der Gleichberechtigungs-/MentalLoad/Mütter-müssen-immer-alles-machen-Problematik liegt auch darin, dass man den Kindern nichts zutraut und ihnen nicht mal die Verantwortung für ihren Sportbeutel überlässt?!
Das Traurige ist ja, dass es das schon einmal ganz selbstverständlich gab: Mütter und Väter aktiv in die Kindererziehung eingebunden und eben auch aktiv in die Beschaffung des Familieneinkommens. Das Ganze unterlegt mit zuverlässiger Kinderbetreuung, die auch die Kinder gefördert hat, sowie der Blick aufs Kind, als selbständiges Wesen. Das alles hat ja auch funktioniert, ich bin selber so aufgewachsen, mein Mann auch. Da mussten die Kinder ab einem gewissen Alter ganz selbstverständlich auch im Haushalt mit ran, Jungen genauso wie Mädchen. Der Abwasch war ab der 2. Klasse meine erste Aufgabe, wenn ich aus der Schule kam, mein Mann hat in dem Alter schon den Ofen angeheizt, damit die Wohnung warm war, wenn seine Eltern mit der kleinen Schwester nach Hause kamen. Wir sind nicht vernachlässigt worden, aber Ende der 80iger Anfang der 90iger Jahre hätte es für viele Familien in den „Neuen Bundesländern“ nicht anders funktioniert. Daher ist die Aufteilung des Haushaltes und der Kinder für uns intern gar kein großes Streitthema. Wir werden extern daran behindert, weil eben doch blöd geschaut wird, wenn der Papa „Kind krank“ ist. Ich frage mich, warum das so ist? Warum konnte nicht das Familienbild der „Neuen Bundesländer“ in den letzten 30 Jahren einfach bleiben? Warum müssen wir jetzt für etwas kämpfen, was für unsere Eltern selbstverständlich war? Warum wird man von Leuten komisch angeschaut, wenn sie wissen, dass der Viertklässler mit seiner Erstklässler Schwester mit dem Schlüssel nach Hause kommt und wir dann eine Stunde später? Wo das doch in unserer Kindheit völlig normal war? Wo es auch unseren Kindern heute gefällt? Warum müssen das so viele Familien „still und heimlich“ machen? Denn wenn man davon erzählt, dann erfährt man, dass es viele Familien doch ähnlich machen. Bzw. überlegen es so zu machen? Was ich sagen will, zur Gleichberechtigung innerhalb einer Familie zählt auch der Blick auf jedes Mitglied, was kann es schon, wer kann was machen? Denn wenn wir Mütter alles immer alleine machen und jeden Schritt der Kinder auch im Grundschulalter begleiten und unseren Söhnen alles bereit legen, werden unsere Töchter in 20 Jahren noch kämpfen.