Ihr Lieben, manchmal stoßen wir über Social Media auf Familien, die uns ganz doll berühren. So auch auch auf Betül, die ihr auf Instagram unter @halilswelt finden könnt. Ihr Sohn hat das MCAP-Syndrom, das ist eine äußerst seltene Erkrankung, die die Familie vor viele Herausforderungen stellt. Wir haben Betül dazu befragt.
Ihr Lieben, erzählt doch erstmal, wer alles zu eurer Familie gehört.
Zu unserer kleinen Familie gehören mein Mann Ömer (29), der bei Daimler arbeitet, ich – Betül (27), gelernte Erzieherin und aktuell in Elternzeit – und unsere zwei wundervollen Söhne: Hamza (3 Jahre alt) und Halil, der vor kurzem 9 Monate alt geworden ist. Wir leben in Fellbach bei Stuttgart und versuchen jeden Tag mit viel Liebe, Geduld und Zusammenhalt unseren Familienalltag zu meistern.
Euer neun Monate alter Sohn Halil hat eine seltene Erkrankung. Wie ist die Schwangerschaft und Geburt verlaufen?
Die Schwangerschaft mit Halil verlief größtenteils unauffällig. Erst beim letzten großen Ultraschall wurde auffällig viel Fruchtwasser festgestellt und sein Kopfumfang war etwas zu groß. Daraufhin wurde ich zur Feindiagnostik geschickt, wo auch eine singuläre Nabelschnurarterie festgestellt wurde und ein Verdacht auf Schwangerschaftsdiabetes – dieser bestätigte sich aber nicht.
Die Geburt selbst verlief unter Einleitung und zog sich zunächst etwas, aber plötzlich ging alles sehr schnell. Trotz dieser kleinen Besonderheiten hatte damals niemand den Verdacht auf etwas Ernstes. Dass Halil eine seltene genetische Erkrankung hat, wussten wir zu diesem Zeitpunkt nicht.
Welche Erkrankung hat euer Kind genau und was bedeutet das für euer Kind?
Halil hat das seltene MCAP-Syndrom (Megalencephaly-Capillary Malformation Syndrome), eine genetische Erkrankung, die nur sehr wenige Menschen betrifft. Sie äußert sich unter anderem durch einen vergrößerten Kopfumfang, Muskelhypotonie, Entwicklungsverzögerungen und körperliche Auffälligkeiten wie z. B. eine Vierfingerfurche.
Was das für Halil genau bedeutet, ist schwer vorherzusagen, da das Syndrom sehr individuell verläuft. Manche Kinder sind stärker betroffen, andere weniger. Für Halil heißt das, dass er in vielen Bereichen mehr Zeit und gezielte Förderung braucht, um sich zu entwickeln. Zusätzlich wurde bei Halil eine Veränderung im *PCDH15-Gen* festgestellt, das mit Hörverlust in Verbindung steht. Auch hierzu stehen noch weitere Untersuchungen an, um die genaue Ausprägung besser einschätzen zu können. Wir begleiten ihn mit ganz viel Liebe, Geduld und Hoffnung auf seinem ganz eigenen Weg.
Das heißt, es gibt keinerlei Prognosen, wie sich Halil entwickeln wird?
Klare Prognosen gibt es leider nicht, da das MCAP-Syndrom sehr selten ist und von Kind zu Kind unterschiedlich verläuft. Es gibt kaum Erfahrungswerte oder vergleichbare Fälle, an denen man sich orientieren könnte. Das macht es natürlich nicht leicht, weil man ständig zwischen Hoffnung, Unsicherheit und vielen Fragen steht.
Wir versuchen, uns von Tag zu Tag zu orientieren und Halil bestmöglich zu fördern – in seinem eigenen Tempo, mit allem, was er braucht. Er zeigt uns jeden Tag, wie stark er ist. Und wir glauben fest daran, dass er seinen Weg gehen wird – auf seine ganz eigene Art.
Was hat die Diagnose MCAP-Syndrom mit euch Eltern gemacht?
Die Diagnose war für uns ein Schock. Dieser Moment verändert einfach alles. Vor allem für mich als Mutter war es sehr schwer – ich hatte eine psychische Krise, die ich lange nicht in den Griff bekommen habe. Ich habe mich zurückgezogen, Ärzte gemieden, weil ich das Gefühl hatte, dass mir sowieso niemand wirklich helfen kann.
Gleichzeitig war da auch die Sorge um unseren älteren Sohn Hamza. Die Angst, ihm nicht mehr gerecht werden zu können, weil so viel Kraft und Aufmerksamkeit in Halils Versorgung fließt. Man stellt sich Fragen wie: Werde ich mit ihm jemals wieder unbeschwert Dinge unternehmen können? Es war und ist ein Prozess, mit dieser neuen Realität umzugehen. Aber Stück für Stück lernen wir, unseren Weg als Familie zu finden – mit all seinen Herausforderungen, aber auch mit vielen kleinen, kostbaren Momenten.
Wie geht denn euer großer Sohn Hamza mit dem kleinen Bruder um?
Hamza ist ein ganz besonderer großer Bruder. Trotz seines jungen Alters zeigt er eine erstaunliche Empathie und Fürsorge für Halil. Er spürt genau, dass sein kleiner Bruder mehr Unterstützung braucht, und begegnet ihm mit so viel Liebe und Geduld.
Natürlich gibt es auch Momente, in denen er mehr Aufmerksamkeit einfordert oder traurig ist, wenn er zurückstecken muss – was absolut verständlich ist. Aber er fragt oft nach Halil, möchte ihn zum Lachen bringen, hilft beim Füttern oder bringt ihm ein Spielzeug.
Für uns als Eltern ist es wunderschön und berührend zu sehen, wie viel Herzenswärme und Verständnis in einem so kleinen Menschen steckt. Wir hoffen, dass die beiden Brüder trotz allem eine enge Verbindung aufbauen, die sie ein Leben lang begleitet.
Wo holt ihr Eltern euch Kraft für den Alltag her?
Unsere größte Kraftquelle sind unsere Kinder. Halils Lächeln, seine kleinen Fortschritte, Hamzas Liebe zu seinem Bruder – das gibt uns so viel. Auch wenn die Tage manchmal schwer und überfordernd sind, erinnern uns genau diese Momente daran, wofür wir kämpfen.
Wir schöpfen auch Kraft aus dem Glauben, aus gegenseitigem Halt in unserer Ehe und durch einzelne Freundschaften, die wirklich da sind – ohne viele Worte, einfach mit Verständnis.
Manchmal reicht es auch, kurz durchzuatmen, sich ehrlich einzugestehen, dass es gerade schwer ist, und trotzdem weiterzumachen. Weil man es für die Kinder macht. Weil man weiß: sie brauchen uns. Und weil man sich immer wieder selbst daran erinnert, wie stark man eigentlich ist – auch wenn man sich nicht immer so fühlt.
Was sind die ganz besonderen Herausforderungen in eurem Alltag?
Die größten Herausforderungen liegen aktuell im täglichen Spagat zwischen Halils besonderen Bedürfnissen und denen von Hamza. Halil hat viele Termine – Therapien, Arztbesuche, laufende Untersuchungen – und braucht unsere volle Aufmerksamkeit. Gleichzeitig möchten wir Hamza nicht das Gefühl geben, dass er hinten ansteht.
Dazu kommt der ganze organisatorische Aufwand: Anträge stellen, Unterlagen sammeln, mit Behörden kommunizieren – das ist oft ein nervenaufreibender und langwieriger Prozess, der zusätzlich Kraft kostet. Man hat so viele Aufgaben im Kopf, dass man oft gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Und trotzdem läuft der Alltag weiter – mit Haushalt, Verpflichtungen und der Verantwortung für zwei Kinder. Es ist viel, manchmal zu viel. Aber genau darin liegt auch unsere Stärke: Wir machen weiter, weil wir wissen, wofür wir es tun.
Was wünscht ihr euch für die Zukunft?
Für die Zukunft wünschen wir uns vor allem Gesundheit, Liebe und Stabilität für unsere Familie. Wir wünschen uns, dass Halil sich bestmöglich entwickeln kann – in seinem eigenen Tempo, mit all der Unterstützung, die er braucht, und mit einem Umfeld, das ihn so annimmt, wie er ist.
Für Hamza wünschen wir uns, dass er sich weiterhin frei entfalten darf und sich immer geliebt und gesehen fühlt – auch wenn unser Alltag manchmal turbulent ist.
Und für uns als Eltern wünschen wir uns Kraft, Vertrauen und die richtige Begleitung auf unserem Weg. Dass wir immer wieder Menschen begegnen, die uns verstehen, an uns glauben und uns daran erinnern, dass wir nicht allein sind. Unser größter Wunsch ist, dass unsere Kinder ein glückliches Leben führen dürfen – mit allen Höhen und Tiefen, aber vor allem mit ganz viel Liebe.