Eine Mutter erzählt: So haben wir die Magersucht unserer Tochter bekämpft

Magersucht

Ihr Lieben, für die Eltern ist das ein schwerer Schlag: Das Kind hört einfach auf zu essen, nimmt immer mehr ab und gerät in die Magersucht. Genau das hat unsere Leserin Mira erlebt, ihre Tochter war erst zehn Jahre alt, als die Krankheit auftrat. Heute geht es der Tochter wieder gut, das liegt auch daran, dass Mira schnell Hilfe gefunden hat. Davon erzählt sie hier heute.

Liebe Mira, deine Tochter erkrankte nach dem Lockdown 2020 an Magersucht. Sie war damals erst 10 Jahre alt. Kannst du uns davon erzählen, wie die Magersucht angefangen hat?

Unsere Tochter hat immer ungezwungen und mit Freude gegessen. Essen war bei uns nie ein Problemthema, sondern mit Freude am Genuss verbunden. Ende Juni, Anfang Juli merkte ich dann aber, dass ihre Gedanken zunehmend um ihre Figur und ihr Äußeres kreisten. An Magersucht dachte ich damals noch nicht, aber ich nahm es ernst und sprach sie vorsichtig darauf an.

Ich sagte ihr, dass es unsere Aufgabe als Eltern sei, auf eine ausgewogene Ernährung zu achten und dass sie sich selbst keinerlei Gedanken machen müsse. Sie wirkte in dem Moment sehr erleichtert und ich ging mit einem guten Gefühl aus dem Gespräch. Dass sie keine vier Wochen später sogar Wasser verweigern würde, damit hätte ich nie gerechnet. Sie aß damals noch alles. Später hat sie uns gebeichtet, dass sie bereits im Mai angefangen hatte, in der Schule immer weniger zu essen und die Mahlzeiten dort schließlich ganz einzustellen. Zwar hatten wir bemerkt, dass sie schmaler geworden war, aber einen Wachstumsschub vermutet. 

Wann habt ihr euch das erste Mal gedacht: Ok, hier stimmt was ganz und gar nicht mehr?

Nach einer Magen-Darm-Grippe Mitte Juli war unsere Tochter wie ausgewechselt. Das sonst so lebenslustige Mädchen war nur noch ein Schatten ihrer selbst und wich kaum noch von unserer Seite. Sie wollte plötzlich alle Mahlzeiten kontrollieren und war darauf bedacht, dass alle um sie herum aßen, während sie nur Spatzenportionen zu sich nahm. Selbst ein Glas Wasser führte plötzlich zu Widerstand. Wasser!

Hinzu kam ein zunehmender Bewegungsdrang. Der ging sogar so weit, dass sie bei Brettspielen zwischendurch aufstand und heimlich im Flur Situps machte. Als wir das entdeckten, schrillten alle Alarmglocken und ich rief die BZgA an. Deren Beratungsstelle riet uns, sowohl nach ambulanter Hilfe Ausschau zu halten als auch schon mal bei Kliniken anzufragen. Ich habe das damals ganz nüchtern aufgenommen und gedacht: Ok, das ist jetzt also unser Leben. Wir tun, was wir tun müssen, um ihr zu helfen.

Als klar war, dass ihr externe Hilfe braucht – wie habt ihr da mit eurer Tochter gesprochen und wie hat sie reagiert?

Wir waren sehr vorsichtig. Man liest ja im Netz häufig die Ratschläge, die Beobachtungen und eigenen Sorgen zu äußern, aber dass man sich aus dem Essen heraushalten und Diskussionen um Mahlzeiten meiden solle. So las ich unter anderem: „Essen Sie notfalls getrennt.“ Und: „Geben Sie die Kontrollillusion auf.“

Zum Glück war unsere Tochter noch so jung, da kamen mir solche Tipps befremdlicher vor als sie es vielleicht getan hätten, wenn sie bereits 16 gewesen wäre. Trotzdem drängten wir sie anfangs kaum und vermieden sämtliche Gespräche übers Essen. Stattdessen versuchten wir ihr die Geborgenheit zu geben, die sie so sehr brauchte – in der Hoffnung, dass sie dann wieder essen würde. Das tat sie aber nicht oder zumindest kaum und auch nur zu den drei Hauptmahlzeiten. Wenn wir aber doch mal insistierten, ein Glas Wasser zu trinken oder wenigstens einen Keks zwischendurch zu naschen, dann tat sie das auch. Da merkten wir bereits, dass sie eigentlich schon essen wollte, aber irgendwas in ihr sie davon abhielt. 

Wir haben ihr dann gesagt, was wir beobachtet haben. Anschließend haben wir sie auf die Waage gestellt. Wir kannten ihr Ursprungsgewicht nicht, aber sie sagte uns, was sie Anfang Juli gewogen habe. Demnach waren vier Kilos weg. Ab da kontrollierten wir ihr Gewicht regelmäßig. Eine Woche später war ein weiteres Kilo verschwunden. Es ging plötzlich rasant schnell. 

Wo habt ihr euch dann externe Hilfe geholt? 

Nach dem Gespräch mit der Beratungsstelle vereinbarte ich einen Termin beim Kinderarzt und versuchte einen Verein vor Ort zu kontaktieren. Da Urlaubsphase war, erreichte ich aber niemanden, und auch auf den Kinderarzttermin mussten wir zwei Wochen warten, im Nachhinein ein Unding, schließlich hatte ich am Telefon auf den bedrohlich schnellen Gewichtsverlust hingewiesen.

Die Zeit überbrückte ich mit Online-Recherchen und der Suche nach Erfahrungsberichten. Nach einem furchtbar deprimierenden und hoffnungslosen Bericht auf der Internetseite eines großen Magazins stieß ich dann auf einen, der so ganz anders war. Der einen Ausweg aus der Krankheit aufzeigte. Das war das erste Mal, dass ich davon las, dass auch wir Eltern unserem kranken Kind helfen können. Dass wir nicht tatenlos beim Hungern zusehen müssen, bis irgendeine Einrichtung sich unserem Kind annehmen kann.

Es war das erste Mal, dass ich vom Family-Based Treatment (FBT) las. Anschließend googelte ich „FBT“ und „Deutschland“ und stieß auf eine laufende Studie der Berliner Charité, eine FBT-Therapeutin im Taunus, die dort involviert war, und auf das Elternnetzwerk Magersucht. In meiner Verzweiflung kontaktierte ich alle auf einmal. Als mir schon am nächsten Tag sowohl das Elternnetzwerk als auch die Therapeutin antworteten, musste ich erstmal vor Erleichterung weinen.

Endlich waren wir nicht mehr allein mit der Situation und hatten zumindest online Unterstützung. Der Besuch beim Kinderarzt wenige Tage später war hingegen wenig hilfreich und von Vorurteilen und offensichtlicher Unkenntnis über die Krankheit und die Therapiemöglichkeiten geprägt. Zum Glück hat uns das nicht von unserem Weg abgehalten. 

Was genau ist FBT? Und welche Therapien hatte deine Tochter?

Bei der familienbasierten Methode liegt der Fokus auf den Symptomen der Krankheit. Dabei werden drei Phasen unterschieden. Die Prio liegt auf einer schnellen Gewichtszunahme, damit das kranke Kind zügig aus dem gesundheitsschädigenden Untergewicht herauskommt.

In Phase 1 wird die komplette Verantwortung für das Essen auf die Eltern übertragen. Im Gegensatz zu traditionellen Behandlungsmethoden, die auf Krankheitseinsicht und Motivation setzen, können die Eltern somit sofort handeln und werden nicht von der Krankheit, die über das Kind herrscht, ausgebremst. Unter Anleitung der Eltern lernt das Kind in dieser Phase wieder alles zu essen, ohne Tabus und ohne Kalorienzählen. Außerdem sollen die Eltern alle anorektischen Verhaltensweisen unterbinden und sicherstellen, dass jede Mahlzeit auch wirklich komplett gegessen und anschließend nicht ausgespuckt oder abtrainiert wird.

Und was geschieht in Phase 2?

In Phase 2 bekommt das Kind Stück für Stück wieder Mitbestimmungsmöglichkeiten. Zum Beispiel, ob es heute Reis oder Nudeln gibt. Es lernt, sich selbst richtige Portionen auf den Teller zu tun. Und in Phase 3 können dann noch übrig gebliebenen Ängste und Problematiken behandelt werden, sofern noch welche vorhanden sind. In der ganzen Zeit wird die Familie von einem FBT-Therapeuten betreut. Eine zentrale Botschaft ist „state, not weight“: So lange anorektische Verhaltensweisen und Denkmuster noch da sind, ist das Kind nicht geheilt – ungeachtet vom Gewicht – und braucht noch Unterstützung. 

Wir selbst haben kein klassisches FBT gemacht, da unsere Tochter die Therapeutin abgelehnt hatte – sie war ja die böse Frau, die uns sagt, dass sie all die „bösen“ Sachen wieder essen muss – und wir daher nach ein paar Sitzungen nur noch lose über E-Mail in Kontakt blieben.

Wir haben aber mehrere FBT-Ratgeber unter anderem von Dr. Lauren Muhlheim, Eva Musby sowie Maria Ganci gelesen und einige der Elemente übernommen, zum Beispiel das schrittweise Vorgehen sowie das Externalisieren der Krankheit, wonach die Krankheit als Eindringling gesehen wird, der sich in unserer Tochter eingenistet hat und den wir nun gemeinsam durch Essen verdrängen müssen. Das klingt nach Voodoo, aber wir haben es wirklich so erlebt. Und das Beste: So hatten wir ein gemeinsames Feindbild – die Krankheit – und eine Waffe dagegen: Essen. 

Um die Krankheit zu verstehen, half mir auch das Buch „Decoding Anorexia“. Dort hat die Wissenschaftsjournalistin Carrie Arnold zahlreiche Studien zusammengetragen, die den Hintergründen der Krankheit auf den Grund gehen. So habe ich gelernt, dass betroffene Menschen oft eine genetische Veranlagung in sich tragen, dass ein Energiedefizit, schon eine geringe Abnahme durch Stress oder eine kurze Diät, die Krankheit auslösen kann und dass jeder Betroffene sein eigenes „Idealgewicht“ beziehungsweise Gewichtskorridor hat, in welchem er frei von dem Gedankenkarussell rund um Gewicht und Kalorien sein kann. 

Was hat dir in dieser Zeit geholfen?

Am allermeisten geholfen hat uns aber das Elternnetzwerk mit all seinen Informationen und dem virtuellen Beistand in schwierigen Situationen, und von denen gab es zahlreiche. Anfangs waren fast alle Tage rot, also schlimm, mit Tränen und Angst- sowie Wutausbrüchen, die es auszuhalten galt. Dann gab es immer mehr orangene oder auch grüne Tage, bis nach einiger Zeit fast alle Tage leuchtend grün waren. 

Im Dezember 2020 hatte ich nach wochenlanger Suche nach verfügbaren Therapeuten zusätzlich noch eine Verhaltenstherapeutin mit ins Boot geholt, mit der unsere Tochter über ihre Ängste und Sorgen sprechen konnte. Es zeigte sich aber schnell, dass so gut wie alle Ängste und auffälligen Verhaltensweisen mit der Gewichtszunahme verschwanden und diese allein durch das starke Untergewicht entstanden waren. Mit jedem Kilo kam Schritt für Schritt unsere fröhliche Tochter wieder zum Vorschein. 

Wie offen seid ihr mit der Krankheit umgegangen?

Recht offen. Wir haben Familie, Freunde und Nachbarn sowie die Schule eingeweiht. Letzteres war allein deshalb schon wichtig, da wir sie anfangs zum Mittagessen abholen mussten. Unserer Tochter haben wir in dieser Zeit immer wieder gesagt: „Vertrau uns, wir wissen, was du brauchst.“ Nicht alle Betroffenen hören gern, dass Essen ihre Medizin ist, aber unserer Tochter half diese Sichtweise, auch wenn sie dadurch nicht weniger Angst vor den Mahlzeiten und Snacks hatte.

Nicht oder nur die Hälfte zu essen, war aber keine Option, denn dann wäre die Angst geblieben. In einem Fachbeitrag über FBT habe ich diesen treffenden Vergleich gelesen: Bei Medikamenten gibt man ja auch nicht die halbe Dosis. Während der ganzen Zeit hat uns eine Kinderärztin betreut, zu der wir nach der Enttäuschung bei unserem früheren Kinderarzt gewechselt waren. Sie hat die Gesundheitswerte regelmäßig überprüft und unseren Weg unterstützt. Heute empfiehlt sie das Elternnetzwerk weiter.

Was waren deine größten Ängste?

Meine größte Angst war, dass wir in diesen Strudel aus Klinikaufenthalten, Rückkehr nach Hause und Rückfällen geraten, wie es ihn so oft in Deutschland gibt. Überhaupt die Vorstellung, unsere durch die Krankheit so verängstigte Tochter in eine Klinik geben zu müssen und sie dadurch vielleicht zu traumatisieren, hat uns Angst gemacht. Gleichzeitig hatte ich aber auch die Sorge, dass sich die Krankheit chronifiziert, wenn wir ihr nicht schnell genug helfen, und wir den Kampf gegen die Krankheit über kurz oder lang verlieren.

Zu der Zeit, als unsere Tochter krank war, kursierte ein Video auf Youtube über eine junge Frau, die – als junges Mädchen erkrankt – nach langjährigem Leiden an ihrer Magersucht verstorben war. Kurze Zeit später erschien dann noch ein Interview mit ihren Eltern, die letztlich all die Jahre hilflose Zuschauer waren, weil ihnen keiner gesagt hat, wie sie ihrer Tochter wirklich helfen können.

Zu sehen, wie das eigene Kind dabei ist, sich aufzulösen, nicht nur physisch, sondern auch psychisch, das war für mich das Schlimmste an dieser Anfangszeit. Ich bin sehr dankbar, dass wir so schnell aus der Misere herausgefunden haben, auch wenn das kein Spaziergang war. Die ersten Wochen fühlten sich eher wie ein düsterer Tunnel ohne Notausgang an, mit einem kleinen Hoffnungsschimmer am Ende. Aber dieser Hoffnungsschimmer wurde von Woche zu Woche heller und das half uns durchzuhalten.  

Magersucht

Wie geht es deiner Tochter heute? 

Richtig gut. Wir haben die Krankheit hinter uns gelassen, auch wenn wir manchmal noch über die Zeit sprechen. Sie isst wieder alles ganz selbstverständlich, egal ob vermeintlich „gesund“ oder „ungesund“. Wie es sich für Dreizehnjährige gehört, mag sie gern Chips, Burger, Eiscreme…

Unsere Unterstützung braucht sie dabei schon lange nicht mehr. Regelmäßige Mahlzeiten und Snacks sind nach wie vor wichtig, das weiß sie aber auch und sorgt selbst gut für sich. Nur hin und wieder kontrolliere ich noch Gewicht und Größe, denn sie holt nach wie vor Wachstum nach, da braucht es dann auch eine Zunahme. Aber das klappt zum Glück von allein – wie bei gesunden Kindern ja auch. Im Grunde haben wir unser altes Leben wieder. 

Du engagierst dich seitdem in dem Elternnetzwerk Magersucht. Was leistet dieser Verein?

Das Elternnetzwerk Magersucht, das uns damals geholfen hat, ist Anlaufstelle für Eltern, deren Kinder – damit meine ich auch Jugendliche und junge Erwachsene – an Magersucht erkrankt sind, aber auch für Fachleute, die an einer Elterneinbindung interessiert sind. Eine Hauptaufgabe sieht das Netzwerk darin, Eltern zu ermutigen, sich aktiv in den Genesungsprozess einzubringen. Das tut es über Informationen auf der Internetseite, einen Blog und über die von erfahrenen Eltern betreuten Chatgruppen, in denen Eltern fast rund um die Uhr Rat und Zuspruch finden.

Darüber hinaus ist das Netzwerk im Austausch mit Klinikleitern und Therapeuten, um Erfahrungen und Elternwünsche aus dem Netzwerk weiterzugeben und voneinander zu lernen. Auch Elternabende bietet der Verein an und Schulungen für Lehrkräfte und Sozialarbeiter. Dass der Bedarf an modernen, dezentralen und evidenzbasierten Behandlungskonzepten im deutschsprachigen Raum da ist, über die schnell gegen die Krankheit gegengesteuert werden kann, zeigt nicht zuletzt das Wachstum des Vereins.

Vor drei Jahren ist die erste Chat-Gruppe zum Erfahrungsaustausch gestartet, heute hat das Elternnetzwerk – ein Jahr nach offizieller Gründung – schon 325 Mitglieder in Deutschland, Österreich und in der Schweiz.

Was wünscht du dir für die Zukunft?

Dass wir in Deutschland Strukturen erhalten, die betroffene Familien von Anfang an umfassend – wo immer es geht – in der häuslichen Umgebung unterstützen. Natürlich gibt es auch Fälle und Familien, wo das nicht möglich ist. Denn es verlangt den Eltern und der Familie schon sehr viel ab. Zum Beispiel ist es in der Regel nötig, dass mindestens ein Elternteil seine Arbeitszeit reduziert oder sich gar ganz freistellen lässt, um wirklich rund um die Uhr für das kranke Kind da sein zu können.

Das bedeutet natürlich auch deutlich weniger Familieneinkommen, trotz Pflegegeld, das man beantragen kann. Eltern sollten aber grundsätzlich diese Option bekommen und weitreichende Unterstützung dabei erfahren. Wie oft habe ich mir eine Therapeutin vor Ort gewünscht, die einfach mal ein paar Stunden übernimmt und uns die Möglichkeit gibt, durchzuatmen. Die sich vor Ort ein Bild von der Situation macht und mit unserer Tochter Strategien entwickelt, wie sie mit ihrer Angst umgehen kann. Die einfach für uns da ist. Zum Glück gibt es auch in Deutschland allmählich Bewegung.

So wurde in Aachen zum Beispiel das Home Treatment (HoT) entwickelt, das nach kurzem Klinikaufenthalt auf eine ambulante Weiterbehandlung unter Einbeziehung der Eltern setzt. Ich wünsche mir mehr solcher Angebote und vor allem eine stärkere Berücksichtigung internationaler Erfahrungen und Forschungsergebnisse. Spaniens Kliniken beispielsweise binden die Eltern schon seit 30 Jahren in die Behandlung ein, mit umfassenden Angeboten. Von solchen Beispielen können wir hier in Deutschland noch lernen. 

Und was willst du allen Eltern sagen, die befürchten, dass ihr Kind in die Magersucht geraten könnte?

Bloß nicht zu lange warten und zuschauen. Wenn ein Verdacht vorliegt, dann meist nicht unbegründet. Ich wünschte, ich hätte schon Anfang Juli 2020, als ich das erste Mal einen Hauch von Verdacht hatte, angefangen, die sonst für sie üblichen Portionen und Snacks durchzusetzen und mich nicht mit so faulen Ausreden abspeisen lassen. Zudem rate ich dazu, Gewicht und Größe sowie die BMI-Perzentile in Abständen zu überprüfen.

Meine Kinder wiege ich inzwischen fast überwiegend blind. Gesunde Kinder interessieren sich meiner Erfahrung nach selten für ihr Gewicht. Und die Zahlen sollten für sie auch keine Rolle spielen. Und zu guter Letzt kann ich jedem nur ans Herz legen, sich mit seinen Bedenken ans Elternnetzwerk zu wenden. Hier erhält man schnell Informationen und hilfreiche Kontakte.  

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4 comments

  1. Super Artikel!
    Auch bei meiner Tochter fing es mit 10/11 Jahren an. Auslöser war ein Kommentar der damaligen Kinderärztin: Auf dein Gewicht musst aber jetzt dann auch schauen. Meine Tochter war nie dick, vielleicht etwas stärker zwischen den Wachstumsphasen. Als Baby wollten sie ihr Hormone geben – sie ist ja so klein und zart…

    Dann bekam sie Windpocken und nahm sicher 6kg davon ab. Sie war nur noch Haut und Knochen… der Kommentar von Verwandten und Bekannten: Mei, bist du jetzt aber schön dünn 🤦🏻‍♀️. Soweit hab ich mir keine Gedanken noch gemacht. Dann kamen keine Jausenboxen mehr nach Hause, zu Mittag wurden die Portionen kleiner und man sah, dass das Gewicht noch weiter runter ging. Eines Tages ging ich dann in ihr Zimmer um etwas zu holen. Da kam mir ein komischer Geruch entgegen. Sie hat ihre Jausenboxen im Zimmer versteckt und die gammelten vor sich hin. Hierzu kam dann, dass ich Verletzungen an ihr bemerkte. Sie ritze sich. Ihr Haare fielen aufgrund der Windpocken auch ein paar Wochen danach aus. Therapieplatz war mit ewig langen Wartezeiten verbunden. Ich habe großes Glück und eine Freundin (ihre ehemalige Lehrerin) die auch Psychologin ist. Mit ihr hatte ich (meine Tochter wollte absolut nicht) viele Gespräche. Bei allen Ideen die ich hatte, habe ich mich mit ihr zuvor unterhalten. Da meine Tochter absolut nicht ins Krankenhaus wollte, war das ein bisschen eine Hilfe. Ich habe ihr ein Gewichtsultimatum gestellt. Unter eine Grenze durfte sie nicht und es muss langsam wieder aufgebaut werden. Noch ein Vorteil war, sie wollte einen größeren Busen 🙈. Ich meinte daraufhin, mit ein paar Kilo mehr passiert das. Sie musste sich anfangs regelmäßig auf die Waage stellen. Auch hab ich die Ritzerei kontrolliert. So hilflos und gleichzeitig übergriffig in Hinsicht ihrer Privatsphäre hab ich mich noch nie gefühlt.

    Das ganze ist jetzt einige Jahre her und sie bzw. wir haben es zum Glück alles auf die Reihe bekommen. Sie ist gesund, isst normal ( auch die Brust ist gewachsen 😅) und keine Ritzerei mehr. Als ich sie mal darauf angesprochen habe und mich fast dafür entschuldigt habe wie das war, meinte sie, dass es genau das war was ihr geholfen hat.

  2. Danke für deinen tollen Bericht aus Elternsicht.

    Ich arbeite als Ökotrophologin in einer stationären Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung und wir erhalten seit Covid zunehmend Aufnahmeanfragen von Anorexie-betroffenen Jugendlichen. In dieser Menge ist uns das tatsächlich auch neu, weshalb wir uns momentan unstrukturieren müssen. Der Umgang mit AN in Wohngruppen stellt nochmal ganz andere Herausforderungen an die Kolleg*innen als in den Ursprungsfamilien, und ich suche seit Monaten nach Netzwerken als auch erprobten Wegen, die uns helfen können, um die Spiralen mit Klinikaufenthalten der Betroffenen, die du ja auch angesprochen hast, zu durchbrechen. Die meisten Betroffenen stecken da nämlich leider schon drin. Aus diesem Grund war ich sehr neugierig auf diesen Artikel.
    Ich werde mich an das Netzwerk wenden und habe die Hoffnung, dort noch weitere Infos bekommen zu können.

    Herzlichsten Dank für deine Empfehlung und auch Arbeit! Das habt ihr richtig klasse hinbekommen. Eurer Tochter habt ihr mit eurem Durchhaltevermögen vermutlich das größte Geschenk gemacht und sie vor einigem Unschönen bewahrt. Unsere Betreuten wünschen sich häufig nämlich genau das: jemand, der sie rechtzeitig aufgefangen und vor der Abwärtsschleife bewahrt hätte. Ihr könnt richtig stolz auf das sein, was ihr als Familie geschafft habt!

  3. Hallo! Danke für den Bericht und alles Gute für euch und deine Tochter! Mein Kommentar bezieht sich allerdings weniger auf den Bericht als auf die zwischengeschaltete Werbung, die abwechselnd mit anderen Werbungen bei mir angezeigt wurden: Anzeigen zu intermittierendem Fasten und „Fasten für Beginner“ in einem Bericht über Magersucht?! Wer bestimmt denn, welche Anzeigen da angezeigt werden?

  4. Ich finde diesen Beitrag so wichtig und hilfreich.
    Und gleichzeitig appelliere ich nochmal an alle mit Reichweite- macht keine Witze über Mehrgewicht, Winterspeck oder ähnliches. Ich habe euch als Blog in der Coronazeit einmal sehr harsch kritisiert wegen eines Coronaspeck Videos weil so etwas auch für Frauen nicht nur für Kinder schwierig ist Witze über ihre Körperform zu sehen.
    Ihr habt damals so toll reagiert obwohl mein Kommentar sehr pöbelig war!!

    Es ist unfassbar wie viel immer noch schief läuft zu diesem Thema. Die Kinderärztin meiner Tochter fing an ihr den BMI zu erklären und an Kurven Körper in normal und „ zu dick“ ein zu ordnen nachdem ich erwähnt habe das ich mir Sorgen um meine sehr schlanke Tochter mache das sie eine Essstörung entwickeln könne.. ich war zu perplex um etwas dazu zu sagen.

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