Ihr Lieben, eigentlich hatte unsere Leserin keine Angst vor Corona. Sie war topfit, arbeitete als Outdoor-Sporttrainerin und bekam ihr Leben mit drei Söhnen gut auf die Reihe. Als das Virus ihre Familie erreichte, steckten die Kinder es ganz gut weg, sie hingegen war zehn Tage lang so richtig krank. Das war aber noch nichts gegen das, was dann kam: Long Covid. Seit 350 Tagen ist sie krank und hat Probleme, ihren Alltag zu bewältigen. Hier erzählt sie davon.
Leben mit Long Covid: Familie versorgen kaum möglich
„350 Tage… 350 Tage, in denen ich nicht gesund bin. 350 Tage sind vergangen, seitdem ich Corona hatte. Ich hatte mir fest vorgenommen, den Jahrestag nicht begehen zu müssen. Doch eine Wunderheilung scheint in der kurzen Zeit ausgeschlossen.
Ich bin gerade mal 43 Jahre alt, war topfit und kerngesund, im Hauptberuf bin ich selbständig und gebe Outdoor-Sportstunden. Also jeden Tag an der frischen Luft, Sommer wie Winter, durchtrainiert. Ich hatte ehrlich gesagt keine Angst vor der Krankheit, Sorgen machte ich mir um meine Eltern und chronisch kranke Menschen.
Dann hat es mich Anfang Februar erwischt, zusammen mit den Kindern. Die haben es gut weggesteckt, während ich zehn Tage lang wirklich richtig krank war. Danach, so hörte man, würde es noch ein paar Wochen dauern, bis man wieder richtig fit sei.
Nach der Corona-Erkrankung ging es mir immer schlechter
Leider ging es mir nach ein paar Wochen immer schlechter und schlechter. Bis ich zum Höhepunkt im Frühjahr/Sommer nicht mehr fähig war, meinen beiden Berufen im Sport und im Büro nachzugehen, geschweige denn auch nur Treppen zu steigen oder ein Zimmer zu saugen.
Oft lag ich nachmittags im Bett – meine drei Jungs waren sich selbst überlassen oder bei Freunden untergebracht. Auch hier – zum Glück – sind sie mit 6, 8 und 11 Jahren schon eigenständig genug. In den wenigen Sportstunden, die ich anfangs noch geben konnte, fuhr ich entweder mit dem Scooter hinterher oder wir mussten am Parkplatz stehen bleiben anstelle durch den Park zu joggen, weil ich nicht mehr gehen konnte.
Diese Hilflosigkeit, die bei und nach Arztbesuchen empfand, war erschreckend. Keiner wusste, wie man mir helfen konnte. Ich solle zum Lungenfacharzt gehen, zum Neurologen, mich in der Long Covid Station im Krankenhaus anmelden. Beim Lungenfacharzt habe ich nur durch Beziehungen einen Termin bekommen, beim Neurologen war ich bis heute nicht.
Long Covid-Station? Immense Wartezeiten
In der Klinik in unserer Stadt, in der eine Long Covid-Station errichtet wurde, konnte man sich nur per E-Mail anmelden. Sechs Monate später habe ich hierauf Antwort bekommen, dass es weitere drei Monate dauern könnte, bis ich einen Termin bekommen könnte.
Jetzt kann ich – zumindest in dieser Hinsicht – von Glück reden, dass ich eine hervorragende Hausärztin habe. Sie hat einfach nicht lockergelassen, hat mich in der LC-Station in der nächstgrößeren Stadt angemeldet, in der ich binnen drei Wochen untergekommen bin. Sie hat sämtliche Kontakte aufgenommen, um über mein Krankheitsbild zu diskutieren.
Ich weiß noch, wie ich bei ihr saß, am Höhepunkt der Krankheit, total verzweifelt. Rasend vor Schmerzen konnte ich mich nicht mal mehr bücken, physisch am Ende. Da hat sie mir ein weiteres Mal Blut abgenommen und mich dann auf eine innenliegende Gürtelrose behandelt. Und das war der erste kleine Erfolg.
Medikamente, die nur Symptome lindern, aber nicht heilen
Ob es wirklich eine Gürtelrose war oder nicht – die Symptome und Schmerzen deuteten daraufhin – war mir egal, denn es wurde damit erträglicher. Wenn wir eine Schmerzskale von 1-10 hernehmen, war ich fast nur noch bei einer 10 – danach seltener, es gab wieder bessere Tage. In der Zeit, wo es am schlimmsten war, kam ich nur mit fünf bis sechs Ibu 600-Tabletten durch den Tag. Dass das für meine anderen Organe eine immense Belastung war, weiß ich.
In der LC-Station in der ich aufgenommen wurde, war ich mit gemischten Gefühlen. Auch hier gab es keine Hilfe oder Erleichterung, jedoch wurde mein Körper komplett durchgecheckt. Herz, Lunge, MRT, CT, Langzeit-EKG, alles wurde gemacht. Körperlich galt ich als gesund.
Schmerzambulanz, um mir den Alltag zu erleichtern
Durch die LC-Station wurde ich in der Schmerzambulanz aufgenommen. Wieder fuhr ich wöchentlich 160 km, um behandelt zu werden. Hier wurde ich auf Medikamente eingestellt, Tabletten für die Nervenschmerzen, Tabletten fürs Herzrasen (mein Ruhepuls liegt immer noch bei 90-120), Tropfen zum Schlafen. Magenschoner. Physio. Damit ging es aufwärts.
Ich konnte wieder einigermaßen arbeiten, die grundlegendsten Haushaltsaufgaben erledigen und meine Kinder beaufsichtigen. Doch alles ab 14 Uhr nachmittags wurde kritisch, Autofahren nur noch das Nötigste, weil ich so erschöpft und müde war, dass ich hinterm Steuer schon kritische Momente erlebt habe.
Erschöpfung und Druck auf der Brust
Von der Erschöpfung berichten die allermeisten Erkrankten, auch vom Druck auf der Brust. Bei mir zog – und zieht sich immer noch – der Druck über den ganzen Thoraxbereich vorne wie hinten. Atmen fällt schwer, Husten ist eine Qual, ständig wird mir schwindelig, wenn ich zu schnell aufstehe oder Treppen zu schnell hochgehe.
Seit der Erkrankung kann ich keinen BH mehr tragen, der Druck macht mich wahnsinnig. Ganz schlimm fand ich meine Gedächtnisaussetzer. Wie Alzheimer aber bei vollem Verstand. Manchmal war es direkt in einer Situation, dass ich keine Ahnung mehr hatte, was vor 5 Minuten gesprochen wurde. Manchmal vom Vortag. Und jetzt nicht so, wie es jeder kennt, wenn man was vergisst und einer es dir erzählt und du dich dann erinnerst.
Nein, diese Dinge waren nicht vorhanden in meinem Kopf. Und du fängst an, an deinem Verstand zu zweifeln. Zum Glück waren diese Aussetzer relativ selten. Was ich lange hatte, war Augenzucken oder Zittern. Vor allem die Hände. Und zwar so, dass ich nicht mehr schreiben konnte, weil die Hand so zitterte. Oder der Kaffee aus der Tasse schwappte.
Corona, Scheidung, Long Covid
Ich bin mittlerweile geschieden vom Vater meiner drei Kinder und muss schauen, wie ich über die Runden komme. Dass der Druck immens hoch war, kein Geld zu verdienen in dem Job in dem ich selbständig bin, kann sich jeder denken. Ich war eh schon gebeutelt als Soloselbständige während Corona.
Ich weiß, dass es mich in einer psychisch angespannten Lage mit der Krankheit erwischt hat – die Scheidung war auch gerade im Gange, das gemeinsame Vermögen musste auseinanderklamüsert werden, wir sind innerhalb eines halben Jahres zweimal umgezogen. Und trotz der Tatsache, dass ich einen neuen Partner kennengelernt habe und sehr glücklich bin, bin ich immer noch krank.
Im November habe ich von heute auf morgen alle Medikamente abgesetzt – es gab keine Verbesserung mehr, ein Grundschmerz war da, jeden Tag, 24 Stunden. Die ersten Wochen war´s auszuhalten, bis ich Anfang Dezember wie alle anderen krank wurde. Seitdem ist es wieder so schlimm, dass mir mein Arzt die Tabletten wieder verordnet hat.
Mir fehlen immer noch 30 bis 30 Prozent
Tja – wo steh ich jetzt? Ich würde sagen, dass mir noch immer 20 bis 30 Prozent fehlen. Einzig was mir wirklich hilft, ist meine phänomenale Physiotherapeutin, zu der ich zweimal die Woche gehe. Sie versucht, die Faszien im Brustbereich und um den Solarplexus zu lockern. Das ist das Einzige, was mir Linderung bringt. Die meiste Zeit kann ich es jetzt gut überspielen. Was bleibt mir auch anderes übrig?
Ich muss funktionieren, um unser Leben am Laufen zu halten. Deswegen wird es einigen auch gar nicht so bewusst aufgefallen sein, dass ich so krank war. Aber wenn man eine Schmerztablette nehmen muss, nur um eins der Kinder überhaupt zum Fußballspiel bringen zu können, dann sieht man schon den Ernst der Lage.
Langsam zurück ins Leben – mit möglichst wenig Anstrengung
Auch heute noch ist es kritisch, wenn ich mich zu sehr anstrenge. Erst letzte Woche haben wir Fangen mit den Kindern gespielt – bereits nach der ersten Rennaktion musste ich abbrechen, weil ich keine Luft mehr und Herzrasen bekam. Und das sind Momente, wo ich lieber mal weinen würde vor Schmerz, als aushalten zu müssen.
Ich wünsche mir, dass dieser ständige Dauerschmerz verschwindet. Dass ich nicht mehr so eingeschränkt bin in meinen Aktivitäten. Nicht mehr abends mit Schmerzen ins Bett gehen und morgens mit Schmerzen aufstehen muss. Und dass die Forschung weitergeht, um uns Long Covid Betroffenen zu helfen.“
13 comments
Liebe Autorin,
ich wünsche dir weiterhin viel Kraft dabei, wieder auf die Beine zu kommen. Die Schulmedizin weiß bei Post Covid leider noch nicht so richtig weiter.
Hast du mal darüber nachgedacht, der Naturheilkunde eine Chance zu geben? In der Naturheilkunde gibt es mehrere Therapieansätze, mit denen bei Long Covid recht gute Erfolge erzielt werden konnten. Ich arbeite in meiner Praxis z.B. mit der Orthomolekularen Medizin, also dem Einsatz von Vitaminen, Spurenelementen und Fettsäuren in therapeutischer Dosis. Doch auch die Phytotherapie und die Homöopathie können sehr erfolgreich sein, wenn sich der Behandler damit auskennt.
Vielleicht kann mein Kommentar dich ja dazu motivieren, dich in deiner Gegend nach einem Heilpraktiker oder Arzt für Naturheilkunde umzuschauen, der sich mit Post Covid auskennt. Ansonsten wünsche ich dir weiterhin alles alles Gute!
Und ich, ob sie auch Nervenschmerzen hatte, z.b. brennen auf der Haut. Wenn ja, klingt das nämlich verdammt nach CPRS und das kann mit einer Ketamintherapie behandelt werden. Dabei wird ggf. sogar ein Ketaminkoma verwendet um das Schmerzzentrum im Hirn zureseten. Ist in den USA erfolgreich im Einsatz.
Die Physio wird weiter laufen müssen, denn die ist wichtig, auch bei CPRS.
Liebe Autorin,
Alles Gute und viel Kraft. Gebe bitte die Hoffnung nicht auf. Leider stößt man immer wieder auf Unglauben und Unverständnis, auch und gerade bei Medizinern. Ich hoffe, dass sich hier in diesem Zusammenhang die negativen Kommentare etwas zurückhalten. Niemand kann dies verstehen, wenn er/sie nicht in einer ähnlichen Situation ist …
Hast du dich zusätzlich auf ME/CFS oder auch MCAS untersuchen lassen?
Dir viel Glück auf deinem weiteren Weg und lass dir sagen: es gibt immer einen Weg. Höre niemals auf zu kämpfen.
Alles Liebe
5-6Ibu 600 am Tag ernsthaft?
Es hat nicht direkt mit dem Text zu tun, aber ich wüsste rein interessehalber gerne, ob die Autorin zum Zeitpunkt der Erkrankung gegen Covid geimpft war oder nicht.
genau es hat nicht mit dem Text zu tun und soll wichtig sein wofür? um „beweise“ gegen die Impfung zu haben als impfgegnerin..
Mitgefühl wäre eine schöne Einstellung und Wünsche, dass es wieder besser werden möge.
Jack das sind Ihrerseits wilde Unterstellungen!? Nichts dergleichen ist mit dieser Frage gesagt worden. Ihr Mitgefühl ist ebensowenig vorhanden.
Mich interessiert das auch ABER wenn ich darüber nachdenke, macht es theoretisch keinerlei Unterschied. Denn bei beiden kann Long Covid auftreten, laut den meisten Studien eben nur mit anderen Wahrscheinlichkeiten. Trotzdem kann man neugierig sein, ich denke das ist einfach menschlich. Man versucht die Gefahr für sich selber greifbarer zu machen.
@Jack Von wegen Impfgegnerin. Ich hab damals tagelang Arztpraxen durchtelefoniert, um an die Erstimpfung mit Astra Zeneca zu kommen und meine Kinder noch vor der EMA-Freigabe off Label impfen lassen. Ich wüsste einfach gerne, ob mich ein so schwerer Verlauf auch als vierfach Geimpfte trotzdem treffen könnte. Falls ja, würde das zum Anlass nehmen, vielleicht noch etwas vorsichtiger zu sein im nächsten Winter.
Liebe Elli,
leider muss ich aus eigener Erfahrung sagen, dass du auch trotz Impfungen vorsichtig sein solltest. Ich bewundere, dass die Autorin alleinerziehend mit drei Kindern noch in der Lage ist, den Alltag zu bewältigen. Ich bin dreifach geimpft und bin seit der Corona-Infektion im November letzten Jahres nicht in der Lage, meinen Alltag alleine zu bewältigen . Wobei ich kurz nach der Corona-Infektion auch noch die Grippe hatte(laut Bluttest). Mit meinem Sohn im Sitzen spielen oder einen Korb Wäsche legen im Sitzen ist schon das Höchste was geht. Zeitweilig konnte ich nicht mal Auto fahren.
Es ist schwer abzuschätzen, was Long COVID begünstigt. Mein Mann und mein Sohn hatten zeitgleich mit mir Corona und Grippe. Mein Mann ist auch dreimal geimpft, mein Sohn (4Jahre) gar nicht. Mein Risikofaktor war/ist mein Asthma. Aber ob es nun daran lag, kann man nur vermuten.
Ich hoffe, dass ihr alle gesund bleibt und dass die Autorin Ärzte findet, die ihr helfen. Durch ein Rückenleiden vor 6 Jahren weiß ich, wie furchtbar es ist, in jeder Minute Schmerzen zu haben. Ich hab zum Glück aus diesen Schmerzen wieder rausgefunden. Aber das war ja auch eine andere Ursache.
Mir hilft aktuell eine Sauerstofftherapie (IHHT) und durchblutungsfördernde Maßnahmen (Badezusatz, Ginko, Massage…). Aber es sind kleine Schritte und ein sehr langer Weg.
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@skywise Das tut mir sehr leid. Ich wünsche dir alles Gute und dass es dir bald wieder besser geht.
Vielen Dank, Elli! 🙂