Ihr Lieben, uns fasziniert ja immer, wenn Frauen – und insbesondere Mütter – einfach ihr Ding durchziehen, egal was die anderen Leute sagen. Jasmin Böhm jedenfalls war alleinerziehende Mutter eines Sohnes, als sie in eine Lebenskrise schlidderte. Und sich sagte: Einfach mal machen!
Sie war früher schon viel gereist, nun begann sie sich als Alleinreisende mit ihrem Sohn auf ihr bis dahin größtes Abenteuer. Sie hat uns nicht nur wunderschöne Fotos davon mitgebracht, sondern auch ein Buch drüber geschrieben: Hallo Glück, dich gibt´s ja noch. Uns erzählt sie im Interview von ihren Höhen und Tiefen – und warum sie immer wieder so entscheiden würde.
Liebe Jasmin, du hast dich nach einer Lebenskrise zusammen mit deinem Sohn in ein großes Abenteuer gestürzt, was genau habt ihr getan?
Wir haben unser Fahrrad und den Anhänger geschnappt. Das Zelt, Schlafsäcke und ein paar Taschen befestigt und sind von Offenbach los Richtung Marokko gefahren.
Gehen wir nochmal zurück ins Davor. Wann und wie hast du gemerkt, dass sich etwas ändern muss in deinem Leben, dass du so nicht weitermachen möchtest. Und wie fühlte sich das an?
Ich war seit der Geburt alleinerziehend und zunächst wahnsinnig erleichtert einen festen Job, eine Wohnung und einen Kitaplatz gefunden zu haben. Ich wollte meinem Sohn all das bieten, was er auch mit zwei Elternteilen gehabt hätte und dachte dabei vor allem an das Finanzielle. So kam es, dass ich drei Jobs hatte, an meiner Doktorarbeit schrieb, aber gar keine Zeit mehr für da Wesentliche hatte, für uns.
Mein Sohn war den ganzen Tag in der Kita oder bei meiner Oma, uns blieb nur das Wochenende und selbst da, stand immer Arbeit an. Ich lebte ein Leben, das ich so nie führen wollte. Ich fühlte mich gefangen und gleichzeitig wusste ich, die Zeit rast davon, mein Sohn wird nur einmal so klein sein.
Wie lang hat es dann gedauert und wie viele Tränen gebraucht, um zu verstehen, was jetzt das Richtige sein könnte?
Ich durchlief ein Jahr lang einen inneren Prozess, in dem ich wusste, dass ich mit meinem Sohn ausbrechen wollte, aber wahnsinnige Angst vor der Umsetzung hatte. Ich hatte keinerlei Ersparnisse und dachte ich sei auf diese Jobs angewiesen. Ich bin in meinen 20ern vor und während des Studiums viel alleine um die Welt gereist, zum Teil jahrelang, das Reisen war ein Teil von mir und ich wusste, dass es genau das Richtige für uns sein würde, gemeinsam loszuziehen. Nur wir zwei, mit endlos viel Zeit im Gepäck. Ich wollte kein teures Flugticket kaufen. Ich wollte einfach los. Vor der Haustüre ins Abenteuer starten. Rein in die Natur.
Woher hast du den Mut genommen, dein Ding dann einfach durchzuziehen?
Ich habe Anfang 20 meine Mutter jahrelang beim Sterben begleitet. Ich wusste, wie schnell das Leben vorbei sein kann und was das Wesentliche im Leben ist. Irgendwann war mir egal, was finanziell passieren würde, alles war besser als mein Leben so weiterzuführen. Was könnte schlimmer sein als die gesamte Kindheit meines Sohnes zu verpassen? Ich hatte plötzlich volles Vertrauen, dass sich schon irgendwelche Wege für uns ergeben würden. Irgendwie würde es klappen, dachte ich.
Wie hat dein Umfeld reagiert?
Meine Freunde standen sofort hinter mir. Sie kennen mich und wissen, wie wichtig mir das Reisen ist. Sie hatten Vertrauen, dass ich das alleine mit Kind auf großer Fahrradtour schon schaffen würde. Meine Familie war sehr besorgt, sie wollte es mir ausreden und wies auf alle möglichen Gefahren hin. Aber das war mir egal, mein Entschluss stand bereits fest.
Welche Sorgen waren im Vorfeld deine größten?
Dass das Geld ausgeht, ohne dass sich neue finanzielle Möglichkeiten für mich ergeben haben. Dass wir zurück müssen, die Wohnung nicht mehr zahlen können und vor dem Nichts stehen.
Und waren die Sorgen dann berechtigt?
Nein. Wie durch ein Wunder hatte ich plötzlich mehr Geld als all die Monate zuvor. Da kam noch ein Gehalt, mit dem ich nicht gerechnet hatte, eine Rückzahlung für die gesamten Masterstudiengebühren in Portugal, weil mein Abschluss zu den Besten zählte, und eine große Steuerrückzahlung. Es war, als sollte es so sein.
Was hat dich auf eurer Reise am meisten überrascht?
Zum einen die Hilfsbereitschaft aller Menschen, auf die wir trafen und zum anderen wie glücklich und ausgeglichen mein Kind war. Irgendwann konnte ich mich einfach gar nicht mehr daran erinnern, wann er das letzte Mal geweint hatte.
Was hat euch am meisten wachsen lassen?
Ich hatte mir einen Bänderriss am Strand zugezogen und durfte drei Wochen nur mit Krücken laufen. Die gesamte Reise stand vor dem Aus. Man riet mir zurückzufliegen, aber ich entschied mich dagegen. In dieser Zeit lernte ich geduldig zu sein und im Vertrauen zu bleiben. Wir lebten im Moment und nutzten die Zeit zur Erholung, aber auch um neue Freundschaften zu knüpfen. Diese Entschleunigung behielten wir für die gesamte Reise bei.
Was war nicht so rosig?
Berge, Gegenwind, Autos. Das Gewicht von 70 bis 80kg lässt sich bergauf oder gegen den Wind nicht einfach fahren oder schieben und man stößt schnell an seine körperlichen Grenzen. Gleichzeitig muss ich ständig die Routen akribisch planen, um uns keiner Gefahr bezüglich der Autos auszusetzen. Wir sind oft riesige und zum Teil sehr steile Umwege gefahren, um große Straßen zu vermeiden. Aber auch das lässt einen wachsen und schweißt zusammen.
Was würdest du anderen Menschen in Sinnkrisen mit auf den Weg geben wollen?
Manchmal sieht man vor lauter Problemen das Wesentliche nicht mehr. Mir hilft es, mir vorzustellen, dass heute mein letzter Tag auf der Welt wäre. Was wäre mir wirklich wichtig? Was würde ich vielleicht bereuen? Was hätte ich gerne anders gemacht? Wenn man es schafft, sich da wirklich hineinzuversetzen, dann sieht man meist ganz klar, wohin es gehen soll. Und dann: Einfach mal machen!
5 comments
Respekt. Ich hätte mich das nicht getraut, weder meine finanzielle Sicherheit aufzugeben (das Haus kostet…..Rente usw.), noch einfach so (mit Kind!) loszuradeln und sich eine Reise ins Ausland vorzunehmen.
Spannend, danke für das Interview! Mich hätte noch interessiert, wie lange die Reise gedauert hat.
Bezüglich der Gefahren, die euch real passieren könnten und dem „Mir egal“: ich weiß nicht, ob ich so denken könnte, wenn ein Kind involviert wäre. Diese Welt, vor allem die menschliche, ist keine ungefährliche. Man braucht schon etwas Naivität und erhebliches Vertrauen in andere, um – erst recht – mit Kind, solch ein Abenteuer zu bestehen. Ob ich es bewundere oder arg an dem Verstand zweifle? Beides. In mir drin ist ein ähnlicher Wunsch, auch mit Kindern, jedoch aufgrund der Schlechtheit unzähliger Menschen, würde ich es nie wagen, ein Abenteuer wie dieses anzugehen. Hut ab und Glück gehabt.
Naja… so wie ich das sehe, ist sie nach Marokko gereist. Sie ist nicht mit dem Fahrrad und Kind nach Somalia.
Marokko selbst und auch die Länder auf dem Reiseweg sind absolut sichere Urlaubsländer. Ich denke mal sie war da mehr oder weniger den normalen Gefahren einer aktiven Urlaubsreise ausgesetzt.
Klar kann bei abenteuerlicheren Aktivitäten wie Radfahren, Skifahren, Bergwandern, Trekking, Canyoning etc. mehr passieren, als bei einem reinen Strandurlaub. Trotzdem finde ich, dass man solche Abenteuer mit Kindern durchaus wagen kann und sollte.
Ein lebensgefährliches Unterfangen ist so eine Tour nun auch nicht. Wenn sie die Zeit und das Geld dafür hatte… warum nicht?
Oh Wow! was anderes fällt mir da gar nicht ein. Ich bewundere deinen Mut und deine Stärke. Du hast dir und deinem Sohn ein riesen Geschenk gemacht. Ich habe zwei kleine Kinder und durch viele äußere Umstände und ich befürchte auch falsche Entscheidungen, lebe ich gerade a nicht das Leben das ich leben möchte. Dein Artikel hat mich sehr zum nachdenken angeregt.
Ich wünsche dir und deinem Sohn alles Gute.