Ich hasse Menschen, ich mag andere Leute nicht mehr, alle sind so hart geworden, so egoistisch oder stinkig oder faul, ich geh auf ne einsame Alm, Krise, Krise, Krise und jetzt kommt auch noch das schlechte Wetter und Stau und dunkel und Wahlen und was ist überhaupt in der Welt grad los.
Auszeiten aus der Krise
Solche Stimmen höre ich grad oft. Und denke: Hey. Komma mit auf meinen Ponyhof. Da gibt´s nicht mal WLAN, da sind Gaza, Trump und iranische Hinrichtungen genauso weit weg wie Bahnverspätungen, Staus und Kita-Notbetriebe, da gibt’s Hufgeklapper und Heu im Haar und Kuschelmähnen und Ruhe im Herzen.
Und komm mal mit zu meinen Trauerbegleitungen oder Notfallseelsorgeeinsätzen, dann wissen wir wieder, was andere durchmachen und dass Stau definitiv nervt, aber nichts ist, was uns in 5 Jahren noch beschäftigen wird. Wir können uns glücklich schätzen, dass es in unserem Land keine Hinrichtungen gibt und überlegen, wie wir uns trotzdem von hier aus dagegen einsetzen können. Wir dürfen uns aber auch manchmal nachrichtenfreie Zeiten nehmen. Wir dürfen – wenn möglich – auch mal das Homeoffice feiern, um keine Fahrtzeit zu verlieren.
Wir dürfen unsere Kinder anschauen und glücklich sein, wenn sie grad in keinem Krankenhaus liegen, wir dürfen uns auch mal einfach um halb neun abends schon ins Bett hauen, den Haushalt Haushalt sein lassen und mit einem Tee in unser neues Lieblingsbuch schauen. Wir dürfen uns freuen, dass wir den Herbst nochmal miterleben dürfen, weil er uns zeigt, dass wir lebendig sind und weil er uns den wiederkehrenden Sommer nur noch mehr schätzen lässt.
Wir dürfen ab und zu einfach mal nur atmen und durch die Gegend schauen, wir dürfen bei uns im Kleinen die Welt ein Stück besser machen, indem wir an der Kasse einen älteren Kunden oder eine Mama vorlassen, indem wir ein bisschen mehr Trinkgeld im Café geben, indem wir jemandem Hilfe anbieten oder einfach ein Lächeln schenken.
Wir dürfen unsere Kinder mit einem Zettel in ihrer Brotdose überraschen, dürfen unseren Liebsten ein Schokoherz aufs Kissen legen, unserer Freundin einfach mal wieder eine Postkarte schicken und das, was wir da rausgeben, kommt dann irgendwann als Boomerang voll guter Dinge zu uns zurück.
Wir dürfen uns auskotzen bei unseren Nächsten und dürfen Geheimnisse sicher bei uns bewahren, wir dürfen uns an unserem Lieblingsessen erfreuen und den Blick auch mal ausschließlich auf die ganz kleinen Dinge in unserem Leben richten. Wir dürfen uns auf die Schultern klopfen, wenn uns was gelingt, wir dürfen um Hilfe bitten, wenn es nicht geht, wir uns kleine Inseln schaffen, die für Wärme und Entspannung sorgen.
Ich hoffe, dass allein schon dieser Text den Blutdruck um ein paar Punkte senkt, eine Miniauszeit aus der Weltlage schafft, die oft so bedrohlich wirkt, aber unseren Alltag nicht rund um die Uhr bestimmen muss. Wir dürfen den Blick auch mal nur auf die positiven Dinge richten, auf den Zusammenhalt, auf die Solidarität, auf die Hilfsbereitschaft. Denn die gibt’s auch in Krisenzeiten.
Macht es euch schön – und wenn ihr euch nur 5 Minuten davon am Tag gönnt. Denn Glück lohnt sich auch in kleinen Dosen, davon bin ich überzeugt. Und es stärkt uns, um dann auch wieder den anderen Wahnsinn besser auszuhalten oder gar zu verbessern, meint ihr nicht auch?
6 comments
Vielen vielen Dank! ♥️ Das kam heute genau richtig, es war ein total blöder Tag und tatsächlich fahre ich jetzt etwas runter 🙂
Auf jeden Fall erfüllender und nachhaltig glücksbringender als Drogen zu nehmen!
danke!
Ein schöner Text! Und nach den anderen Artikeln auch schön zu lesen, dass kleine Auszeiten auch ohne Drogenkomsum gelingen können 😉
Vielen Dank für diesen tollen aufbauenden Text, den ich gerade so sehr brauchen konnte. Danke!!!!
Was für ein toller, inspirierender Text. Vielen Dank dafür ❤️
Mit einem Lächeln starte ich in den Tag. Liebe Grüße Rita