Kölle Alaaf: Jetzt feiern auch die Kids! Teen-Time Jugendkolumne

Kölle Alaaf

Kölle Alaaf, ihr Lieben, hinter uns liegen ein paar sehr, sehr jecke Tage, der Kölner Karneval ist heute vorüber. Wer hier schon länger mitliest, weiß, wie heilig mir diese wilde Buntheit aus Freude, Freundschaft, Melancholie und Konfetti ist und wie wichtig es mir war, dass auch die Kinder verstehen, warum wir dieses Fest so lieben. Was es ausmacht.

Es sind so viele Erinnerungen, die bei jedem Lied hochkommen, es sind so viele Menschen, die ich sonst im Jahres-Hamsterrad nicht zu Gesicht bekomme, es sind so viele Umarmungen, wertschätzende Kommentare, so viel Schunkeln, Solidarität, Leichtigkeit und Loslassen.

Es ist in gewisser Weise das undeutscheste Fest, das man sich vorstellen kann, denke ich manchmal. So wild, so ausgelassen, so fröhlich. Das ist doch so ganz anders als das verstockte Spießerbild der humorlosen deutschen Doppelhaushälftenbesitzer mit Schnörres und Bierbauch und Webergrill, ich sag immer: Kölle ist das Lateinamerika Deutschland 😉 Mit Rhythmus, Leidenschaft und Ekstase.

Früher waren die Wochen des Straßenkarnevals MEINE Tage, als die Kinder noch klein waren. Ich ging raus und ließ die Verantwortung zu Hause, ich konnte mal wieder nur ich selbst sein, für mich sorgen, essen, wann ich wollte, sitzen, wann ich wollte, machen, was ich wollte. Wie viel Energie mir das gab, endlich mal wieder nur Lisa zu sein für ein paar Stunden, eingebettet in den besten, wertschätzendsten, liebsten Freundeskreis – und das auch noch zu mütterfreundlichen Uhrzeiten am Tage!

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So ist es mittlerweile nicht mehr, ich habe nun auch im Alltag viele Freiheiten zurück, seit die Kinder größer und mobiler sind. Mittlerweile kann ich auch im Alltag ganz oft einfach die Lisa sein statt „Die Mama von…“ Aber alles entwickelt sich ja weiter und nun ist es so, dass auch alle Kinder auf die Piste gehen. Das Leben geht in Wellen! Und plötzlich geht man dann doch wieder mit einem etwas mulmigeren Gefühl los.

Kölle Alaaf! Auch die Kids feiern nun

Ob denn bei den Kindern alles gut geht? Oh, einige aus ihrem Freundeskreis gehen nicht mit, weil Anschläge angekündigt wurden. Lassen wir uns von sowas jetzt unsere Freiheiten einschränken? Sagen wir den Jugendlichen, sie sollen sich nicht so nah an Straßen aufhalten, sondern lieber mittig, falls ein Bekloppter im Auto reinrast? Was, wenn jemand nicht nur einen Verkleidungssäbel dabei hat?

Man kann sich verrückt machen über solche Dinge. Wir müssen auch hier ein Stückweit loslassen und hoffen. Dass nichts passiert, dass sie aufeinander aufpassen in ihren Cliquen, dass sie die Freude des Festes erleben dürfen, nicht die Schattenseiten. Sie sind jung, sie müssen sich ausprobieren, sie lieben Karneval, sie fiebern draufhin. Die beste Party ist die an der Schule zum Auftakt, danach geht´s in die Stadt. Mögen sie zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein und einfach gemeinsam schöne Lieder singen, sich in den Armen hängen und die Freude des Lebens spüren, das wünsche ich ihnen so sehr.

Karneval

Und dann wache ich an Tag 2 des Karnevals auf und im Wohnzimmer liegt ein Häftlingskostüm (nicht gefaltet) und daneben eine Rettungsfolie. Oh Gott, geht es mir durch den Kopf. Ich hätte doch erfahren, wenn was passiert wäre? Und dann klärt sich alles. Eine befreundete Person hatte sich am Knie verletzt und so lang sie im Rettungszelt verarztet wurde, warteten unsere Jungs draußen – damit sie nicht frieren mussten, gab man ihnen die Decke, die sie als Andenken mitnahmen. Sie kümmern sich umeinander. Und Menschen kümmern sich um sie. Ist das nicht auch ein schönes Learning?

Und überall in der Wohnung liegen bunte Sachen, fliegen Konfetti herum, läuft Musik – und es ist Ausnahmezustand. Pause von der Welt. Zeit für Freude, für Zusammenhalt und unvergessliche Erinnerungen. Zu Hause sind immer zu wenige (ergo: keine!) Jugendlichen oder zu viele. Wenn keine da sind, schauen wir ab und zu mal auf ihren Snapchat-Standort, um ungefähr zu wissen, wo grad wer ist.

Und dann sitzen plötzlich so viele junge Leute in deiner Küche, kochen Nudeln, lachen sich kaputt, springen dann raus in den Garten aufs Trampolin wie früher, tanke auf, um dann wieder in den Tag oder die Nacht zu verschwinden. Im Familienchat heißt es plötzlich: Oh Mann, Karneval ist einfach das Schönste, das es gibt. So viele Menschen auf der Straße, wo kommen die alle her? Wo sind die sonst? Dazu das Traumwetterchen… einfach leben.

Und bei uns Großen in der Südstadtkneipe? Da tanzt die Frau, die grad noch um ihr Leben bangte, mit dem Typen, der grad unverschuldet arbeitslos wurde, da redet der Postbote mit dem Professor, da singen lauthals alle gemeinsam „Nur die Liebe gewinnt“ und dann wird mein neues Lieblingslied Ding Südkurv angestimmt und die Tränen laufen vor lauter „Ja zum Leben“ und vor Rührung. In dem Lied von Kasalla geht es um den Support für ihre unsere Kinder, am Ende dieses Textes zeig ich euch ein paar Ausschnitte.

Während ich diesen Text schreibe, schläft die Große außerhalb, die Jungs haben vier bis sechs Übernachtungsgäste da, unten stehen wieder etliche Schuhe, es ist ein gutes Gefühl, dass bei allen alles gut gegangen ist in den letzten Tagen und es ist ein melancholisches Gefühl, dass es schon wieder vorbei sein soll mit der tollen Zeit.

Gestern Abend durfte ich noch einen letzten Auftritt mit dem Chor haben, mit Karnevalsliedern beim Prinzen ausziehen und Nubbel verbrennen (und mit ihm all die Sünden der letzten Tage, das ist ja alles hochchristlich in der Anlage hier). Und es bleiben das Feuer und die Liebe der letzten Tage, die wir jetzt mitnehmen dürfen in den Frühling und die wiedererwachende Natur. Danke, dass wir all das haben dürfen hier. Es ist mehr als besonders. Gerade jetzt und in diesen Zeiten.

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Hier nun wie versprochen noch ein paar Ausschnitte des Textes, den ich so sehr fühle:

Ich wööd dir jään saare, dat du nie allein bes (Ich würde dir gern sagen, dass du nicht allein bist)
Uch wenn du keine blasse Schimmer dovun häs (Und wenn du keinen blassen Schimmer davon hast)
Uch wenn du et nit kapiers, weil du noch vill zo klein bes (Und wenn du es nicht verstehst, weil du noch zu klein bist)
Du verliers niemols die Dauerkaat zo mingem Hätz (Du verlierst niemals die Dauerkarte zu meinem Herzen)

Ich spröh dinge Name op jede Stroßebahn (Ich sprühe deinen Namen auf jede Straßenbahn)
Un wenn et düster weed, maach ich et Flutleech aan (Und wenn es dunkel wird, mach ich das Flutlicht an)

Ich ben ding Südkurv, dinge Ultrafan (Ich bin deine Südkurve (Anm.: da stehen die Fans des 1. FC Köln im Stadion), dein Ultrafan)
Keiner lösch dat Füür, dat för immer in mir brennt (Keiner löscht das Feuer, das für immer in mir brennt?
E Levve lang ding Südkurv ohne Ävver oder Wenn (Ein Leben lang deine Südkurve)
Denn ich bliev för immer dinge Hooligan, dinge jrößte Fan (Denn ich bleibe für immer dein Hooligan, dein größter Fan)

Manchmol foult dich et Levve op däm Äscheplatz (Manchmal foult dich das Leben auf dem Ascheplatz)
Dann sing ich ding Hymne, kumm, stonn widder op, minge Schatz (Dann singe ich deine Hymne, komm, steh wieder auf, mein Schatz)
Ejal, wat uch passeet, zesamme durch et Füür (Egal, was euch passiert, zusammen durch das Feuer)
Deef em Hätze tätowiert, immer nur zo dir (Tief im Herzen tätowiert, immer nur zu dir)

Un em jegnerische Fanblock stonn ich jäje en Million (Und im gegnerischen Fanblock stehe ich gegen eine Million)
Ich meine, wat ich saare, you’ll never walk alone (Ich meine, was ich sage: You´ll never walk alone)

(…)

Wenn duo mich röfs, dann ben ich do (Wenn du mich rufst, bin ich da)
Janz ejal, wann, janz ejal, wo (ganz egal wann, ganz egal, wo)
Mi Hätz brennt för dich leechterloh (Mein Herz brennt für dich lichterloh)

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Karneval

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2 comments

  1. Ich bin überhaupt keine Karnevalsfeierin aber der Text ist so schön das ich es schade finde.. und du hast so recht mit den Gedanken über die Angst und das Vertrauen haben.
    Dankeschön!

  2. So ein schöner Text. Ich habe Tränen in den Augen. Wir feiern in Franken Fasching und ich hoffe meine Kids werden es auch so lieben wie ich…

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