„Kleine Geburt“: Kann ich Cytotec nehmen, um den Abort einzuleiten?

Kleine Geburt

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Ihr Lieben, unsere Leserin Andrea möchte die Erfahrungsgeschichte ihres Missed Aborts mit dem Einsatz von dem mittlerweile eher umstrittenen Medikament Cytotec heute mit euch teilen, um euch zu ermutigen, denn ihre „kleine Geburt“, wie man sie nennt, war zwar nicht leicht, aber doch trotz anfänglicher Sorgen irgendwie versöhnlich und selbstbestimmt. Sie möchte euch Mut machen, euch, eurem Körper und eurer Intuition zu vertrauen. Bis heute hat sie kein Kind an der Hand, aber sie ist guter Hoffnung. Nachdem bei ihrem Baby im Bauch keine Herztöne mehr festzustellen waren, hat sie lange abgewartet und viel nachgedacht, bevor sie dann doch die Entscheidung zur Einleitung fällte.

Erste Schwangerschaft endete auch nicht im Happy End

„Jipiiie – ich bin schwanger! Der Test ist positiv.“ Wobei: Ein richtiges „Jipiiie“ war es eigentlich nicht. Zu viel Angst hatte ich, dass der Test falschpositiv wäre, die Fruchthöhle leer bliebe, der Embryo nicht bleiben wollte. Denn wir bringen eine kleine Vorgeschichte mit: Wir haben aus einer Drillingsschwangerschaft schon drei Sternenkinder.

Bei dieser erneuten Schwangerschaft zeigte der erste Ultraschall nun bereits alle Anlagen, einen Dottersack, einen Embryo… doch keinen Herzschlag – es wäre auch noch viel zu früh in der 5. bzw. 6. Schwangerschaftswoche, sagte man mir.

Mir ging es super, ich hatte (leider) keinerlei Symptome, nur etwas kräftigere Brüste, keine Übelkeit, keine Brustwarzenverfärbung, keine Gelüste – wahrscheinlich war es einfach noch früh, dachte ich, zumal ich ja diesmal nur einen Embryo im Bauch hatte. Beim nächsten Ultraschall gab es schließlich die ersehnte Herzaktion, ein kleines leichtes Flimmern war zu sehen. Voller Stolz fuhren wir in den Urlaub… doch nach den Ferien blieb nichts, wie es war.

Der Embryo entwickelt sich nicht wie gewünscht

Die Ärztin machte an Tag 8+3 einen Ultraschall und sagte mir, dass sich der Embryo leider nicht so entwickelt habe, wie wir uns das gewünscht hätten. Ich hatte es gewusst… keinerlei Symptome, keine Hoffnung. Der kleine Embryo hatte sich einfach nicht entwickelt.

Sie sagte noch, dass „es dann abbluten“ würde und wir uns dann anschließend in der Klinik wiedersehen würden. Ich meldete mich bei meiner Heilpraktikerin, um den Vorgang etwas zu beschleunigen, sie verschrieb mir Globuli und eine Teemischung. Sie habe selber einmal eine Abrasio gehabt und auch einmal eine Cytotec genommen, das sei sehr heftig gewesen, erzählte sie noch. Aber hatte damals eben nicht abwarten wollen.

Mein Gynäkologe machte eine Woche später nochmal einen Ultraschall. Die Plazenta war sehr gewachsen, wir hatten engmaschig den HCG-Wert kontrolliert, um eine Blasenmole auszuschließen, denn dann würde ich eine Not-Operation brauchen. Er rief mich an und sagte mir, dass ich weiter abwarten könnte, der HCG-Wert sei nicht weiter gestiegen. Ich könnte also jetzt die Cytotec nehmen und wenn das nicht klappe, wäre auch die Abrasio indiziert.

Ich wollte die „kleine Geburt“ zu Hause erleben

Mir war sofort klar, dass ich diese „kleine Geburt“ bei uns zuhause erleben möchte – und auf gar keinen Fall per OP. Was ich dabei noch erwähnen möchte: Mein Gynäkologe war wirklich sehr offen. Er hat mir alles angeboten, nichts verschönt. Er hat mich ebenfalls auch auf das Infektionsrisiko hingewiesen.

Ich rief bei den Hebammen in unserem Ort an, um dort nach Unterstützung zu fragen. Dort wurde mir erklärt, dass die Cytotec extrem gefährlich sei und ich diese nur stationär nehmen solle, auf gar keinen Fall zu Hause. Das Risiko einer extremen Blutung und daraus resultierenden Kreislaufproblemen bis hin zum Kollaps sei einfach zu groß.

Ich war so geschockt, dass mein Gynäkologe das Präparat eigentlich als milde und sanfte Einleitung beschrieben hatte…. Was war das also für ein Zeug, fragte ich mich. Ich war hin- und hergerissen, trank täglich meinen Hirtentäscheltee und hoffte, dass die Geburt einfach bald von selbst losging.

Ich konnte mich auf mein Körpergefühl verlassen

Für mich war die Vorstellung einfach tröstend, diese „kleine Geburt“ zuhause erleben zu können. Ich wohne auch nur wenige hundert Meter vom Krankenhaus entfernt, im Notfall könnte ich also dorthin. Ich hatte auch keine Angst, ich hab durch meinen Beruf einiges an medizinischen Vorkenntnissen und einfach auch ein gutes Körpergefühls, auf das ich mich bislang immer gut verlassen konnte.

Es war eine merkwürdige Schwebephase, denn ich wusste ja: Es könnte jederzeit losgehen. Und ich wusste auch, dass wir nicht allzu lang würden warten können. Ich sagte Termine ab, ging nicht mehr zum Sport, plante keinen Urlaub, weil es ja jederzeit hätte losgehen können.

Durch eine Kinderwunschfreundin habe ich dann von Corinna gehört, die ausgebildete Doula, Sternenmama, Autorin und Expertin in Sachen „kleine Geburt“ ist. Ich schrieb ihr via Instagram. Eine entsetzte Sprachnachricht kam zurück: „Es sei unverantwortlich, mir Cytotec mitzugeben“ – puh… wieder eine Meinung mehr.

Sollte ich wirklich das Medikament Cytotec nehmen?

„Wenn du Cytotec nimmst und dann sehr stark blutest, kann es sein, dass du ins Krankenhaus gehst und die operieren dich dann sofort.“ Jaaaa… sie ist sehr direkt, aber sie kennt sich aus. Sie hat Erfahrung. Sie weiß, um was es geht. Sie hat mir ihre Wissensbroschüre über kleine Geburten angeboten und eine Begleitung über Instagram.

Ich hatte also tatsächlich eine Doula gefunden, die mir half, die mit mir zum Beispiel eine Kerze bastelte oder mit mir einen Brief schrieb. Sie gab mir eine Liste mit Dingen mit, die ich mir bereitstellen sollte, falls es losginge. Und ich war bereit.

Eines Nachts, es war so vier Wochen nach der Diagnose, hatte ich plötzliche Krämpfe. Die kannte ich noch aus der Zeit meiner Endometriose OP. Waren das jetzt die Wehen? Ich atmete sie weg. Immer wieder kam mir der Gedanke: „NEIN – ich möchte eigentlich gar nicht, das du gehst. Bitte bleib bei mir“. Was geschah?

Von meiner Fehlgeburt

Nach fünf Stunden Wehen bekam ich eine leichte Blutung, aber keine Geburt. Die Blutung wurde immer stiller und hörte auf. Dann, nach circa sechs Wochen (ich war mittlerweile in der 13. Woche schwanger) bekam ich wieder rosa Schleimblutungen. Ich schöpfte nochmal Kraft. Ich dachte mir – JA jetzt geht´s los. Leider vergeblich. Der rot-rosa Schleim ging ab, aber es gab keine Wehen, keine richtige Blutung. Nun wurde allerdings meine Zeit knapp, in vier Wochen war ein Städtetrip mit meiner Mama geplant. Bis dahin sollte ich DAS doch erledigt haben.

Ich rief meine ursprüngliche Hebamme nochmal an und fragte eine Freundin, die gerade eine Hebammenausbildung macht. Auch sie schlug mir noch einmal vor, die „kleine Geburt“ nun mit Cytotec einzuleiten, da es nun ja doch schon neun Wochen her war. Mein Gynäkologe war zu dieser Zeit im Urlaub. Also holte ich mir nochmal eine Meinung von der Kinderwunschklinik ein.

Ich bekam direkt am nächsten Tag einen Termin beim Chef, immerhin wartete ich nun schon seit neun Wochen. Ich fragte ihn nach Cytotec und unterstrich, dass ich keine OP möchte. Er bestätigte mir, dass ich so lange warten kann, wie ich möchte. Ich wurde aber langsam ungeduldiger, langsam ging mir das ewige Warten auf die Psyche: Kein Sport, keine Ausflüge, kein Planen. Es war so zukunftslos – irgendwie.

Die „kleine Geburt“ ging los

Ich wusste, dass bald wieder Neumond war. Der Neumond ist berühmt für seinen Neubeginn. Den Mond als Unterstützung zu haben, war für mich ein schöner Gedanke. Am nächsten Tag hatte ich wieder einen Termin in der Kinderwunschklinik. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass der Tag der richtige sein würde.

Ich war allein zuhause, mein Mann war beim Sport. Ich las nochmal einige Pro-Cytotec-Erfahrungen durch, von denen es nicht gerade viele im Netz gibt. Ich sah, dass eine Frau auch nach acht Wochen die Tablette genommen und total gut darauf reagiert hatte. Und dann traute ich mich. Ich wollte endlich wieder ein Mensch mit ganz normalen Zukunftsplänen sein.

Lange zuvor hatte ich schon die Trauerphasen durchlebt, z.B. nach der Diagnosestellung oder als es das erste Mal blutete und ich noch nicht bereit dafür war. Aber nun war es anders, ich war bereit. Raus aus der Packung, rein in den Mund, weg war sie. Ich legte mich ins Bett und wartete ganz gespannt.

Ich hatte es geschafft. Total unkompliziert“

Nach nur zehn Minuten verspürte ich einen Druck im Unterleib. Nach weiteren zehn Minuten ging ich das erste Mal zur Toilette. Es ging etwas ab, aber ob es das schon war? Nach weiteren 15 Minuten dasselbe und immer wieder … Mittlerweile waren auch Wehen dazugekommen. Von den Schmerzen her waren die aber gut auszuhalten. Meine Endometriose-Schmerzen waren deutlich schlimmer gewesen.

Plötzlich verspürte ich einen echten Pasta-Hunger. Es war abends, wir hatten noch nicht viel gegessen. Mein Mann fuhr schnell in die Pizzeria. Ich hatte die Lage im Griff. Ich ging wieder zur Toilette, ich presste und es machte Plopp. Da war sie, die Fruchthöhle mit Plazenta. In dem Moment ging die Türe auf, mein Mann kam wieder nach Hause und ich hab ihn gleich gerufen. Wir zündeten die Geburtskerze an.

Ich hatte es geschafft. Total unkompliziert. Ganz alleine. Ganz entspannt. Ich blutete, aber nicht stark. Da ich nicht genau wusste, was nun zu tun ist, rief ich vorsichtshalber im Kreißsaal an. Sie sagten, dass ich morgen zum Arzt gehen sollte und kommen könnte, falls die Blutungen stärker werden sollten.

Auf seltsame Weise glücklich

Ich hab im Liegen meine Rigatoni gegessen und war auf eine seltsame Weise glücklich und vor allem so stolz auf mich und meinen Körper, auf meine Intuition. Ich war im kleinen Wochenbett mit Nachwehen, aber alles war gut und vor allem OK für uns.

Es waren gerade mal 2,5 Stunden vergangen zwischen Tabletteneinnahme und Geburt. Keineswegs dachte ich, das hätte ich doch schon lange machen können. Nein, für mich war das genau der richtige Zeitpunkt.

So traurig wie der Verlust auch ist, so schön kann er sein. So friedlich. So unkompliziert. Ich bin so froh, dass ich schlussendlich genau meinen Weg gegangen bin. Nun werden wir erstmal Urlaub buchen und dann – so Gott will – einen neuen Versuch starten und ich bin mir sicher, auch wir werden unser größtes Glück irgendwann in unserem Arm halten und beim Aufwachsen begleiten.

Die Geschichte des Wirkstoffs Misoprostol in Cytotec laut Wikipedia: Im April 2021 entschied in Deutschland das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gemeinsam mit Arzneimittelimporteuren, dass das Mittel Cytotec (200 μg Misoprostol je Tablette) angesichts vieler Komplikationen im Off-Label-Use in Deutschland nicht mehr vertrieben wird. Der Import von Cytotec wurde gestoppt, da zunehmend über gesundheitliche Schäden bei Schwangeren und Ungeborenen nach unsachgemäßer Anwendung (ungenaue Teilung der Tabletten, nicht etablierte Dosierungsschemata) im Rahmen von zulassungsüberschreitenden Geburtseinleitungen berichtet wurde.

Durch den Importstopp wurde zunächst eine erschwerte Versorgung von Frauen in den weiteren oben genannten Situationen befürchtet, da hierfür deutlich höhere Dosen erforderlich sind. Seit September 2021 steht jedoch mit dem Mittel Angusta der Firma Norgine (25 μg Misoprostol je Tablette) ein in Deutschland zugelassenes Präparat mit der Indikation Geburtseinleitung zur Verfügung, welches eine genauere Dosierung ermöglicht und damit die Aufteilung der Tabletten in kleinere Dosen in einer Klinikapotheke überflüssig macht

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3 comments

  1. Ich habe jeden Tag 2 Tabletten von meiner Ärztin abholen können und wurde regelmäßig untersucht. Da ich nicht vorher so lange gewartet habe, dauerte die Einleitung länger und nach 1,5 Wochen mit den Tabletten bin ich zur Ausschabung gegangen. Es war ein deutlich Vorschritt zu sehen, aber der Muttermund ging nicht auf.
    Ich habe alle Ärzte in NRW angerufen, die medikamentöse Abtreibungen vornehmen, da ich das zweite Medikament gebraucht hätte.
    Hätte das Herz des Babys geschlagen, wäre dieser Weg möglich gewesen. Leider geht das bei der verhaltenen Fehlgeburt nicht.

    Ich bin froh, dass ich zwischen den beiden Möglichkeiten wählen konnte, hätte aber gerne noch die Art wie bei einer medikamentösen Abteibung als Wahlmöglichkeit.

    Schrecklich finde ich wie das angerufene Fachpersonal den Weg deines Arztes eingeordnet hat. Man kann eine andere Meinung haben und die Risiken gegenüber stellen, aber nicht so! Das zeigt wenig Respekt vor der Ärzteentscheidung! Sie war eine nach Untersuchungsergebnissen (von dir) gängige Methode, die bei dir auch funktioniert hat. Man kann eine Behandlung selber nicht betreuen und diesen Weg nicht anbieten, aber man muss den anderen Arzt (mit einer absolut gängigen Methode) nicht in dieser Art abwerten (es als unverantwortlich zu bezeichnen).

  2. Vielen Dank, dass ihr über das Thema kleine Geburt berichtet. Noch immer lassen viele Ärztinnen und Ärzte den Frauen keine Wahl und klären nicht vernünftig auf. Ich habe auch mehrere Ausschabungen und kleine Geburten hinter mir und würde mich immer wieder für die kleine Geburt entscheiden.Es war für uns so viel besser für den Trauerprozess.
    Eine Formulierung in eurem Text finde ich jedoch unglücklich. Ihr schreibt „Bis heute ist sie keine Mutter geworden, aber sie ist guter Hoffnung.“. Auch die Eltern von Sternenkindern sind Eltern! Vielleicht könntet ihr etwas umformulieren? Vielleicht in die Richtung, dass sie noch kein Kind an der Hand hat so ähnlich?
    Liebe Grüße

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