Ihr Lieben, immer wenn man Berichte zum Thema Pflegeberufe liest, kommen dort vor allem Stimmen vor, die den Fachkräftemangel und die hohe Belastung beschreiben. Diese Stimmen sind richtig und wichtig – aber heute stellen wir euch Maja vor, die seit 20 Jahren auf der Frühgeborenen- und Kinderintensivstation arbeitet und ihren Job sehr, sehr gerne macht.
Wir sind so dankbar für jede Person, die sich entscheidet, in einem Pflegeberuf zu arbeiten, die durch ihr Können und ihre Empathie so viel Hoffnung schenkt. Wir selbst waren in diesem Jahr mit einem unserer Kinder ein paar Tage auf einer Intensivstation und uns ist seitdem noch bewusster geworden, wie wertvoll diese Arbeit ist.
Liebe Maja, du arbeitest seit 20 Jahren auf der Frühgeborenen-und Kinderintensivstation. Warum hast du dich für diesen Beruf entschieden?
Ich wusste anscheinend schon sehr früh, dass ich Kinderkrankenschwester (alte Berufsbezeichnung) werden möchte, denn so steht es im Kindergartenbuch unter „Was möchtest du mal werden?“.
Trotzdem habe ich erstmal eine Ausbildung zur Zahnmedizinischen Fachangestellten gemacht. Als ich diese beendet habe, hörte ich zum Glück auf mein Herz und begann die zweite Ausbildung als Kinderkrankenschwester (heute heißt es Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin). Nach meinem Examen bin ich zufällig auf einer Frühgeborenen– und Kinderintensivstation (Perinatalzentrum Level 1) gelandet. Mein Start dort war herausfordernd und anstrengend. Ich erinnere mich noch sehr gut an mein erstes „500g Frühchen“ und vergesse die Namen der Kinder nie.
Wie sehen dein Arbeitsumfeld und dein Alltag aus?
Wir haben insgesamt 20 Betten, davon 12 für Früh- und Neugeborene, vier Intensivplätze für große Kinder und Jugendliche und vier Überwachungsplätze. Ich habe 10 Jahre in Vollzeit gearbeitet, zwei Kinder bekommen und arbeite mittlerweile nur noch knapp 50%, davon ein Wochenende pro Monat. Ich mag den Schichtdienst gerne, wobei mir die Nachtdienste immer schwerer fallen. Aber ich muss nicht unbedingt welche machen.
Sicherlich sind viele Schicksale dort hart, wie schaffst du es, nicht alles mit nach Hause zu nehmen?
Ich versuche einfach, Arbeit und Privates so gut es geht zu trennen. Das fällt mir jetzt in Teilzeit leichter als in Vollzeit, weil ich aktuell nicht mehr als vier Dienste am Stück mache. In Vollzeit konnten das auch schon mal 10 Tage am Stück sein und man baut eine größere Bindung zu den Patienten auf.
Meine Kollegen und ich haben tagtäglich das Leben von Menschen in der Hand. In den Verlauf können wir nur begrenzt eingreifen. Ich habe auch nach 20 Jahren noch Angst, Fehler zu machen und ich bin nach all den Jahren in Notfallsituationen oder bei einer Erstversorgung eines Extremfrühchens immer noch etwas aufgeregt. Ich möchte auch niemals so stark abstumpfen, dass mich bedrückende Erfahrungen nicht bewegen. Ich habe auch schon geweint, trotzdem muss man professionell bleiben.
Welche Eigenschaften sind in deinem Beruf besonders wichtig?
Man sollte in diesem Job belastbar sein, eine gute Resilienz und viel Empathie haben. Auch weil die Familien bei uns in allergrößter Sorge sind. Außerdem sollte die Bereitschaft da sein viel lernen zu wollen.
An meiner Arbeit gefällt mir, dass jeder Dienst anders ist und es nie langweilig wird. Außerdem ist sie aktiv, körperlich wie kognitiv. Wir haben ein tolles Team. Natürlich gibt es bei fast 60 Frauen im Team auch mal Unstimmigkeiten, aber im Großen und Ganzen ist die Stimmung sehr gut.
Was hat sich in den letzten 20 Jahren verändert? Was ist besser, was schlechter?
Meine Arbeit und die Voraussetzungen haben sich in den letzten Jahren sehr verändert. Vor 15 Jahren stand mein Telefon an freien Tagen nicht still. Ständig wurde jemand zum Einspringen gesucht. Nach einem Frühdienst am Wochenende mussten wir noch Rufdienste bis am Abend machen, weil zu wenig Personal da war.
Mittlerweile haben wir eine App. Dort werden von unserer Stationsleitung Dienste eingestellt, die wegen Krankheit o.ä. kurzfristig besetzt werden müssen. Diese Dienste sind (vor allem an Sonn- und Feiertagen) sehr begehrt, weil sie (extra) bezahlt werden. Das ist sehr angenehm, weil man sich nicht ständig verpflichtet fühlt, einzuspringen.
Außerdem ist die Dienstplangestaltung nicht mehr so steif. Das liegt aber an einer sehr toleranten Chefin. Unsere Stationsleitung gestaltet den Dienstplan sehr zu unseren Wünschen. Auch wenn sie am Schichtdienst natürlich nichts ändern kann, geht sie sehr auf uns ein und versucht es jedem recht zu machen. Wenn jemand nicht gerne Nachtdienste macht, muss das nicht sein… Es wird immer nach einer Lösung gesucht.
Was hat sich noch verändert?
In der Frühgeborenenversorgung hat sich in den letzten Jahren sehr viel verändert. Vor 20 Jahren wurden die Frühchen noch nicht so früh zum „Känguruhen“ rausgegeben wie heute. Es war auch undenkbar, ein kleines Frühgeborenes nach der Geburt und der Erstversorgung mit einer Atemunterstützung, der Mutter zum Bonden auf die Brust zu legen. Zum Glück weiß man heute besser, wie wichtig die erste Bindung ist.
Mittlerweile werden die Eltern auch viel mehr in die Pflege mit einbezogen, vom medizinischen Fortschritt ganz zu schweigen. Die Grenze der Überlebenschance verschiebt sich dadurch auch.
Du hast gesagt, dass es auf deiner Station keinen Fachkräftemangel gibt. Woran liegt das?
Ja, wir sind personell gut aufgestellt. Ich glaube, es liegt überwiegend an unserem Patientenklientel. Wir haben keine Onkologie, keine Neurochirurgie und keine Kardiochirurgie für Kinder im Haus. Bei uns liegen überwiegend Frühgeborene, kranke Neugeborene und Kinder nach Verkehrsunfällen, Ertrinkungsunfällen…
Durch die vielen Fachgebiete an einer Uniklinik ist die Arbeit dort deutlich belastender und die Fluktuation dementsprechend höher. Ich könnte mir nicht (mehr) vorstellen, an einer Uniklinik auf einer Kinderintensivstation zu arbeiten.
Außerdem glaube ich, dass eine gute Einarbeitung neuer Kollegen sehr wichtig ist und ein guter Rückhalt im Team. Viele schmeißen das Handtuch in den ersten 6 Monaten, weil die Belastung zu hoch ist, sie sich allein gelassen fühlen und das Team unzufrieden ist. Wir haben eine Stationsleitung, die sehr viel Wert darauflegt, dass es ihrem Team gut geht.
Ich weiß von Kollegen aus anderen Häusern, dass es an Pflegepersonal mangelt. Die Pflege muss dringend gestärkt werden. Und natürlich muss die Bezahlung besser werden. Nur so wird die Pflege für mehr Menschen interessant.
Findest du, du bekommst genug Anerkennung – auch finanziell – für deine Arbeit?
Ich werde nach Tarif bezahlt. Natürlich könnte es für die Verantwortung mehr sein. Trotzdem bin ich nicht unzufrieden.
Wenn sich der Gesundheitszustand der Kinder und Jugendlichen verbessert, sie gesund nach Hause gehen oder ich eine dankbare Geste von Eltern bekomme, ist das für mich eine große Anerkennung. Meine Arbeit macht mich sehr zufrieden, weil sie sinnvoll ist. Das ist ein großes Privileg.
1 comment
Mich hat der Artikel sehr berührt .Ich freue mich, dass sich die Autorin mit so viel Hingabe ihrem so existentiellen Job widmet.
Ich freue mich auch, dass es noch funktionierende Intensivstationen gibt.