Ihr Lieben, sicherlich kennt ihr das komische Gefühl, nach der Elternzeit in den Job zurück zukehren. Was hat sich dort verändert? Wie habe ich mich selbst verändert? Kann ich das überhaupt noch bzw. welche neuen Skills bringe ich nun mit? Genau über diese Themen haben wir mit Susann J. Moldenhauer gesprochen, sie ist Finanzwirtin, Coachin und Autorin des Buches Kenne deinen Wert! Der Gehaltsratgeber für Frauen.
Einige Mütter haben nach der Elternzeit das Gefühl, gar nicht mehr richtig in den Job finden zu können, ihr beruflicher Selbstwert ist klein. Wie können wir da gegensteuern und wieder zu mehr Selbstbewusstsein kommen?
Für mehr Klarheit und damit Selbstbewusstsein in dieser Situation sorgt, sich schon vor der Elternzeit Gedanken darüber zu machen, wie es später im Job weitergeht. Dazu sollten werdende Mütter mit der Vorgesetzten ihre Rückkehr und Weiterentwicklung im Job besprechen und planen. Um das eigene Selbstwertgefühl aufzubauen, hilft es, die Mutterschaft als Zugewinn zu sehen, statt sich dahinter zu verstecken. Schließlich entwickeln oder erweitern Mütter ihr Skillset, das ihnen im Job als wertvolle Ressource dient: Sie übernehmen Verantwortung, sind Organisationstalent, können sich durchsetzen, sind flexibel und belastbar, haben den Überblick und können blitzschnell Konflikte lösen.
Frauen mit Kindern fürchten zu Beginn auch, viel zu sehr raus zu sein aus allem, aus dem Jobthema aber vielleicht auch aus der Konversation mit erwachsenen Personen im Businesskontext. Da wächst dann vielleicht die Furcht, gar nicht mehr genug bieten zu können…
Ich rate Frauen mit Kindern, auch während der Elternzeit auf dem Laufenden zu bleiben, was wichtige Entwicklungen im Job oder generell in der Branche, betrifft. Dazu können Zeiten für Kontakt zu Kolleginnen oder dem beruflichen Netzwerk eingeplant werden. Wichtige Informationen kann man sich über online Austausch oder Onlinekurse holen. Ein Gespräch mit dem Vorgesetzten darüber, wie die Versorgung mit wichtigen Informationen während der Elternzeit konkret aussehen kann, signalisiert dem Arbeitgeber Engagement, Interesse und dass frau auch als Mutter „nicht aus der Businesswelt“ ist.
Was ist mit der schwierigen Vereinbarkeit: Die Sorge, alles nur ein bisschen zu machen und dadurch weder im Job noch als Mutter wirklich vollständig da sein zu können… ist die berechtigt?
Die viel diskutierte Frage nach der Vereinbarkeit von Job und Familie ist durchaus berechtigt. Doch ich erlebe oft, dass sich gerade Frauen viel zu sehr unter Druck setzen, die perfekte Mutter, Haus-, Ehe- und Karrierefrau zu geben. Sie schultern alles selbst und tun sich schwer damit, auch mal ihre Grenzen zu setzen und Aufgaben abzugeben. Hier hilft, sich mit dem Vater des Kindes oder Lebenspartner zusammen zu setzen und Aufgaben aufzuteilen. Auch Netzwerke im Freundes- oder Elternkreis sind nützlich. So können zum Beispiel Fahrgemeinschaften zur Kita/Schule gebildet werden oder die Eltern können sich gegenseitig beim Babysitten unterstützen. Ich kenne auch Fälle, in denen der Vater eine Zeitlang seine Arbeitszeit reduziert hat, sich mehr um die Kinder gekümmert hat und seiner Partnerin dadurch den beruflichen Aufstieg ermöglicht hat. Es gibt immer Wege, wenn beide Partner offen dafür sind, gemeinsam Lösungen zu finden.
Alleinerziehenden empfehle ich, sich Netzwerke zu suchen. Gespräche mit Gleichgesinnten können helfen, auch in zunächst unwägbar scheinenden Situationen Lösungen zu finden.
Mit dem Arbeitgeber sollte besprochen werden, wie eine gute Lösung konkret aussehen kann. Bietet er Flexibilität zwischen Homeoffice und Anwesenheit im Unternehmen, Raum für individuelle Ziele und Bedürfnisse? Kann die Stelle mit einer Kollegin geteilt werden, zB. im Tandem als Job- oder Top-Sharing Position? Diese Lösung sollte nicht als „Mutti-Modell“, sondern als Instrument einer modernen, lebensphasenorientierten Karriereplanung verstanden werden und das sollte genau so auch dem Vorgesetzten vermittelt werden.
Was erzählen Sie über Altersarmut, wenn sich Frauen dann doch überlegen, länger als geplant zu Hause zu bleiben? Oder geben Sie eher den Tipp, sich Ausgleichszahlungen durch den Partner zu organisieren?
Auch in diesem Punkt bin ich realistisch und direkt und verweise auf das Statistische Bundesamt, nachdem hierzulande jede dritte Ehe geschieden wird. Frauen sollten sich gerade in Sachen Altersvorsorge und Rente nicht auf den Partner verlassen, sondern sich immer die Frage stellen, was wäre, wenn sie eines Tages nach der Familienphase alleine dastünden. Ich kenne unzählige Fälle, in denen Frauen sich auf ihren Partner verlassen haben, die Familie an erste Stelle und ihre berufliche Karriere hintendran gestellt haben, bis das schöne Kartenhaus irgendwann in sich zusammenfällt. Dann bleibt meist ein Leben auf Hartz-IV-Niveau und nur schwer die Chance, einen guten Job zu ergreifen. Die Realität sieht leider nicht so romantisch aus, wie in den Zeiten der rosaroten Brille.
Deshalb gilt: Berufliche Ziele sollten neben der Familienplanung nicht vergessen werden. Auch, wenn eine Frau doch länger zuhause bleiben möchte, sollte sie sich genau überlegen, wie ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt in einigen Jahren aussehen, wie sie sich informiert und auf dem Laufenden hält oder ob sie nebenher vielleicht eine Freiberuflichkeit oder Selbstständigkeit angehen möchte.
Rechtzeitig vor der Elternzeit sollte mit dem Partner besprochen werden, wer länger zuhause bleit. Für denjenigen sollten dann weiterhin Beiträge für den Vermögensaufbau investiert werden. Mit dem Arbeitgeber kann ein passendes Wiedereinstiegsszenario besprochen werden. Stufenweise Wiedereinstieg, erst Teilzeit mit der Option auf Weiterentwicklung oder gibt es die Möglichkeit, sich eine Führungsposition mit einer Kollegin im Tandem zu teilen (Job-Sharing)?
»Mädchen lernen immer noch, bescheiden, nett, freundlich und brav zu sein, während Jungs eher lernen, ihre Wünsche zu artikulieren.« Was können wir dagegen tun?
An der Basis beginnen: Als Eltern können wir darauf achten, Mädchen und Jungen gleichermaßen den Raum zu geben, sich gemäß ihrer Talente, Fähigkeiten und Bedürfnisse zu entwickeln, ohne ihnen vielleicht aufgrund eigener Ängste, Bedenken oder überholter Rollenmuster falsche Grenzen zu setzen.
Inwiefern spielt bei Frauen in Beziehungen auch der Partner eine Rolle? Welche Gespräche sollten hier vorher stattfinden, damit sich die Firma wirklich auf mich verlassen kann, damit die Frau nicht doch immer mit einem Ohr am Telefon auf den Anruf der Krippe wartet?
Wie zuvor schon erwähnt, sollte mit dem Partner besprochen werden, wie die wichtigsten Aufgaben aufgeteilt werden. Ich sage dazu: „Die eigene Familie ist (d)ein Team“, also sollte auch alles als Teamarbeit verstanden werden: die weitere Karriereplanung genauso wie die Erziehungs- und Hausarbeit. Dem Arbeitgeber sollte vermittelt werden, dass man auch in Krisensituationen gut organisiert ist, sofern das der Fall ist.
Viele Frauen stellen sich nach der Geburt auch die Sinnfrage: Ist es mir das für diese Chefin oder diesen Chef wirklich wert, mein Kind nicht zu sehen, etliche erfinden sich neu. Da entsteht also offenbar auch eine ganz neue Kreativität…
Ja, das stimmt. Prioritäten verschieben sich, neue oder andere Werte und Bedürfnisse rücken an die erste Stelle. In diesem Zusammenhang überlegen sich viele Frauen auch, sich selbstständig zu machen, um freier über ihre Zeit verfügen zu können. Das ein oder andere erfolgreiche Geschäftsmodell ist so „ganz nebenbei“ entstanden, weil eine Lösung für einen Bedarf entwickelt wurde. Hierzu gilt es, sich genau zu überlegen, auf welchem Talent eine tragfähige Selbstständigkeit aufgebaut werden kann, auf welchem Gebiet frau sich zur gefragten Expertin weiterentwickeln könnte und wie die Nachfragesituation dazu aussieht.
Wir sind belastbar, flexibel, absolute Teamplayer zu Hause: Als Mütter entwickeln wir Multitasking-Skills – wie schaffe ich es vor den ArbeitgeberInnen, meine Mutterschaft als „Bonbon“ zu verkaufen statt als Unwägbarkeit wegen Kinderkranktagen etc.
Hier stellt sich die Frage, worauf der Fokus gesetzt wird: auf mein Skillset als Mutter, das mir im Job als wertvolle Ressource dient, also auf meine Verantwortungsbereitschaft, mein Organisationsgeschick, meine Konfliktfähigkeit, und so weiter? Oder richte ich den Fokus darauf, dass ich gestresste und überforderte Mutter bin und ab und zu als „kindkrank“ ausfallen muss? Im zweiten Schritt kann ich mir überlegen, welchen Mehrwert ich gerade durch diese Skills im Job einbringe. Und im dritten Schritt kann ich meiner Chefin genau das, weitergedacht in Form einer Vision für mein eigenes Wirken, verkaufen.
Ist der Gender Pay Gap Ihrer Meinung nach auch selbstverschuldet, weil Frauen nicht gut genug verhandeln?
Diese Frage ist aus mehreren Blickwinkeln zu beantworten. Zum einen wählen Frauen auch heute noch tendenziell niedriger dotierte Jobs, machen häufiger familienbedingt Berufspausen oder sind länger teilzeitbeschäftigt. Zum zweiten sind sie weniger proaktiv um ihre Karriere oder Weiterentwicklung im Job bemüht. Sie fragen seltener bis gar nicht nach Gehaltserhöhungen und scheuen eher die Auseinandersetzung, wenn es darum geht, eine klare Position zu beziehen und für ihre Ideen oder Lösungen einzustehen. Selbst in gleichen Positionen, mit gleicher Qualifikation und sogar in Beschäftigungsverhältnissen mit transparenter Tarifstruktur erhalten Frauen im Schnitt deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen.
Außerdem kann ich beobachten, dass Frauen in jüngster Zeit wieder verstärkt in traditionelle Rollenmuster zurückfallen. Sie wünschen sich Verlässlichkeit, einen geregelten Job und gehen weniger ins Risiko. Gerade in Krisensituationen, wie der noch andauernden Pandemie, sind es eher die Frauen, die zurückstehen, das Homeschooling übernehmen und sich hinter ihren Mann stellen, nach dem Motto: „Ich bleibe zuhause, er muss ja arbeiten.“
Wie und woran erkenne ich meinen Wert?
Zunächst einmal sollte ich mir der eigenen Leistung, des erbrachten Mehrwerts im Job bewusst werden: Welches Projekt habe ich besonders erfolgreich abgewickelt? Wo habe ich wichtige Prozesse optimiert, für Einsparungen gesorgt oder neue Ideen erfolgreich umgesetzt? Oder habe ich neue Kolleginnen besonders gut beim Onboarding begleitet und eingearbeitet? Habe ich interessante Kunden fürs Unternehmen gewonnen, usw.? Ergänzend kann ich meinen Marktwert ermitteln: dieser setzt sich aus meiner Qualifikation, meinen Spezialkenntnissen, meinen Erfahrungswerten und meiner Persönlichkeit zusammen.
Aus dieser Kombination leite ich ab, wofür ich stehe und was ich erreichen will. Ich kann mir zudem Fragen stellen, wie zum Beispiel: Vor welchen Herausforderungen stehen wir in der Abteilung/ im Unternehmen/ in unserer Branche? Wie will ich Probleme lösen?
Und was, wenn man mich auslacht oder nicht ernstnimmt, wenn ich meinen Gehaltswunsch äußere?
Dazu kann ich mir im Vorfeld klarmachen, mit welcher Erwartungshaltung ich ins Gespräch gehe. Erwarte ich von vorneherein, dass man mich und meine Gehaltsvorstellung, meinen Gehaltswunsch nicht ernst nimmt, dann werde ich das im Gespräch unterschwellig ausstrahlen. Zudem sagt das etwas darüber aus, ob ich selbst hinter meiner Forderung stehe und welche Einstellung ich zu meiner Leistung habe. Sehe ich das Gehalt als eine selbstverständliche Kompensation für meine (Mehr)leistung oder habe ich etwa eine negative, von Berührungsängsten zeugende Haltung zu Geld?
Wichtig ist, sich mit den eigenen Gehaltszielen zu befassen, dazu eine schlüssige Argumentation zu entwickeln und sich mit möglichen Gegenargumenten auseinanderzusetzen. Für Souveränität sogt, mit der Haltung ins Gehaltsgespräch zu gehen, dass das Thema genauso selbstverständlich ist, wie andere Details zum Arbeitsverhältnis, beispielsweise das Aufgabenpaket, die Arbeitszeiten und dergleichen.
Wie also gehe ich gut vorbereitet in eine Gehaltsverhandlung?
Die top Vorbereitung auf die Gehaltsverhandlung umfasst mehrere Schritte. Es beginnt mit der Recherche zu Gehältern, dazu gibt es eine große Auswahl an Plattformen im Netz. Kenne ich meinen (Markt)Wert, den ich, wie bereits beschrieben, ableite, kann ich einen Rahmen für meinen Gehaltswunsch ableiten. Zudem sollte ich mir die Frage stellen, ob ich zufrieden im derzeitigen Job bin, was ich eventuell verändern oder wie ich mich weiterentwickeln möchte. Passt mein Werteverständnis zum Arbeitgeber, zu dem, was ich mache? Gibt es andere Themen, außer dem Gehalt, die ich verhandeln möchte, zum Beispiel geldwerte Vorteile, flexible Arbeitszeitgestaltung, Homeoffice, eine interessante Fortbildung oder die 4-Tage-Woche?
Dann sollte ich mich fragen: habe ich Angst vor der Auseinandersetzung oder nicht gut genug zu sein? Scheue ich hohe Zahlen? Tue ich mich schwer damit, mich durchzusetzen und in Verhandlungen souverän zu bleiben? Das sind Themen, die ich angehen und auflösen kann. Falls ich nicht weiterkomme, sollte ich mir kompetente Unterstützung bei einer Karriereberaterin/Coach holen.
Dann geht es an die konkrete Ableitung meiner Gehaltsziele und einem Plan B, denn der gibt mir in der Verhandlung mentalen Halt. Es hilft, sich 3 Ziele zu setzen, das bietet einen guten Verhandlungsrahmen. Drei bis fünf gute Argumente, die für die sachliche Auseinandersetzung genutzt werden, untermauern die Gehaltsforderung. Eine stimmige Sprechweise und Körpersprache runden die souveräne Haltung in der Verhandlungssituation ab.
1 comment
Ich feiere jeden Beitrag, der auf die Gender Pay Gap aufmerksam macht und hilft, sie nach und nach etwas zu schließen. Viel Erfolg für Susan Moldenhauer und ihr Buch! Schließlich haben wir 2022.