Ihr Lieben, immer wieder hören wir hier von Familien, die es vielleicht eh schon etwas schwerer haben als andere. Von pflegenden Familien, von Menschen, die von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen noch zusätzlich behindert werden. Inklusion? Ein schönes Wort. Aber wird die wirklich gelebt?
Da wird für die krebskranke Dreifachmama erstmal der Antrag auf Haushaltshilfe abgelehnt, da kommt der neue Rollstuhl für das jüngste Kind nicht, da passieren Dinge, die einfach zusätzlich behindern und Arbeit bedeuten und Bürokratie und Anträge. Als hätten es diese Familien nicht schon schwer genug. Dabei müsste das doch alles ganz anders laufen!
Inklusion und Teilhabe möglich machen
Einen roten Teppich sollten wir ihnen auslegen! Diesen Menschen, die sich so selbstlos kümmern! Die Teilhabe ermöglichen, wo so viele Barrieren sind.
Gutes tun und darin auch noch behindert werden? Das kann man sich als nicht-betroffene Familie vielleicht kaum vorstellen, aber es ist so. Auch jetzt grad wieder zu sehen am Umgang der politisch Verantwortlichen mit der web-individualschule.
Wir haben die Einrichtung hier schon einmal vorgestellt. Die „web“ ist die einzige Online-Schule Deutschlands, hier werden Kinder unterrichtet, die am Regelschulsystem aus den verschiedensten Gründen nicht mehr teilnehmen können. Kinder mit Fatigue-Syndrom, die nur wenige Stunden am Tag wach sind. Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störungen. Heranwachsende mit Mobbingerfahrungen.
Maßgeschneiderte Unterrichtsinhalte
All diese Kinder bekommen hier die Chance, doch noch einen Abschluss zu machen. In einer Eins-zu-eins-Betreuung mit maßgeschneiderten Unterrichtsinhalten. Wie das aussehen kann? Zum Beispiel so (hier jetzt natürlich in extrem vereinfachter Form niedergeschrieben):
Ein Asperger-Autist, der Bushido liebt, analysiert in Physik die Pyro der Show, nimmt sich in Mathe die Konzertkartenverkäufe vor und analysiert in Deutsch die Songtexte. (Jetzt mal ganz vereinfacht gesprochen). Dabei findet der Unterricht zu Hause am Laptop statt, was aber nicht heißt, dass da kein Kontakt zu Gleichaltrigen besteht.
Zusammenhalt und digitale Selbsthilfegruppen
Es gibt digitale Selbsthilfegruppen genauso für autistische Kinder wie für trans-Kinder oder Jugendliche mit Essstörungen, es gibt ein Magazin, das gemeinsam gestaltet wird, es wir sehr auf den Zusammenhalt gebaut. Für viele Schülerinnen und Schüler ist das die Chance, überhaupt noch einen Abschluss zu bekommen.
Nun wird es der Schule und ihren Schützlingen aber unnötig schwer gemacht, was ebenjene Abschlüsse angeht. Bislang war es so, dass die Abschlussprüfungen am Standort der webschule in Bochum abgenommen werden konnten. Ein NRW-Abschluss, egal, wo die Kinder wohnhaft sind. Der Lehrplan dieses Bundeslandes war bislang Standard für alle Unterrichtenden der web-individualschule. Die Bezugs-Lehrkräfte konnten die Schüler und Schülerinnen zu ihren Prüfungen begleiten und so für Vertrauen und ein sicheres Gefühl sorgen.
Abschlussprüfungen im Föderalismus
Doch DAS soll jetzt plötzlich nicht mehr gehen. Alle SchülerInnen und Schüler sollen nun in den Bundesländern geprüft werden, in denen sie wohnen. Das stellt die Lehrkräfte vor logistische Unmöglichkeiten. Sie können nicht nur nicht durch die ganze Republik reisen, um ihre Schützlinge zu den Prüfungen zu begleiten, nein, sie müssten mit den Kindern auch jeweils andere Lehrpläne durcharbeiten, je nach Bundesland eben unterschiedlich.
Fassen wir nochmal zusammen: Hier gibt es eine Schule, die Inklusion lebt, die eine Chance für all jene ist, die von so vielen vielleicht schon aufgegeben wurden – und jetzt werden diesen Menschen, die sich für diese Schüler und Schülerinnen so sehr engagieren, solche Steine in den Weg gelegt? Warum? Seit Jahrzehnten funktioniert das mit den NRW-Abschlüssen so wunderbar. Nun soll alles verkompliziert werden. Es ist eine schreiende Ungerechtigkeit und ich wiederhole mich gern:
Es braucht Unterstützung statt Erschwerung!
Diesen Menschen sollten rote Teppiche ausgelegt werden für ihr Abholen dieser besonderen Menschen, für ihren Einsatz, Teilhabe wirklich möglich zu machen, für ihre Hilfe bei den vermeintlich Schwächsten.
Doch statt sich auf ihr Sozialleben und ihre Bildung, auf Bindung und Beziehung, auf Motivation und Voranschreiten zu konzentrieren, müssen sich die Lehrkräfte nun um Prüfungsordnungen und Anträge kümmern, sich wiederholt vor der Politik rechtfertigen und abermals kämpfen, um irgendwann hoffentlich endlich wieder in Ruhe das tun zu können, wofür ihr Herz schlägt: Nämlich denen helfen, die es am dringendsten benötigen.
Wenn ihr das genauso ungerecht findet, teilt diesen Beitrag gern, leitet ihn an eure Abgeordneten weiter und unterschreibt auch gern diese Petition der Elternschaft.
2 comments
Hallo,
erst einmal: es ist wirklich toll, dass es solche Schulen gibt- und dass die Arbeit so erschwert wird ist nicht schön.
Aber: eine 1:1 Beschulung in Form von Onlineunterricht ist meiner Meinung nach Keine Inklusion- sondern eine eindeutige Seperation der Schüler, die nicht ins System passen und dann halt nach ihrem individuellem Förderbedarf beschult werden -selbst wenn Kontakt zu Gleichaltrigen bestehen oder auch Gemeinschaftsprojekte entwickelt werden
Hallo Carmen,
Ich sehe es schon als Inklusion. Nicht in das Schulsystem, aber in die Gesellschaft.
Auf diese Schule dürfen ja nur nicht Schulpflichtige Kinder/Jugendliche. Im Zweifelsfall würden sie dann keine Schule besuchen und keinen Abschluss erwerben. Ohne Abschluss und mit einer Andersartigkeit und/ oder Problemen werden diese stärkere Probleme haben, sich im späteren Leben in die Gesellschaft und Arbeitswelt einzufügen, als ohne diese Schule.