Trauerfall: „Soll mein Kind mit zur Beerdigung?“ „Unbedingt anbieten!“

Wenn Kinder trauern

Bücher für trauernde Kinder.

Ihr Lieben, früher oder später werden wir alle mit dem Tod konfrontiert. Sei es das Vögelchen, das gegen unsere Scheibe geflogen ist… oder weil Oma oder Opa nun schon wirklich, wirklich alt waren. Manchmal geschieht auch ein Unfall und plötzlich fehlt jemand, den man selbst sehr gern gemocht hat. Kinder neigen in der Trauer oft dazu, ganz neugierig Fragen zu stellen.

Auch solche, auf die wir Erwachsenen vielleicht nicht immer sofort Antworten haben. Etwa, ob der Tote unter der Erde von Würmern angeknabbert wird (wird er nicht, zwei Meter tief drückt die Erde so sehr, dass Würmer da unten gar keine Chance haben). Kinder gehen unbedarft an das Thema heran und verstehen auch oft nicht direkt, dass Totsein wirklich für immer ist.

Trauer bei Kindern: Wie geht Sterben eigentlich?

Sie fragen sich: Wie geht Sterben eigentlich? Wie sieht es unter der Erde aus? „Kinder trauern oft fantasievoller und authentischer als Erwachsene“, sagt Familientrauerbegleiterin Mechthild Schroeter-Rupieper. So zeigt sie etwa den Brief eines Elfjährigen, der gerade erst von einem Todesfall erfahren hat und gerne kondolieren möchte. Er schreibt:

„Liebe Gabi, dein Essen ist sehr gut, ich freu mich immer, wenn du für uns kochst. Du bist sozusagen meine zweite Oma. Bleib ganz stark, also einfach dein Leben weiterleben! Ich wünsche dir viel GLÜCK und es tut mir sehr leid, dass deine Mutter gestorben ist, wenn ich Du wäre, hätte ich Tonnen geweint. Aber du bist STARK! In Liebe, Philipp“

Trauerbegleiterin: „Kinder gehen viel unbefangener mit Trauer um“

Während Erwachsene um Worte ringen, muss dieser Elfjährige für dieses Kondolenzschreiben nicht lange nachdenken. Sein Umgang mit dem Thema Trauer ist unbefangen, da hat er vielen Erwachsenen etwas voraus. „Von Kindern können wir uns in Sachen Trauer vieles abschauen“, sagt die Trauerbegleiterin. Sie weinen, wenn sie traurig sind und lachen, wenn sie glücklich sind. Beides darf sein, ja, auch wenn gerade jemand gestorben ist. „Viele Erwachsene wollen `stark` sein oder `sich nicht gehen lassen`“, erzählt Schroeter Rupieper. Nur warum eigentlich?

Darf die kleine Pia nicht sehen, dass auch Mama um ihren Papa weint? Darf sie nicht auf die Beerdigung, weil das traurig sein könnte? Dabei ist sie doch zu Hause genauso traurig! Und kann es nicht auch tröstend sein, wenn sie sieht, wie viele ihren Papa liebgehabt haben und jetzt traurig sind – wie sie?!

Auf der Beerdigung: Kinder handlungsfähig machen

In ihren Trauergruppen im Lavia Institut für Familientrauerbegleitung – insgesamt 16 leitet sie derzeit – rät Schroeter-Rupieper, den Kindern zur Beerdigung etwas in die Hand zu geben. Zum Beispiel bunte Taschentücher. Wenn das Kind also jemanden sieht, der weint, kann es hingehen und ein Taschentuch reichen. „So machen wir die Kinder handlungsfähig.“

Sie müssen nicht in Opferstellung verharren, sie haben einen Auftrag, etwas zu tun. Sie sehen: Ich kann etwas bewirken. Ich bin nicht handlungsunfähig. Ich kann an der Situation aktiv etwas verändern. Und vor allem: Etwas in der Hand, an dem sie sich festhalten können. Ein Täschchen mit Taschentüchern.

„Kinder haben keine Angst vor Trauer“

Auch das Anmalen des Sarges vor der Beerdigung kann ein solches-In-Handlung-Kommen sein. Aktivität statt sich zu ergeben. Kinder haben keine Angst vor Trauer, weiß Schroeter-Rupieper. Sie dürfen erfahren, dass Abschiede traurig sind. Dass sie mit ihrem Traurigsein nicht allein sind. Und sie sollten den Tod begreifen können, meint die Familientrauerbegleiterin. Oft begleitet sie die Hinterbliebenen zu den Verstorbenen, ja, auch die Kinder. Noch einmal die Hand anfassen, oh, die ist kalt. Stimmt, da ist wirklich kein Leben mehr. Kindgerecht. Und ja, jetzt weinen hier alle. Es ist ja auch traurig.

Erwachsene schwimmen durch ein Meer der Trauer, Kinder hüpfen durch Pfützen

Viele Erwachsenen sorgten sich, wollten, dass das Kind den lebendigen Menschen in Erinnerung behält. Aber nur, weil die den Verstorbenen sehen, heißt das ja nicht, dass alle lebendigen Erinnerungen erlöschen. Ob der Oma das Halstuch wohl gefallen würde? Nee? Würde sie jetzt vielleicht sogar meckern und fragen, warum sie so etwas Komische angezogen bekommt? Lächeln.

Bestimmt.  

Während Eltern bzw. Erwachsene, die die Tragweite des Todes bereits erfassen, sich durch ein Meer der Trauer schwimmen, ist es für Kinder oft eher ein Pfützenhüpfen. Mal traurig oder still und zurückgezogen, mal weinend, von jetzt auf gleich aber auch wieder fröhlich und hungrig und quirlig. Kinder können viel besser im Moment leben.

Buchempfehlungen zu Abschied und Trauer für Kinder

Da das Thema Trauer hier bei uns im Blog nicht ausgespart wird, weil der Tod nun einmal zum Leben dazugehört und ich auch selbst schon Verluste erlebt habe, bekommen wir immer mal wieder die Frage zu hören, welche Literatur zum Thema Beerdigung, Abschied, Trauer denn wirklich für Kinder geeignet ist. Und da möchten wir euch hier mal die vier Bücher vorstellen, mit denen wir am häufigsten antworten, weil wir wirklich überzeugt von ihnen sind.

Geht Sterben wieder vorbei?

GehtSterbenVorbei

Ein Sachbilderbuch, das Kinderfragen zu Tod und Trauer beantwortet.
Von der erfahrenen Familien-Trauerbegleiterin Mechthild Schroeter-Rupieper geschrieben.
Einzigartig: Geschichte und echte Kinderfragen in einem Buch

Marlene und Paul lieben ihren Opa über alles, auch wenn sie nicht mehr zusammen mit ihm Tomaten pflanzen und daraus Ketchup machen können. Jetzt ist er sehr schwach. Wenig später stirbt er und die Kinder erleben, was danach passiert: wie der Bestatter zu ihnen nach Hause kommt, was im Krematorium passiert, wie die Beerdigung abläuft, warum man anschließend noch zusammenkommt. Aber auch, wie sie die Erinnerung an ihn bewahren können.

Hilf mir, wenn ich traurig bin

HilfMirWennIchTraurigBin

Hilf mir, wenn ich traurig bin! Rede mit mir, male mit mir, schweige mit mir, sei wütend mit mir, lache mit mir. – Wenn Kinder trauern, hilft es ihnen ungemein, wenn Erwachsene an ihrer Seite sind, die die kindlichen Gefühle ernst nehmen und sich einfühlen können. Dieses außergewöhnliche Buch hilft Kindern und Erwachsenen in Trauersituationen, spielerisch ins Gespräch zu kommen, zu verstehen und auf kreative Weise Gefühle auszudrücken. Die behutsamen wie anregenden Illustrationen sprechen Kinder und Erwachsene gleichermaßen an und lassen Raum für die eigene Kreativität.

Kommt Papa gleich wieder?

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Alex ist erst drei Jahre alt, als sein Vater einen schweren Herzinfarkt erleidet. Ganz allein schafft er es, Hilfe zu holen, doch sein geliebter Papa stirbt noch im Krankenwagen. Das illustrierte Buch erklärt Kindern in altersgerechten Worten den (plötzlichen) Tod eines nahestehenden Menschen und versucht behutsam Antworten zu geben auf die Fragen, die Kinder in so einer Situation beschäftigen: Wirst Du auch sterben, Mama? Wer kümmert sich dann um mich? Wann muss ich sterben? Erwachsene erhalten Hilfestellung, um Kinder in ihrer Trauer zu begleiten. Das Buch eignet sich auch für Kindergärten, Schulen und Kindertrauerstellen.

Lass mich einfach traurig sein

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Lass mich einfach traurig sein ist ein Bilderbuch für Kinder, die mit einer traurigen Situation fertig werden müssen. Das Buch soll ihnen den Mut und den Raum geben, ihre Trauer zuzulassen und Hoffnung geben, dass es irgendwann leichter wird. Das Buch richtet sich primär an Kinder, findet aber auch bei Erwachsenen durch seine klare Grafik hohen Anklang.

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Wenn alles Kopf steht. Selbst der Buchtext…

Infobox: Trauerbegleitung wird leider nicht von Krankenkassen refinanziert. Wer bei der Spendenaktion „1-Euro-Spende monatlich“ für das Institut für Familientrauerbegleitung mitmachen und damit Begleitung für Familien in ihren schwersten Stunden möglich machen möchte kann gerne dieses Paypalkonto http://bit.ly/LaviaPayPal nutzen oder sich auf dem Flyer umschauen: https://www.lavia.de/…/2020/02/Lavia-Faltblatt-gGmbH.pdf

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7 comments

  1. Meiner Meinung nach ist es in Ordnung, wenn Kinder schon früh mit dem Tod konfrontiert werden. Meine Familie hat einen Verlust eines geliebten Menschen erlitten. Wir möchten den Abschied und die Trauerfeier professionell planen lassen. Dafür suchen wir uns diese Woche einen erfahrenen Bestatter.

  2. Wir planen momentan eine Beerdigung. Gut zu wissen, dass man dem Kind ab einem gewissen Alter eine Beerdigung nicht vorenthalten sollte, da Trauer zum Leben dazu gehört. Wir werden den Rest mit einem Bestatter abklären.

  3. Der Beitrag hat mir wirklich gut gefallen und die empfohlenen Bücher über Trauer klingen auch interessant. Meine Tante, die ich leider nie kennengelernt habe, ist vorgestern verstorben. Am besten richten wir uns heute an ein zuverlässiges Bestattungsinstitut, das die Beerdigung plant.

  4. Danke für den Tipp, bei einer Beerdigung den Kindern etwas in der Hand zu geben, an dem sie sich festhalten können. Mein Onkel möchte seinen Sohn zur Beerdigung seines Opas mitbringen. Er wird ihm Taschentücher in der Hand geben, um seinen Aufenthalt bei der Beerdigung einigermaßen zu erleichtern.

  5. Danke für den Tipp, den bei einer Beerdigung anwesenden Kindern Taschentücher in der Hand zu geben, um sie handlungsfähig zu machen. Mein jüngster Cousin war neulich bei der Beerdigung seines Opas. Sein Vater hatte ihm zum Glück Taschentücher gegeben, die er den anderen Trauergästen gegeben hat und damit handlungsfähig gewesen ist.

  6. Hallo Christiane,
    ist die Trauer denn nun vorbei und herrschen eher gute Gefühle mit wehmütiger Erinnerung? Ich frage mich nämlich, wie wir diesen Twist unterstützen können bei der Trauerbewältigung. Wir sind allerdings nicht gläubig, weshalb uns der Gedanke mit dem Himmel nicht viel helfen würde, aber möglicherweise gibt es noch andere Ansätze ins “gute erinnern“ zu kommen? Wir bleiben mit unserem Kind oft in den negativen Gefühlen gefangen.

    Triggerwarnung

    Unsere Familie wurde durch den Suizid eines angeheirateten, sehr engen noch sehr jungen Verwandten erschüttert. Wir durften nicht zur Beerdigung, da die Kernfamilie dieses nicht wünschte. Für mich persönlich war es ok. Mein Mann und unser 5jähriges Kind hätten die Trauerfeier aber gebraucht. Wir haben alle Fragen offen und ehrlich beantwortet und fahren sehr gut damit. Es gibt immer noch Phasen, in denen die Trauer des Kindes hochkommt – so in Wellen.
    Unser Kind reguliert aber selber, wie viel es wissen möchte und lenkt sich automatisch ab, wenn es ihm reicht und spielt plötzlich mit Kuscheltieren oder so. Das war am Anfang befremdlich, aber es ist sein Weg “stopp“ zu zu viel Informationen zu sagen. Tagsüber herrschen Wissensdurst und Warum-Fragen.
    Abends wird es oft schwermütig und da es recht gefühlsstark ist, kommen Themen wie Tod und Suizid und belastende Gespräche schnell und dann stark hoch. Wir haben mit der Kinderärztin gesprochen und sie bestärkt uns darin, weiter offen zu reden, wenn gefragt wird. Aber wir schwimmen trotzdem. Zusammen mit der Kita holen wir nun kinderpsychologischen Rat ein. Ich bin gespannt, was da raus kommt.

    Vielleicht hat noch jemand Ideen dazu.

  7. Ein wichtiges Thema, was ihr mit diesem Artikel angeht. Ich finde, man sollte als Familie gemeinsam entscheiden und im Gespräch über den groben Ablauf einer Trauerfeier mit euren Kindern heraushören, ob diese tatsächlich daran teilhaben wollen oder ob der Besuch des Grabes im Nachgang vielleicht die bessere Wahl ist (auch das kann man als bewussten Abschied gestalten). Auch wenn es der klare Wunsch des Kindes ist, würde ich einen „Notfallplan“ bereithalten. D.h. jemanden organisieren, bei dem das Kind bleiben kann, wenn es am Tag der Trauerfeier dann doch nicht mehr möchte.

    Uns ereilte es beim Tod meiner Großmutter (87 ist sie geworden) und meine damals knapp 6-Jährige wollte mit. Sie stellte vorher und besonders nachher viele Fragen. Fragen, die mir eine ganz andere Sicht gegeben haben und zum Teil auch tröstlich waren. Wir sind Christen und hoffen somit auf ein Wiedersehen im Himmel. Meine Tochter hat ein wunderbares Bild gemalt, was diese Hoffnung sehr treffend eingefangen hat – ein Haus, zu dem eine ganz lange Treppe führt und alles ist bunt. Meine Oma hatte eine Beinprothese und meine Tochter erklärte zu dem Bild: „Oma kann jetzt wieder richtig laufen, die hüpft jetzt die Treppe hoch zum bunten Haus und wohnt bei Gott.“
    Es gab aber auch Momente im Nachgang, in denen sie sehr traurig darüber war, dass man Oma nicht mehr besuchen kann. Wir reden dann über Oma und denken gemeinsam an sie.

    Mich würde sehr interessieren, welche Erfahrungen andere zu diesem Thema gesammelt haben.

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