Ihr Lieben, manchmal nervt ja das Vorurteil, dass oft die Männer mehr Sex wollen als die Frauen. Deswegen haben wir mal in unserer Community nachgefragt, wie es da so aussieht. Dagmar sagt ganz klar: Ich will mehr Sex als mein Mann.
Bei ihr ist es so, dass sie sich vorstellen könnte, täglich mit ihrem Mann ins Bett zu gehen – er allerdings leider nicht. Für ihn waren Zärtlichkeiten nie so wichtig wie für sie. Wie oft sie heute noch miteinander intim werden und was das mit ihrem Selbstbewusstsein macht, das hat sie uns erzählt.
Du Liebe, du sagst, du hast mittlerweile keine Lust mehr, um Sex zu betteln. Wie sah das Anfragen und Zurückweisen bei euch konkret aus?
Sagen wir mal so: Es war nie die große Verführungsshow, sondern eher ein höfliches Abklopfen der Bereitschaft. Anfangs noch charmant verpackt, später pragmatisch: „Wie sieht’s aus, Lust auf ein bisschen Nähe?“ – Antwortmöglichkeiten: A) „Müde“, B) „Stress auf der Arbeit“, C) „Bauchweh“. Mein persönlicher Favorit war das „Hmm…“, das mit genug Fantasie als „vielleicht“ durchgehen konnte, in der Praxis aber immer ein „Nein“ bedeutete. Und irgendwann kommt der Punkt, an dem man sich die Mühe spart.
Hast du deinen Mann mal gefragt, warum er so wenig Lust hat, woran es liegen könnte?
Ja, klar. Es gab viele Antworten, die letztendlich aber alle auf dasselbe hinausliefen: Er war einfach nie der Typ, für den Sex eine große Rolle spielte. Ich kannte vorher das andere Extrem – Männer, die sich als Sexgötter sahen, aber beziehungstechnisch eine Vollkatastrophe waren. Als ich meinen Mann kennenlernte, war ich überrascht, wie viel Mühe er sich gab, wie sehr er um mich kämpfte und wie stabil er in einer Beziehung war. Ich wusste damals schon, dass wir beim Thema „Häufigkeit“ weit auseinanderlagen, aber ich dachte: Okay, das ist ein Kompromiss, den ich eingehen kann. Jetzt, nach 16 Jahren, denke ich mir: Vielleicht war’s ein bisschen viel Kompromiss.
Was haben die vielen Zurückweisungen mit deinem Selbstbewusstsein gemacht? Hast du dich ab und zu gefragt, ob es an dir liegt? Hat dich das an eurer Liebe zweifeln lassen?
Ich wäre keine Frau, wenn ich nicht irgendwann überlegt hätte, ob es an mir liegt. Bin ich unattraktiv geworden? Langweilig? Aber dann habe ich mir wieder vor Augen geführt: Das Problem war nie, dass es weniger geworden ist – sondern, dass es nie wirklich mehr war. Es war von Anfang an so. Ich habe damals entschieden, dass mir die stabile Beziehung wichtiger ist als der leidenschaftliche Sex. Ich habe ihn genommen, so wie er ist – und er hat mich genommen, so wie ich bin. Der Deal ist bis heute gültig.
Lässt er sich denn auf Kompromisse ein, dass man auch mal sagt: Hey, komm, heute Abend einfach mal eine schöne Massage, um überhaupt in der Körperlichkeit zu bleiben?
Sagen wir’s so: Wenn ich massiere, ist er sofort dabei! Aber wenn’s andersrum laufen soll, kommt nach zwei Minuten ein „Puh, das ist anstrengend. Ich bin müde, ich geh ins Bett .“ Da denkt man sich irgendwann: Okay, dann eben nicht. Und sucht sich andere Wege, um Nähe zu erleben, außerhalb des Sexuellen – in meinem Fall mit meinen Kindern.
Du sagst ganz klar: „Ich will mehr Sex als mein Mann“. War das von Anfang an so?
Ja. Ich hätte mir das täglich gewünscht – siebenmal die Woche wäre meine Idealvorstellung gewesen. Aber ich bin damals einen Kompromiss eingegangen: zweimal die Woche. Daraus wurde einmal die Woche. Dann einmal im Monat – mit Glück. Und irgendwann kam der Punkt, an dem ich dachte: Wenn ich es schon als Glücksfall betrachten muss, dann kann ich es auch gleich lassen.
Du sagst, mittlerweile hättest du dich damit abgefunden, dass es so ist, wie es ist. Wie hast du das geschafft? Welche Methoden/Tipps kannst du da auch vielleicht anderen mit auf den Weg geben?
Der Trick ist, sich seinen mentalen und emotionalen Ausgleich zu suchen. Ich habe sehr zeitaufwendige Hobbys: Mein eigenes Pferd, die Reitstunden mit den Kindern, mittlerweile sogar ein eigenes Pferd für die Kinder. Und ich arbeite nach wie vor viel. Das füllt meinen Tag aus und gibt mir ein gutes Gefühl. Wenn du keine Zeit hast, darüber nachzudenken, fehlt dir auch die Zeit, dich darüber zu ärgern.
Wie viel Sex habt ihr heute, nach 16 Jahren Beziehung, noch ungefähr?
Kommt drauf an, wie man „Sex“ definiert. Zählt zufälliger Körperkontakt in der Küche als Annäherung? Dann sind wir bei vielleicht viermal im Jahr. Zählt echter Sex? Dann sind wir bei null.
Fühlt es sich für dich dadurch eher an wie eine Familien-WG als wie eine Liebesbeziehung?
Ja. Wir teilen Haus, Kinder, Netflix-Account – aber nicht das Bett. Steuerlich lohnt es sich. Emotional… naja. Es ist mehr ein Team-Modell als eine klassische Ehe.
Wie ist es in deinem Freundeskreis, läuft es bei vielen da ähnlich oder ganz anders?
Grundsätzlich gibt es zwei Lager: Die Frauen, die sagen „Bei uns ist das genauso!“ – und die Frauen, die sagen „Das wird schon wieder.“ (Spoiler: Wird’s nicht.) Wenn man ehrlich nachfragt, stellt sich oft heraus: Viele leben in einer Zweckgemeinschaft. Eine Trennung wäre zu anstrengend, eine Affäre zu kompliziert, und mal ehrlich – ein neuer Mann würde am Ende wahrscheinlich die gleichen Probleme mitbringen.
Die Muster wiederholen sich erstaunlich oft: Viele Männer verhalten sich in der Familie wie Singlehaushalte auf zwei Beinen. Sie übernehmen Aufgaben, aber meistens nach ihrem eigenen Bedarf. Einkaufen? Ja, aber eher für sich selbst als für den Rest der Familie. Zeit mit den Kindern? Klar, aber bevorzugt mit Aktivitäten, die ihnen Spaß machen – die Wünsche der Kinder sind zweitrangig. Ich habe noch nie gehört, dass eine Frau sich in einer Beziehung derart konsequent nur um ihre eigenen Bedürfnisse dreht.
Und dann ist da noch das Thema Sex. Männer bestimmen, wann und ob es welchen gibt. Wenn sie nicht wollen – keine Chance. Während ich von frisch verliebten Frauen oft höre, dass sie manchmal trotz fehlender Lust ihrem Partner zuliebe mitmachen, funktioniert das in die andere Richtung selten bis gar nicht. Irgendwann rückt Sex in den Hintergrund, weil es so viele andere Dinge gibt, die einen beschäftigen und manchmal schlicht frustrieren. Ich nenne es: Ehe ohne Alles.
Quasi das Beziehungsmodell für Fortgeschrittene: Kein Sex, keine Romantik, aber ein gut funktionierendes Haushalts- und Elternschaftsunternehmen. Steuerlich lohnenswert, nervlich manchmal fragwürdig. Eine Trennung? Viel zu anstrengend. Eine Affäre? Zu kompliziert. Und ein neuer Mann? Der bringt am Ende auch nur wieder das falsche Brot mit.