Ihr Lieben, in unserer Community gibt es Mamas, die ein größeres Päckchen tragen müssen als andere. Die Kinder begleiten, die nicht richtig ins System passen, die mit heftiger Wut zu kämpfen haben und die normales Familienleben nicht möglich machen. So eine Mama ist Antje, die uns heute ihre Geschichte erzählt. Wir drücken dich fest, liebe Antje, wir wissen, wie sehr du kämpfst und wir wünschen euch für die Zukunft alles Liebe und viel Kraft!
Liebe Antje, heute geht es um deinen 10-jährigen Sohn, mit dem es Probleme gibt. Lass uns mal zurück gehen. Wann fing euer Sohn an, verhaltensauffällig zu werden?
Lukas wurde zwei Wochen nach ET auf die Welt geholt und heute würde man sicher sagen, dass er ein Highneed-Baby war, er war sehr anghänglich und energieaufsaugend. Als er wenige Wochen alt war, krampfte er zum ersten Mal, nach vielen Arztbesuchen und Krankenhaus-Aufenthalten kam heraus, dass Lukas Säuglingsapnoe hat.
Lukas ist nie gekrabbelt, hat sich nie „normal“ gedreht. Generell lief seine Entwicklung nie wie in den Babybüchern beschrieben. Mit zweieinhalb Jahren musste Lukas operiert werden, was ihn in seiner motorischen Entwicklung nochmal zurückgeworfen hat.
In der KiTa hatte er Probleme zuzuhören, er konnte sich nicht immer an die geltenden Regeln halten. Er war sehr agil, musste sich viel bewegen, konnte nicht still sitzen.
Dann starb meine Mutter und das war sehr schwer für mich. Ich hatte ein hartes Jahr und denke, ich konnte Lukas in dieser Zeit nicht den Halt und die Geborgenheit geben, die er gebraucht hätte. Ich konnte nicht der sichere Hafen sein, den er gesucht hat.
In der Kita eckte er immer mehr an, der Fokus lag jedoch schon sehr darauf, was er nicht konnte, wo er eben nicht gut drin war. Wir Eltern haben versucht, ihn immer gut zu unterstützen und die Dinge zu fördern, an denen er Spaß hatte.
Wie habt ihr versucht, Lukas zu helfen und generell die Lage zu entschärfen?
Wir sind von Beginn an sehr offen mit den Problemen umgegangen, haben immer wieder das Gespräch gesucht und waren stets in engem Kontakt mit der Schule.
Gleichzeitig habe ich mich immer wieder darauf besonnen, dass ich als Mutter ein besonderes Gespür für mein Kind habe und gut einschätzen kann, welcher Weg klappen könnte. Leider ist das nicht immer ganz einfach in unserer leistungsorientierten, strukturierten Gesellschaft.
Die Erziehungsberatungsstelle des Kreises war für uns eine gute Anlaufstelle. Wir haben dort verschiede Sachen ausprobiert, viel an uns und mit Lukas gearbeitet. Und wir hatten auch das Gefühl, dass sich immer ein kleines bisschen was bewegt hat in die richtige Richtung.
Doch es gab auch immer wieder heftige Ausbrüche. Beschreib mal, wie ein typischer Anfall abläuft.
Umso größer seine innere Unruhe (dazu gehört sein Frust auf alles, Überforderung mit/ in der Schule, Überforderung, seine Stellung innerhalb einer Gruppe zu finden und sich auch mal unterordnen zu müssen) ist, desto größer ist sein Drang, dieses Chaos nach -außen sichtbar zu machen. Er ist generell recht unstrukturiert in allem – sei es Heftführung, Zettel abheften, pünktlich am richtigen Ort zu sein, Zimmerordnung usw. Wenn ihn aber etwas interessiert und ihm wichtig ist, schafft er es besser, Ordnung zu halten.
Wenn aber in diesem, seinem „guten“ Chaos nur irgendwas ein kleines bisschen „falsch“ läuft, dann explodiert er förmlich. Er wird laut, er schreit und weint gleichzeitig, er macht Dinge kaputt, knallt Türen, tritt und hämmert gegen Türen, Wände.
Wird er auch euch gegenüber körperlich?
Ja, er schubst mich weg, schlägt, holt aus, reißt an Klamotten. Vor Kurzem hat er mich die Treppe heruntergeschubst. Ich hatte seinen Bruder auf dem Arm und da hatte ich dann wirklich Angst.
Wie reagiert ihr bei so einem Anfall?
Wir haben verschiedene Strategien getestet, mit diesen Wutausbrüchen umzugehen. Wir haben es ignoriert, wir haben ihn umarmt, wir haben uns räumlich getrennt (damit wir alle durchatmen können), wir haben natürlich alles versucht, damit es gar nicht erst soweit kommt.
Leider ist es aber so, dass diese Anfälle manchmal ganz plötzlich kommen und eine Regulation nicht mehr stattfinden kann. Egal was ich tue und/oder sage – er wird nur noch wütender…
Was macht das mit dir?
Ich versuche, so gut wie möglich ruhig zu bleiben. Aber es gab auch schon Situationen, in denen ich mich nicht regulieren konnte – und so kam es auch schon mal vor, dass ich ihm eine Backpfeife gegeben habe. Was wiederum ein wahnsinnig schlechtes Gewissen, Schuldgefühle und Inkonsequenz in anderen Situationen zur Folge hatte…
In diesen aggressiven Situationen bin ich völlig überfordert, fast ohnmächtig. Ich habe Angst und Sorge um Lukas, aber auch um den Kleinen. Ich werde in diesen Situationen niemandem hier gerecht. Das ist sehr schwer auszuhalten.
Wie reagiert euer anderer Sohn auf das alles?
Max wird im Oktober drei Jahre alt. Er ist sehr emphatisch und sagt dann, dass es ein doofer Tag war und dass Lukas nicht so viel schreien soll, weil ihm das Angst macht. Er kommt dann oft und versucht, mich oder auch seinen großen Bruder zu trösten. Was rührend ist, aber mir auch ein schlechtes Gewissen macht. Denn ein Kleinkind sollte eigentlich nicht in diese Rolle geraten.
Und was macht das mit dir und deinem Mann?
Unsere Paarbeziehung ist schwierig. Teilweise sind wir uneins, was unser Verhalten dem Kind gegenüber angeht. Und man muss auch sagen, dass der allergrößte Teil der Care Arbeit an mir hängen bleibt. Ich fühle mich oft allein gelassen (Ich glaube, mein Mann macht das nicht mit Absicht, er will mich auch gar nicht alleine lassen – es ist einfach mein Gefühl, weil immer ich hier das Regiment führen muss).
Mein Mann ist ein guter Versorger und auch kein schlechter Vater. Wir versuchen auch, ein Team zu sein, aber es ist so oft mit Kampf und vielen Erklärungen verbunden. Uns ist die Leichtigkeit total abhanden gekommen, wir funktionieren, aber ein Liebespaar sind wir schon lange nicht mehr. Wir hatten seit zwei Jahren keine Zeit zu zweit mehr….
Welche Therapien bekommt euer Sohn und bekommt ihr als Familie auch professionelle Hilfe?
Seit Januar 2020 sind wir in der Familienberatung, ein Jahr später begann die Diagnostik für unseren Sohn. Ich dachte, dass würde zügig gehen, aber es zieht sich. Nach über einem Jahr bekamen wir die Diagnose „hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens“, IQ bei 83, Konzentrationsschwäche, Defizite im Sprachgebrauch.“
Anfang dieses Jahres wurde er in eine Tagesklinik aufgenommen, dort ging es ihm zunächst sehr gut und unseren Alltag entspannte das auch total.
Leider fiel Lukas in seine alten Muster zurück, fing an zu lügen, betrog bei den Hausaufgaben. So musste er einen Tag zu Hause bleiben und dort abgesprochene Aufgaben lösen, die ihm und der Klinik visualisieren sollten, dass es ihm ernst ist mit der Therapie. Das Ganze wiederholte sich noch zwei Mal, dann wurde Lukas aus der Klinik entlassen wegen „Nicht-Einhaltens der Regeln und zu wenig oder keiner gezeigten Reue“.
Das war sicher ein harter Rückschlag für euch…
Ich war sprachlos, als der Anruf kam, dass Lukas entlassen worden ist und fühlte richtige Ohnmacht. Ich glaube, dass Lukas in all den Situationen, die ihm vorgeworfen wurden, gar nicht anders handeln konnte, weil er eben noch nicht/nicht ausreichend verhaltenstherapeutisch begleitet worden ist.
Uns blieb nichts anderes übrig, als ihn in die alte Schule zu schicken, zurück an den Ort, wo es so viele Probleme gab. Mein absolutes Horrorszenario – leider haben sich meine Befürchtungen mittlerweile bestätigt. Es ist alles noch schlimmer als jemals zuvor.
Nun wird Lukas bald Medikamente erhalten, die ihm helfen sollen…
Die Voruntersuchungen zur Medikamenteneinstellung sind nächste Woche. Daraufhin soll Lukas dann mit Methylphenidat eingestellt werden. Ich hoffe, dass Lukas sich dann leichter konzentrieren kann, dass er den Unterricht nicht weiter „stören muss“ – weil er nicht mehr so sehr überfordert ist mit allen Reizen, dem Stoff und der Klassensituation.
Ich wünsche mir sooooo sehr für ihn, dass er erfährt, dass durch sein ruhigeres, fokussiertes Verhalten auch sein Umfeld gelassener und freundlicher auf ihn reagiert. Dass er versteht, dass sich Verhaltensarbeit für ihn lohnt und dass er bereit ist, bei den Therapien wirklich mitzumachen.
Gibt es bei euch denn gute Therapie-Angebote?
Ambulante Psychotherapie ist hier überhaupt nicht zu bekommen. Ich habe in 18 verschiedenen Praxen angerufen. Bis auf eine Praxis habe ich noch nicht einmal ein Erstgespräch bekommen. Alle Therapeuten sind voll. Die Wartelisten soooo lang.
Ebenso die Situation der stationären Einrichtungen, da gibt es Wartezeiten von bis zu sieben Monaten. Was soll ich in dieser langen Zeit machen? Diese Warterei macht mich manchmal echt depressiv und ohnmächtig. Ich tue alles Mögliche, rund um die Uhr, damit es meinem Kind und meiner Familie wieder besser gehen kann und es geht nicht voran. Ich bin so machtlos dem System ausgesetzt.
Hat Lukas denn Freunde, bei denen er sich verstanden fühlt?
Die Kinder in der Schule weisen ihn ab. Er gehört nicht dazu. Er wird in den Pausen ausgeschlossen, im Sportunterricht als letztes gewählt. Das macht natürlich was mit ihm.
Fremde finden Lukas immer toll, denn er ist aufgeschlossen, interessiert, sehr redegewandt. Für diesen Moment der Kontaktaufnahme wirkt er immer sehr konzentriert. Doch längerer Umgang mit ihm ist anstrengend. Es benötigt viel Energie ihm gerecht zu werden. Mittlerweile sagen die Nachbarn uns offen, dass „er gestern wieder genervt hat“.
Gibt es denn auch noch richtig schöne Familienmomente?
JA! Wir haben auch schöne Zeiten zusammen. GOTT SEI DANK IST DAS SO!
Wir waren auch gemeinsam im Urlaub, da rastet er zwar auch aus, aber wir können auch mal durchatmen und uns treiben lassen. Wir gehen dann schwimmen, Eis essen, Roller fahren. Diese Momente genieße ich sehr. Manchmal ertappe ich mich dabei, dass ich sauer werde auf Lukas, wenn er dann nach solchen Freizeitgestaltungen wieder aus irgendeinem Grund ausrastet. Dann denke ich insgeheim: „Mach mir doch jetzt bitte nicht diesen schönen Tag kaputt.“
Wie sieht ein typischer Tag für dich aus?
Mein Mann und ich stehen um fünf Uhr auf, damit wir uns und das Frühstück schon mal fertig haben, bevor die Jungs dann wach werden. Ich möchte, dass der Morgen möglichst harmonisch abläuft, damit Lukas gut in den Tag starten kann und nicht schon mit schlechten Gefühlen in die Schule geht. Dann kracht es da nämlich meist auch immer. Doch diese Anstrengungen am Morgen sind für mich echt hart und nervenaufreibend.
Mittags kommt Lukas nach Hause, wir essen gemeinsam. Und ich bibbere schon, dass hoffentlich die Hausaufgaben kein Drama auslösen. Dreimal die Woche geht er seinen Hobbies nach. Feuerwehr, DLRG und Fußball. Das klappt mal mehr, mal weniger gut. Aber alles in allem benimmt er sich gut – generell scheint er sich da zu beherrschen, wenn ihm die Hobbies wichtig genug ist.
Letztes Wochenende rief dein Sohn die Polizei. Was war passiert?
Die letzte Woche war die Hölle. Kein Tag ohne absolutes Theater, Zank und Ausraster. Im Laufe der Woche spitzten sich seine miese Laune und seine schlechten Gefühle dermaßen zu, dass es am Wochenende seinen Höhepunkt fand.
Alle Konsequenzen werden hier mittlerweile verschriftlicht und durch meinen Mann, Lukas und mich unterschrieben – um eine Sichtbarkeit darstellen zu können. Da er verbotenerweise seine Bundesligakarten mit in der Schule hatte und es deswegen wieder Ärger gab, habe ich sie in Verwahrung genommen. Für drei Tage, so war es abgesprochen. Samstagmorgen nun wollte Lukas diese Karten in einem Wutanfall wieder haben, um bei einer Schulveranstaltung Karten mit einem anderen Jungen zu tauschen.
Alle Erklärungen (es handle sich um eine Schulveranstaltung, Karten werden nicht mitgenommen, der Fokus liegt auf der Veranstaltung, nicht auf Kartentausch, wir machen das im Privaten mit dem Jungen, die Karten sind noch weg bis Sonntag) drangen nicht mehr zu ihm durch. Er schrie und schubste, rannte ins Schlafzimmer, riss alle Klamotten aus den Schränken und schlug die Tür des Schlafzimmers kaputt. Schließlich wurde er mir gegenüber auch körperlich. Da brannte bei mir die Sicherung durch und ich habe ihm eine Ohrfeige gegeben. Das hat natürlich nichts gebracht, im Gegenteil. Lukas schrie, dass er die Polizei rufen würde und mich wegen Körperverletzung anzeigen würde. Mein Mann und ich waren so fertig, dass wir gesagt haben: „Ja, mach das!“ Und ich war tatsächlich dankbar, als eine Streife geschickt wurde.
Wie war das dann mit der Polizei?
Zu uns kam ein wirklich tolles Team, das erst Lukas und dann uns zugehört hat. Sie haben Lukas erklärt, dass es wichtig ist, sich an Regeln zu halten, dass das Zusammenleben mit Mama und Papa nicht immer schön sein kann, dass sie aber das Gefühl haben, dass Lukas bei uns liebevoll aufwächst. Sie haben auch gesagt, dass ich einen riesigen Fehler gemacht habe mit der Ohrfeige.
Lukas war beeindruckt, ist ruhig geworden und uns allen ist ein großer Stein vom Herzen gefallen, dass diese schlimme Situation so gut gelöst worden war. Wir waren danach noch bei der Schulveranstaltung und das war wirklich schön.
Doch dann kam wieder ein Dämpfer….
Ja, nach der Veranstaltung habe ich eine bitterböse Sprachnachricht einer anderen Mutter bekommen, Lukas hätte ihrem Sohn blutende Verletzungen zugefügt. „Ey, was stimmt denn bloß mit dem nicht?“ schrie die andere Mutter ins Telefon. Wir als Eltern hätten versagt, wenn wir nicht dafür sorgen, dass dieses Kind im Umgang mit anderen Kindern mal endlich in der Spur läuft. Das nächste Mal solle ihr Sohn Lukas richtig eine reinhauen. Und dass Lukas zurück in die Tagesklinik gehört.
Ich kann überhaupt nicht sagen, was diese Nachricht mit mir gemacht hat. Ich habe mich noch nie so erbärmlich, so alleine, so hilflos gefühlt.
Hast du irgendeine Idee, wie es weitergehen wird?
Ich hoffe sehr, dass ihm die Medikamente schnell helfen werden und dass wir noch eine stationäre Therapie bekommen. Ich glaube nicht, dass es mit einer ambulanten Therapie besser wird….
Du hast uns geschrieben, dass dir dieses Interview wichtig ist. Warum wolltest du eure Geschichte erzählen?
Ich schreibe euch hier, um Sichtbarkeit zu schaffen. Für alle Mütter, denen es geht wie mir. Für alle Eltern, die scheinbar gegen Windmühlen kämpfen. Ihr seid nicht alleine!
Ich schriebe euch hier, weil ich mir wünsche, dass die Abwertung der „systemfremden“ Kinder und deren Familien irgendwann aufhört. Ich schreibe euch hier, weil ich mir wünsche, dass wir unter Müttern nicht so abwertend miteinander umgehen! Das tut so weh! Wir sind doch keine Monster, wenn sich unsere Kinder fern der Norm verhalten.
Ich schreibe euch auch, weil es für mich befreiend ist, endlich mal alles loszuwerden und weil ich mir einen offenen, konstruktiven, wertfreien Austausch wünsche.
16 comments
Liebe Antje,
ich konnte richtig mitfühlen beim lesen Deines Textes.
Das Gefühl was hat man falsch gemacht. Die Blicke und Gedanken der anderen Eltern.
Unsere Situation ist ganz ähnlich und doch ganz anders. Unser Sohn hatte auch im Kindergarten immer wieder Schwierigkeiten mit Regeln etc. das waren aber immer Phasen. Er ist sehr empathisch, hat viele Freund uns ist sehr intelligent und trotzdem immer wieder extrem Schwierigkeiten mit Erziehern und Lehrern. Er hat eine große Schweter. Das hat immer sehr gut geklappt. Als sein kleiner Bruder kam würde es immer schlimmer.
Wir haben über Jahre sehr viel ausprobiert.
Was uns wirklich geholfen hat ist die Tomatis Therapie in Belgien.
Ganz viel Kraft und alles Gute
Liebe Antje,
ich fühle mit Dir. Ich habe heute vor lauter Verzweiflung selber die Polizei gerufen. Unser Sohn hat ADHS und reagiert sehr emotional wenn es darum geht das er Regeln einhalten soll. Heute war wieder so ein Tag….erster Schultag nach den Ferien…er wollte nicht (trotz vorheriger Absprache das er geht)…er durfte dann nicht an die PS4 und sein Handy und ist regelrecht ausgerastet. Er wurde sowohl körperlich als auch verbal sehr aggressiv und ich habe es dieses Mal gewagt die Polizei zu rufen. Kein schöner Moment, aber auch nicht ganz so schlimm wie ich befürchtet hatte. Er redet jetzt kein Wort mehr mit mir, aber seine Blicke sprechen Bände. Mich würde interessieren wie es bei euch mittlerweile aussieht. Hat es sich mit deinem Sohn gebessert oder seid ihr nach wie vor dran eine Lösung zu finden.
Die Not der Eltern kann ich gut nachvollziehen. Auch die des Jungen.
Er kann sich beherrschen wie beim Fußball usw., da gibt es klare Ansagen und weniger Diskussionen. Der Trainer ist der Boss und sagt wo es langgeht. Damit scheint Lukas kein allzu großes Problem zu haben und dürfte genau das sein, was er braucht. Auch und besonders zuhause, wo er als aufgewecktes Kerlchen natürlich die Grenzen testen will und wissen muß, wie stark und konsquent seine Eltern sind. Das ist anstrengend, aber entlastend für Lukas.So meine Einschätzung.
Klar war er beeindruckt, daß seine Mutter vom „tollen Team“ der Polizei gerügt wurde. Wow! Er hat große Macht über seine Eltern. Das tut ihm nicht gut. Er rastet aus.
Irgendwie scheint nur Lukas voller Aggressionen zu sein in der Familie. Was sagte denn der Vater dazu, daß die Mutter von Lukas geschubst, die Treppe hinuntergestoßen wurde…. Eigentlich ein unfaßbarer Vorgang!!!
Sorry, aber genau diese „meiner Einschätzung nach“-Kommentare sind es, die Eltern von schwierigen Kindern NICHT brauchen! Ich kenne diese Situation aus eigener Erfahrung und kann nur sagen: Wir Eltern versuchen ALLES, was in unserer Macht steht, um die Situation in den Griff zu bekommen. Wir brauchen keine Einschätzung von Fremden. Wir brauchen von ihnen Respekt und Verständnis.
Das kann ich gut nachvollziehen,
wir haben mit unserem Sohn (6) auch ähnliche Probleme, mit Wutausbrüchen, Sachen kaputt machen, in der Schule stören usw. vielleicht nicht ganz in dem Ausmaß aber auch extrem belastend. Haben auch sehr viel hinter uns , vieles ausprobiert und mittlerweile klappt es halbwegs. Gut war Familienhilfe und eine Diagnose im Sozialpädiatrischen Zentrum. Mittlerweile nimmt er an Schultagen Medikinet, hat einen Schulbegleiter, geht nachmittags zu einer Heilpädagogische Tagesgruppe und hat einmal die Woche Psychotherapie in der Gruppe. Damit besucht er sehr er erfolgreich eine Regelgrundschule und auch zu Hause ist es deutlich entspannter geworden.
P.S.
Geht Lukas in eine Förderschule/-Klasse? Wenn nicht würde diese spezielle Schul- und Betreuungsform etwas bringen? Damit es ein gutes Umfeld/ Erlebnis gibt?
Da kommen mir die Tränen, wenn ich das lese. Endlich jemand, der auch so ein Kind zu Hause hat! Unser Sohn ist 7 und geht in die gleiche Richtung. Nur haben wir schon verschiedene Medikamente durch und wissen nicht mehr weiter. Er ist sooooo anstrengend für seine Umgebung! Vorrangig natürlich für seine Familie. Und wir stehen so alleine da. Ich kann ihn nicht in die Betreuung geben, weil er weint und schreit, dass er dort niemanden hat und alleine ist. Er hat schon Tage vorher regelrecht Panik davor. Und so hängen wir im Sommer aneinander und ich bete, dass die Schule bald wieder anfängt….
Dabei möchten alle, auch er, nur eine harmonische Familie sein
Ich fühle sehr mit dir und sehe viele Parallelen zu meinem Sohn.
Wir haben vor über zwei Jahren die Diagnose PANDAS bekommen. Symptome sind vorrangig psychisch (bei uns z.B. unkontrollierbare Wutausbrüche, Wesensveränderungen, Introvertiertes Verhalten etc.) – die Ursache ist aber eine körperliche Infektion (Boreliose, Streptokokken), die das Gehirn angreift. Wir behandeln also die körperliche Infektion und der Unterschied ist enorm. Leider ist die Diagnose PANDAS in Deutschland noch recht unbekannt und es gibt keine Kompetenzzentren dazu. Die Universität Havard ist hier aber federführend und hat vieles dazu veröffentlicht.
Ich wünsche euch viel Kraft und finde gut welche Wege ihr geht. Nur bitte, ausser der stationären Therapie, sucht bitte eine/n gute/n Kinderosychologin/- gen! Auch wenn es Lauferei/ Warterei… ist. So eine langfristige Begleitung mit mal kürzeren mal längeren Terminabständen ( bedarfsgerecht) bringt sehr viel! (Ich weiß wieviel Zeit das hinterher telefonieren und immer wieder nachhaken bei Therapeuten kostet! Ich weiß aber auch was es bringt wenn man eine/n gute/n Kinderpsychologin/- gen hat!!!) Der oder die dann auch die ganze Familie, besonders den jüngeren Bruder, mitnehmen kann.
Und lasst euch nicht kleineren (Daniiii- Ahnenreihe??? Es gibt Vererbung, aber die Aussage ist nur einseitig unklug, verurteilend! Wir sind nicht mehr in den 30er/ 40er Jahren das der Sippenbogen wieder herhalten muss. Und Medikamente RICHTIG und in Maßen (!) eingesetzt sind hilfreich und unterstützend. Und natürlich ist restliche Familie nicht heiter und gelassen wenn einer Probleme hat!?)
Silvia, warum verlangst du immer, dass du und deine Vorschläge/ Meinungen nicht verurteilt werden, bist aber immer selbst sehr gut darin andere zu verurteilen ( hier der Vorschlag von Daniiii). Du hast gute Erfahrungen mit Kinderpsychologen gemacht und Daniiii halt mit anderen Dingen. In ihrem Beitrag steht auch nichts vom Sippenbogen o.ä. sondern von systematischer Familienaufstellung.
Silvia, hast du Erfahrung mit systemischer Familienaufstellung??? Die ist oft (nicht immer) besser als unzählige Termine beim Psychologen! Damit habe ich selber Erfahrung gemacht! Wichtig ist, dass es in die Tiefe geht, dass Dinge herauskommen, die seit Monaten oder Jaaaahren im Familiensystem stecken…oder auch ganz frisch sind! Termine beim Psychologen sind oft sehr oberflächlich und das ist dann auch nie zielführend! Wie gesagt, ich kann jedem eine systemische Aufstellung ans Herz legen…rede aber niemandem Medikamente, Therapie, etc. aus!
Ich finde einfach hier steht eine “ handfeste“ Diagnose dahinter. Da kommt man eventuell mit der einfachen “ die Eltern sind schuld“ Diagnose nicht wirklich SCHNELL weiter. Es geht ja darum, die Situation für Lukas SCHNELL zu entspannen.
Hallo! Das ist bestimmt eine ganz, ganz schwierige Situation und man liest raus, dass die gesamte Familie darunter leidet! Wenn es um „Problemkinder“ geht, dann wird es mir immer ganz mulmig im Bauch…denn oft liegt das Problem gar nicht beim Kindern, sondern in der gesamten Familie…das muss nicht zwingend von den Eltern ausgehen, da kann die Ursache schon in der Ahnenreihe liegen! Hört sich krass an, aber es ist defintiv so, dass mit systemischen Aufstellungen soooooo viel gelöst werden kann…da braucht es oft gar keine Medikamente mehr! Vllt holt ihr euch in diese Richtung einmal Hilfe! Du schreibst ja selbst, dass ihr Eltern euch oft uneinig seid und dass die Geburt bzw. die Zeit danach schwierig war, deine Mama ist dann gestorben…das sind alles Dinge die aufgearbeitet werden müssen! Nicht vom Kind, sondern von den Eltern…von der Person, die sich dem „Problem“ annimmt! Ich lege es euch sehr ans Herz einmal in diese Richtung zu schauen! Du wirst sehen, wie heilsam das ist…für dich, für deinen Sohn! Alles Gute für euch und vorallem für euren Sohn!
Puuh! Danke für deine ehrlichen Worte. Ich kann vieles selbst nachvollziehen. Wir hatten hier auch schon sehr viele Wutausbrüche und echt missglückte Reaktionen auf Elternseite. Viele Jahre drehte sich alles hauptsächlich um das „Sorgenkind“. Medikamente, Tagesklinik, Therapie, Jugendamt, Familienhilfe… Kenn ich alles. Lass deine Gefühle zu, holt euch Hilfe und versteckt euch nicht. Ja, auch bei uns drohte eine Nachbarin mit dem Anruf beim Jugendamt. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt dort schon um Hilfe gerufen. Doch dieses Gefühl – was denken die Nachbarn nur?- das bleibt. Aber wofür schämen wir uns eigentlich? Dass wir Hilfe annehmen? Dass wir überfordert sind, was jeder in diesen Situationen wäre? Von außen ist manches schlicht nicht erkennbar und wir sind alle nur Menschen. Ich wünsche euch von Herzen viel Hilfe, Unterstützung und vor allem Kraft.
Oh ha, das klingt alles sehr stressig aber ich finde es klingt auch danach als hättest du starke Nerven und deinen Sohn nicht aufgegeben. Ich hoffe das Medikament schlägt gut an. Hier wäre ja in ein paar Monaten ein neuer Bericht sehr interessant. Mach dir nichts draus was andere Mütter denken o sagen…sie haben ja keine ahnung über euren Alltag. Ich habe nur einen einzigen Ratschlag für dich…..gönn dir u deinem Mann unbedingt ein kinderfreies Wochenende, oder zumindest wenigstens einen Abend. Mal essen gehen, Kino,…. alles liebe euch
Das sehe ich ganz genauso. Ich habe auch an eure Beziehung gedacht und wie hoch der Preis war, wenn sie an dieser schweren Zeit zugrunde geht. Du tust dein Bestes, was ich nur bewundern kann. Keine dieser Mütter von ‚unkomplizierten‘ Kindern würde gerne mit dir tauschen. Von außen urteilt es sich da immer leicht. Ich habe drei Kinder, eines davon sehr emotional, ‚gefühlsstark ‚ nennt man das heute wohl, mit viel Bedrohung, Wutausbrüchen, Türen schlagen und bösen Beschimpfungen. Wir kommen da schon oft genug an unsere Grenzen. Auch ich kenne die Blicke anderer, verletztende Kontakte zu anderen Eltern auch in Interaktion mit meinem Sohn (was so schmerzhaft zu beobachten ist). Oft habe ich Angst was die Zukunft bringt, was für ein Erwachsener er sein wird, ein glücklicher? Diesen Gedanken kennst du vielleicht auch.
Ich möchte dir viel Kraft wünschen und dass du es weiterhin so gut schaffst an deiner Liebe für ihn festzuhalten.