Ihr Lieben, das Thema Hausgeburt fasziniert uns und euch. Während die einen sich nichts Schöneres vorstellen können, ist es für die anderen undenkbar. Unsere Leserin Tabea hat ihr fünftes Kind zu Hause bekommen. Weil sie keinen Partner hat, ließ sie sich von einer Doula begleiten. Über sie sagt Tabea: „Meine Doula war unter der Geburt essenziell und sehr wichtig für mich. Sie war mein emotionaler Anker und hat mir Mut gemacht, wenn ich nicht mehr konnte.“ Uns erzählt sie die ganze Geschichte.
Liebe Tabea, 2021 hast du dein fünftes Kind zu Hause bekommen. Wie und wann und wo hast du die anderen Kinder bekommen?
Ich habe bei meinem fünften Kind bewusst für mich entschieden, es behütet und geborgen zu Hause zur Welt bringen zu wollen. Die Corona-Situation und die damit verbundenen unhaltbaren Zustände und Beschränkungen in den Geburtskliniken waren der wesentliche Beweggrund.
Meine vorangegangenen vier Kinder (geboren 2008, 2013, 2015 und 2018) habe ich alle als ambulante Geburten in verschiedenen Krankenhäusern bekommen. Gerade die ersten beiden Geburten waren mit vielen Eingriffen verbunden und ich fühlte mich hilflos und fremdbestimmt. Es war eher so, dass meine Kinder vom Krankenhauspersonal zur Welt gebracht wurden und ich einfach nur dalag als eine Art Zuschauerin, die die ein oder anderen Anweisungen, wie wann zu pressen war, erfüllte.
Beide Jungs kamen mit der Saugglocke und Dammschnitt zur Welt wegen Geburtsstillstand in der Austreibungsphase. Der Geburtsverlauf war bei beiden nahezu identisch, mit dem Unterschied, dass bei dem Zweiten vier Tage nach ET mit Cytotec eingeleitet wurde – und der 1. sich einen Tag nach ET selbst auf dem Weg machte. Ich hatte bei beiden eine PDA. Wie ich inzwischen selbst in Erfahrung gebracht habe, war diese viel zu hoch dosiert. Ich konnte somit während der Geburten bei Kind 1 und 2 nicht aufstehen und ich fühlte mich wie weggedröhnt – ich hatte kein Gefühl mehr für die Geburt, für mein Kind – wie abgeschnitten.
Ich habe die Wehen nur noch gefühlt, wenn ich mit der Hand auf meinen Bauch fasste und merkte, er war hart, aber ich hatte keine Schmerzen. Die Hebammen bzw. der Chefarzt musste mir immer sagen, wann ich pressen sollte, weil ich es selbst nicht spürte. Dazu bekam ich noch diverse Medikamente im Tropf. Im Wechsel Wehenhemmer und Wehentropf, weil mein Körper schlussendlich gar nicht mehr wusste, was er machen sollte.
Als die Entscheidung zur Saugglocke beide Male getroffen wurde, ging alles recht schnell und der obligatorische Schnitt gehörte halt dazu, genauso wie das Kristellern des Arztes. Beim Zweiten wurde mir noch lapidar gesagt: „Sie kennen das ja schon“ Mein erster Sohn hatte nach der Geburt einen ganz langgezogenen Kopf und einige Zeit später entwickelte sich am Hinterkopf ein großflächiger blauer Fleck.
Bei Kind 3 und 4 hatte ich ähnliche Gefühle des Ausgeliefertseins und war obendrein noch alleine im Krankenhaus ohne Begleitung. Ich habe aber ab Kind 3 schon mehr versucht, auch Dinge bewusst anders zu gestalten. Ich bin zum Beispiel mehr zur Hebammenvorsorge gegangen und habe mir auch nicht reinreden lassen, als ich mit meinem dritten Kind sehr weit über ET ging. Ich bin einfach nicht mehr zur täglichen Kontrolle ins Krankenhaus gegangen und habe schlussendlich zwölf Tage nach ET mit starken Wehen das Krankenhaus erst zur Geburt aufgesucht.
Bei meiner vierten Geburt wurde mir vier Mal versucht, die PDA zu legen – auch hier fühlte ich mich verlassen, alleine und wie aufgespießt von den Lichtern an der Decke. Mitten im Raum aufgebahrt, den fremden Menschen ausgeliefert und dazu da, dass Andere mein Kind aus mir rausholen.
Welche Vorbereitungen hast du auf die Hausgeburt getroffen?
Ich hatte in meinem Freundeskreis eine ganz liebe Frau, die ich 2019 kennenlernte. Ebenfalls eine alleinerziehende Mutter und: eine Doula. Unsere Kinder sind fast gleich alt und weil uns noch mehr Gemeinsamkeiten verbanden (wie dieselben Überzeugungen und Ansichten in Punkto Erziehung zum Beispiel) wurden wir sehr enge Freundinnen. Somit stand für mich ab dem Zeitpunkt der Schwangerschaftsbestätigung ohne Frage fest, dass sie mich in der Schwangerschaft und auch bei der Geburt begleiten wird und zwar nicht nur als Freundin, sondern auch als Doula.
Wie genau ist die Geburt dann abgelaufen?
Die Geburt startete am Nachmittag/Abend des 9. April 2021. Ich war acht Tage über dem ET und verspürte das erste Mal leichtes, regelmäßiges Ziehen, aber noch so, dass eine Verabredung auf dem Spielplatz mit einer Freundin und den Kindern kein Problem darstellte.
Gegen Abend hatte ich dann das große Bedürfnis reinzugehen in meine Wohnung – mich zurückzuziehen. Ich brachte meine jüngeren Kinder ins Bett und mein ältester Sohn und ich überlegten am späteren Abend Pizza zu bestellen. Ich schrieb dann erstmals meiner Doula, dass ich regelmäßig Wehen hätte, mir aber zunächst nochmal Pizza bestellen würde. Sie meinte, wenn das noch ginge, dann wäre ja noch alles gut.
Als die Pizza dann da war, kriegte ich jedoch keinen Bissen herunter. Ich überließ meinem Sohn alles, der sich sichtlich darüber freute. Dann struggelte ich ein paar Stunden mit mir. Schreibe ich meiner Doula, dass die Wehen stärker werden? Was ist, wenn sie noch nicht stark genug sind und es doch nicht losgeht? Unsicherheit herrschte bei mir. Meine Doula hat über zwei Stunden Fahrzeit, ich wollte sie nicht umsonst rufen und nachher wäre es noch falscher Alarm.
Ich installierte mir eine Wehen-App und trackte die Abstände. Es dauerte nicht lange, da zeigte die App: „Fahren Sie ins Krankenhaus“ an. Um kurz nach Mitternacht schrieb ich meine Doula erneut an, anrufen traute ich mich nicht. Vielleicht schläft sie ja schon, fuhr es mir durch den Kopf. Ich schrieb ihr, dass ich mit dem Atmen nicht so ganz klarkäme, aber ich es noch mal ein bisschen versuchte. Sie rief mich direkt an und sagte, sie mache sich jetzt auf den Weg.
Um kurz nach 3 war meine Doula da. Ich machte ihr einen Kaffee und wir quatschten etwas. Ich hatte Hemmungen. Wir beschlossen, uns zusammen nochmal hinzulegen und dösten ab und zu weg. Zwischendurch veratmete ich Wehen und versuchte, leise zu sein. Meine Doula atmete alle Wehen mit mir zusammen weg und ich wurde entspannter. Der Kleine ließ uns aber gute, lange Ruhephasen.
Als meine Kinder allerdings morgens erwachten, erwachten auch die Wehen. Kaum war ich aufgestanden, ging es richtig los. Meine Doula machte den Kindern Frühstück, zwischendurch kam sie immer mal zu mir und wir probierten verschiedene Positionen. Sie massierte mein Steißbein mit dem Igelball und leitete auch meine damals 5-jährige Tochter an und zeigte ihr genau, wie und wo sie drücken sollte.
Dann beschloss ich, dass ich erst nochmal in die Wanne gehe. Ich solle nur die Tür nicht abschließen, sagte meine Doula. Ich hatte Mühe, überhaupt ins Bad zu kommen, die Wehen waren echt stark. Schon kurze Zeit später schlich sich meine Doula zu mir an den Badewannenrand, weil sich mein Tönen merkbar veränderte.
Sie legte mir kalte Waschlappen auf die Stirn und meine Tochter brachte mir Wasser zu trinken. Zwischendurch tauchte ich ab und fluchte und schlug mit der Faust gegen den Badewannenrand. Stellenweise reagierte ich panisch. Ich hatte ja auch noch nie eine Geburt unverfälscht gespürt. In einer sehr heftigen Wehe platzte schließlich die Fruchtblase. Meine Doula rief die Hebamme an.
Ich hatte keine Lust mehr und sagte zwischendurch Dinge wie: „Ich will ins Krankenhaus, ich kann nicht mehr, ich möchte eine PDA, holt einen RTW.“ Meine Doula stärkte mich und hielt meine Hand. Die Hebamme wurde von meinem ältesten Sohn reingelassen. Sie kam pünktlich zur Kopfgeburt. Erst rutschte der Kopf nochmal zurück, in der nächsten Presswehen brannte es und der Kopf war da. Der Körper rutschte direkt in der nächsten Wehe ganz hinterher.
Ich nahm meinen Sohn in Empfang und legte ihn mir auf die Brust, fühlte fasziniert wie seine Nabelschnur pulsierte und meine Jüngste, gerade 3 Jahre alt, brachte ihrem neugeborenen Bruder ein Auto. Mein Sohn wurde unruhig, als die Nabelschnur langsam auspulsierte.
Die Plazenta ließ auf sich warten und kam erst, als ich mich auf Anweisung der Hebamme hinstellte und abgenabelt war. Meinen Sohn hielt inzwischen meine Doula, die ihn übrigens auch abnabeln durfte. Ich zog dann ins Wohnzimmer um, wo mein Dammriss genäht wurde.
Viele haben Angst, dass so eine Geburt die Geschwister traumatisieren könnte. Wie haben deine Kinder reagiert?
Meine Kinder haben alle recht unterschiedlich reagiert. Während sich mein mittlerer Sohn mit seinem iPad in sein Zimmer zurückzog, waren meine beiden Töchter eher neugierig und kamen öfter mal nach mir schauen und die Ältere versuchte mich auch aktiv zu unterstützen mit Massagen.
Was ist für dich das Besondere an einer Hausgeburt?
Schlussendlich war für mich das Besondere, in der eigenen häuslichen Atmosphäre selbstbestimmt eine Geburt ohne Intervention von außen erleben zu können. Ich empfand es als Geschenk und es hat mein ganzes Gefühl des Frauseins neu geformt und mir das Gefühl zurückgegeben, dass ich gebären kann – ohne Medikamente.
Gab es aus deinem Umkreis auch Bedenken wegen der Hausgeburt?
Es gab viele Bedenken, aber ich habe nur mit den Menschen drüber geredet, die mir nicht reingequatscht haben. Durch Corona hatte man eh nicht so viel Kontakt zu Menschen, die einem nicht guttaten.
Oft wird ja gesagt. Hausgeburten seien unverantwortlich, weil im Notfall die Klinik zu weit weg ist. Was denkst du dazu?
Ich weiß, dass viele so denken, ich tu das aber nicht. Ich für mich finde Hausgeburten nicht unverantwortlich. Ich denke eher, dass es in Kliniken zu mehr Komplikationen kommt, da viel häufiger unnötig interveniert wird und so der natürliche Ablauf einer Geburt gestört wird. Bei einer Hausgeburt achtet die Hebamme in der Regel auf den Ablauf, aber in einer respektvollen Atmosphäre ohne Zeitdruck in der 1:1 Betreuung oder in meinem Falle einer 2:1 Betreuung.
1 comment
Mir ging es ähnlich. Die Hausgeburten meiner beiden Kinder waren eine sehr heilsame Erfahrung, nachdem ich bei der ersten Geburt nicht so schöne Erfahrungen gemacht hatte. Ich würde allerdings nicht behaupten, dass dies ausschließlich am Geburtsort an sich lag. Es war vielmehr das Gesamtpaket mit beispielsweise kontinuierlicher Begleitung, bessere Vorbereitung und vieles mehr.