Ihr Lieben, ich arbeite ja ehrenamtlich in der Notfallseelsorge, dafür bekommen wir aber immer mal wieder Weiterbildungskurse und nun durfte ich in den ersten zwei von sechs Tagen eines Ausbildungsseminars gute Gesprächsführung üben und aktives Zuhören. Da ich echt gern Wissen teile, das ich sinnvoll finde, nehme ich euch hier mal dahin mit.
Tatsächlich musste ich in dem Seminar relativ viel, was in journalistischen Interviews wichtig ist, hintanstellen, aber Fortbildungen bringen ja auch nur was, wenn man mal eine andere Perspektive einnimmt und so dann ganz viele neue Erkenntnisse erlangt.
Gute Gesprächsführung auch mit Jugendlichen
Die ganze Zeit aber dachte ich: Wow, das lässt sich nicht nur auf die Akutbegleitung in Krisen anwenden, sondern auch ganz wunderbar im Umgang mit Teenagern. Wie viele Eltern schreiben uns, dass es total schwierig ist, mit ihren Heranwachsenden ins Gespräch zu kommen oder die Unterhaltungen nicht eskalieren zu lassen, bis irgendwer augenrollend das Geschehen verlässt.
Kennt ihr den Trend „listen, don´t judge“? Wo einfach mal jemand zuhört – ganz ohne zu bewerten? Bei Instagram hatte ich auch den tollen Zuhörraum von der Initiative Momo hört zu gezeigt, wo einfach jemand sitzt und da ist, während du deine Geschichte mal rauslassen kannst.

Sobald unser Innerstes vom Stimmband über den Mund eine Stimme rausbringt, gehen wir Menschen in die Verarbeitung. So sortieren wir Dinge und ordnen sie für uns ein. Deswegen müssen wir uns manchmal einfach mal freiquatschen und es geht gar nicht um das Gegenüber, sondern um uns selbst.
Da das gesamtgesellschaftlich eher verachtet wird („die labert echt am laufenden Band“) sind wir da manchmal gehemmt, aber wenn es da sein darf? Wenn explizit sogar dazu aufgefordert wird? Wir erlangen im Dinge-aussprechen so viele Erkenntnisse, dass es manchmal gar keinen Rat braucht, nur ein Ohr.
Und fassen wir uns mal selbst an die Nase: Wie oft werten wir direkt, wenn wir etwas erzählt bekommen. Oder verstärken Emotionen, indem wir zustimmen („Oh, ja, das geht ja gaaar nicht, was der/die gemacht hat!“) oder eben Lösungen anbieten („Hast du mal xy versucht?“).
Und ja, das hat natürlich auch alles seine Berechtigung, aber schnell rutschen wir dabei auch in einen Modus des Adultismus oder in eine Tonalität von „Omma erzählt ausm Krieg“, weil wir ja so viel mehr Lebenserfahrung haben.

Da kann es unfassbar gut sein, sich mal vorzunehmen, das Gesagte des Gegenübers einfach so stehenzulassen und anzunehmen, nicht lösungsorientiert, sondern in purer Akzeptanz. Mögt ihr das mit euren Jugendlichen mal ausprobieren?
Wichtig ist: Das soll kein Monolog werden. Wir hören aufmerksam zu und geben dem Gespräch durch Aussagen (nicht durch Fragen! Das ist echt schwierig am Anfang) eine Struktur. Hier einmal ein aus dem Kopf gesponnenes Beispiel, wie so ein Gespräch verlaufen kann.
Denn ja, beim aktiven Zuhören dürfen wir reingrätschen mit Sätzen. Die allein helfen zusätzlich bei der Sortierung. Hier könnt ihr wenig falsch machen, denn wenn das, was ihr sagt, nicht stimmt, gibt es eben Widerworte und auch dabei wird meinem Gegenüber seine Emotion nochmal klarer. Bau ich im folgenden Gespräch mal mit ein:
- Jugendlicher: Mein Vater ist ja nie, der arbeitet immer.
- Ich: Das belastet dich.
- Jugendlicher: Nee, belasten würd ich nicht sagen, ich vermiss ihn eher.
- Ich: Du hättest gern mehr Zeit mit ihm.
- Jugendlicher: Genau. Ich bin ihm viel ähnlicher als meiner Mutter, die ist immer so mit ihren eigenen Sachen beschäftigt.
- Ich: Da fühlst du dich übersehen.
- Jugendlicher: Ja, schon manchmal, aber vor allem ist es dann nie so entspannt, als wenn beide da sind. Die ergänzen sich echt gut.
- Ich: Deine Eltern sind ein gutes Team.
- Jugendlicher: Würd ich schon sagen. Auch wenn sie manchmal streiten…

Es ist wirklich erstaunlich, wie gut das dem Gegenüber tut, wir haben das in etlichen Rollenspielen getestet. Auch ich durfte mal erzählen und ich fühlte mich angenommen und gesehen und einfach gut in diesem Setting.
Ich möchte euch also Mut machen, Dinge auch mal einfach stehenzulassen, nicht zu bewerten, die Kinder kommen zu lassen, ihnen wirklich zuzuhören, denn das bringt Erkenntnisse und Richtungen, die wir sonst vielleicht übersehen hätten.
Das muss gar nicht in einer künstlichen Situation des „Komm, lass mal reden“ hergestellt werden, aber wenn ihr demnächst merkt, dass euer Jugendlicher oder eure Jugendliche Mal ins Reden kommt, dann könnt ihr das ja mal ausprobieren.
Die geben den Weg vor, wir setzen nur Wegmarken in solchen Gesprächen. Und oft sortiert sich eben schon beim Aussprechen so viel, dass wir gar keine externen Lösungsvorschläge brauchen, sonst selbst auf die besten Ideen kommen.
Ich find´s jedenfalls faszinierend, was so eine Technik bewirken kann (und ich war auch skeptisch!). Mögt ihr das mal testen und mit danach davon berichten? Ihr könnt das auch gern erstmal bei einer guten Freundin zum Abendessen oder in eurer Partnerschaft testen… ich bin gespannt, was ihr erzählt.