Ihr Lieben, in ihrem Pappbuch „Mein artgerecht-Geschwisterbuch“ geht es um zwei Eichhörnchen-Geschwister, die sich die Butter auf dem Brot nicht gönnen: „Ich zuerst!“ „Nein, ich!“ rufen sie sich schon auf der Titelseite zu. Wie wir das alle kennen!
Und es geht auch direkt damit los, dass Mama ja keinen Streit mag. Ich nämlich auch nicht! Trotzdem hatten auch wir hier Streit wie bei den Rohrspatzen und ich finde es gut, dann auch schon für die ganz Kleinen ein realitätsnahes Buch zum Thema zur Hand zu haben. Es wird nämlich schon ab zwei Jahren empfohlen.
Die Geschwister darin streiten um den Becher beim Frühstück, um die letzte Nuss, die die Kleine ihrem Bruder einfach wegisst und um vieles mehr. Aber: Sie erleben auch schöne Momente zusammen, wenn sie sich dann doch mal gegenseitig helfen. Oder wenn Mama tröstet statt zu schimpfen. Warum der Autorin das so wichtig ist? Das haben wir sie selbst gefragt:

Liebe Nicola, dein artgerecht-Geschwisterbuch richtet sich an Kinder ab 2! Warum war es dir wichtig, schon in dieser Altersgruppe klarzumachen, dass es zu Konflikten kommen kann?
Es ist das, was die Kinder erleben: Ich bekomme ein Geschwisterchen und hatte gedacht, toll, jetzt habe ich jemanden zum Spielen und stattdessen kommt da jemand, der mir meine Sachen wegnimmt, meine Mama beschäftigt und immer im Weg ist. Wir Eltern denken ja oft: Du bist doch jetzt großer Bruder, sei bitte vernünftig! Aber das „große“ Geschwisterchen ist oft ja auch erst zwei oder drei Jahre alt, wir haben also eigentlich zwei Babys im Haus. Sie können schon vieles, aber Konflikte lösen ist eine komplizierte Sache.
Hast du eine Erklärung dafür, dass sich Kinder um einen blauen Becher streiten, wenn doch das Trinken aus dem roten genauso schmecken würde?

Kennst du das, wenn du einen Plan für den Nachmittag hattest – und dann klappt es nicht, weil sich die Kinder nicht anziehen wollen, oder beim Losgehen streiten oder der Babysitter ausfällt? Wie fühlen wir uns dann? Wir sind frustriert und versuchen oft, es irgendwie noch hinzukriegen. Das gleiche ist es bei den Kindern: Sie haben das Bild im Kopf: Ich trinke aus dem blauen Becher. Dann den roten zu bekommen, ist frustrierend. Das Bild im Kopf passt nicht mit der Wirklichkeit zusammen und das erzeugt Stress.
Wie können wir als Eltern unseren Kindern schon von Anfang an Lösungskompetenzen mit auf den Weg geben?
Indem wir es ihnen vorleben, vorschlagen und ihnen Zeit geben. Sie brauchen viele Jahre, um zu lernen, wie man Konflikte löst. Und ganz ehrlich: Eigentlich üben wir das als Menschen doch ein Leben lang.
Im hinteren Teil deines Buches stehen einige Tipps für Eltern, unter anderem: „Wir rasten niemals aus“. Dieses Nie zum Beispiel haben wir nicht geschafft. Du doch auch nicht, oder?
Nein, natürlich nicht. Es geht eher darum, sich das vor Augen zu halten. Eine Zeit lang hieß es ja: Eltern dürfen ruhig einmal am Tag ausrasten, sie sind ja auch nur Menschen. Leider deckt sich das nicht mit der Forschung. Wo immer es geht, vermeiden wir, die Kinder zu erschrecken oder die Kontrolle zu verlieren. Warum? Weil sie dann einfach viel langsamer lernen – unter Stress lernt es sich nämlich gar nicht gut – und wir uns die Erziehung noch schwieriger machen.
Du schreibst: „Geschwister sind so unterschiedlich wie zufällig auf dem Spielplatz ausgewählte Kinder“. ABER SIE SIND DOCH VERWANDT, denkt man da. Wie kann der Blick auf die Unterschiedlichkeit trotzdem helfen?

Viele Eltern wollen gerecht sein. Das ist auch wichtig, besonders im Alter von 3-4 Jahren haben Kinder einen sehr ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Aber „gerecht“ heißt nicht, dass alle Kinder alles gleich machen oder bekommen. Es ist nicht gerecht, wenn das ältere Kind genau zur gleichen Zeit ins Bett muss wie das Jüngere oder wenn ich beiden Lego schenke, obwohl nur ein Kind gerne Lego baut. Zudem müssen sie nicht die gleichen Talente haben: Einem Kind fällt Klavierspielen vielleicht leichter, deswegen darf das andere trotzdem Klavier spielen, wenn es Spaß daran hat.
Es muss nicht „genauso gut“ sein. Und unsere Kinder dürfen z.B. unterschiedlich ordentlich, sportlich oder kooperativ sein. Manchmal fragen wir uns: „Aber ihr Bruder ist so ausgeglichen, warum ist sie so anders? Was machen wir falsch?“ Wir machen nichts falsch, jedes Kind wird einen eigenen Weg zur Ausgeglichenheit finden – wenn wir uns daran erinnern, dass sie zwei völlig unterschiedliche Menschen sind, machen wir uns weniger Sorgen.

Wie kann also aus Geschwistern ein Team werden? Unter den erwähnten Tipps am Ende des Buches werden zum Beispiel auch folgende aufgelistet: Die Kinder nicht vergleichen, im Streit nicht Partei ergreifen, nicht zu viel vom „großen“ Kind erwarten, nicht zu sagen: „Ist doch nicht so schlimm“, die Rangordnung beachten.
Die Sachen der Großen nicht ohne Zustimmung ans kleinere Geschwister weitergeben, negative Gefühle auch mal zuzulassen, um auch positive zu ermöglichen und Regression erlauben. Wenn auch das große Kind nochmal auf den Schoß mag – zulassen. Ungestillte Bedürfnisse tauchen immer wieder auf, verschwinden jedoch, wenn wir sie erfüllen. Habt ihr sonst noch Fragen an Nicola Schmidt zum Thema?