Ihr Lieben, als wir neulich mal bei Facebook nach Geschichten zu traumatischen Geburtserfahrungen fragten, meldete sich auch Sandra bei uns. Sie war schwanger mit Drillingen – zwei Jungen, ein Mädchen – verlor ihre Tochter aber unter der Geburt. Der Umgang mit ihr führte bei Sandra und ihrem Mann zu einem Geburtstrauma. Hier erzählt sie uns ihre Geschichte von Abschied und Neuanfang.
Triggerwarnung: Kindstod und nicht ernstgenommen werden von Klinikpersonal.
Liebe Sandra, beschreib uns mal deine Gefühle in dem Moment, in dem du erfahren hast, dass du Drillinge erwartest.
Ich war skeptisch und felsenfest davon überzeugt, dass die dritte Fruchthülle eine Pseudofruchthülle war oder sich später nicht weiterentwickelt, da ich ja nur zwei befruchtete Eizellen transferiert bekommen hatte… es sollte aber anders kommen und ich war tatsächlich mit Drillingen schwanger.
Wie verlief die Schwangerschaft mit den Dreien?
Anfangs sehr holprig mit vielen Blutungen in der Frühschwangerschaft. Diese Schwangerschaft war mit viel Angst behaftet, da ich schon fünf Babys sehr früh verloren hatte. Ab der 13. Schwangerschaftswoche wurde die Angst dann weniger und ich hatte ein paar sehr schöne Wochen – bis sich in der 22. Schwangerschaftswoche der Gebärmutterhals verkürzte und ich in die Klinik musste, um eine Cerclage zu bekommen. Die Zeit in der Klinik war nicht schön.
In welcher Schwangerschaftswoche ging die Geburt los?
Letztendlich ging die Geburt in Woche 30+2 los. Ich sollte wieder stationär aufgenommen werden, um kein Risiko einzugehen. Bei der Aufnahmeuntersuchung (die vaginal durchgeführt wurde) platzte die Fruchtblase meiner Drillingstochter.
Schon vor der Geburt wurdest du nicht richtig ernstgenommen, erzähl mal.
Ach, da gäbe es so viel zu erzählen, aber das Prägendste war eigentlich der Abend vor dem Notkaiserschnitt. Mir wurde erklärt, dass ich keine Wehen habe, wenn der Wehenschreiber keine aufzeichnet. Damit ich die Nacht gut schlafen könne, wurde mir ein starkes Beruhigungsmittel über die Vene verabreicht (Diazepam). Das war für mich der Beweis, dass ich als Hypochonderin abgestempelt war.
Die Entbindung bzw. der Not-Kaiserschnitt verlief dann nicht komplikationslos, eins eurer Kinder erlitt einen septischen Schock… ein weiteres musste reanimiert werden… Auch du gerietst in Lebensgefahr, was genau war passiert?
Meine Drillingstochter, deren Fruchtblase geplatzt war, setzte vor lauter Stress durch die Wehen – die laut Ärzten keine waren – Mekonium ab. Von da an ging es relativ flott. Ich bekam hohes Fieber, Schüttelfrost und Atemnot. Die Wehenschmerzen taten ihr Übriges. Ich wurde in den Kreißsaal gebracht, genau genommen ins CTG-Zimmer. Dort wurden wir warten gelassen.
Mein Mann versuchte immer wieder, jemanden in den Raum zu bewegen. Er wurde mit den Worten vertröstet: Es kommt gleich jemand. 30 Minuten vergingen, bis eine Assistenzärztin samt Hebamme den Raum betraten. Noch immer hatten sie den eigentlichen Notfall nicht erkannt.
In dieser Ausnahmesituation wurdest du zu allem Übel auch noch herabwürdigend behandelt, auch daher rührt dein Geburtstrauma. Eine Schwester sagte: „Atmen Sie richtig, Ihre Kinder brauchen den Sauerstoff“, obwohl du da bereits Atemnot und eine Sepsis hattest…
Ich hätte diese rote Hexe am liebsten angeschrien aber ich konnte nicht. Ich war überhaupt nicht mehr in der Lage, überhaupt zu reagieren.
Deine Drillingstochter starb dann, hattest du irgendeine Möglichkeit, dich von ihr zu verabschieden?
Meinem Mann wurde sprichwörtlich die Pistole auf die Brust gesetzt. Entweder er nimmt Noreia mit zu mir auf die Intensivstation oder sie kommt sofort in die Kühlkammer. Er kam dann mit ihr auf dem Arm quer durch die Klinik gelaufen, damit ich sie wenigstens einmal sehen konnte. Dort entstand dann auch dieses Foto.
Ich war mehr völlig am Ende, immer noch mit über 40 Fieber und hatte 15 Minuten mit meiner Kleinen. Rückwirkend betrachtet kann ich überhaupt nicht sagen, wie sie genau aussah, wie sie roch, wie schwer sie war. Alles lief wie ein Film ab. Uns wurde überhaupt keine Möglichkeit gegeben, sie zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal zu sehen.
Wie ging es dir in den darauffolgenden Tagen mit der Parallelität der Gefühle – mit der gleichzeitigen Freude über deine zwei gesunden Kinder und der Trauer um deine Drillingstochter?
Tatsächlich habe ich nur funktioniert. Die Sepsis schlug jede Nacht mit voller Wucht wieder zu. Jede Nacht Fieber und kalter Schweiß. Ich war so dermaßen schwach und hatte kaum aushaltbare Schmerzen durch den Kaiserschnitt. Als ich meine Jungs das erste Mal gesehen habe, war da nur die Frage: Sind das wirklich meine?
Dann die Gedanken: Geht hier wirklich alles mit rechten Dingen zu? Meine positiven Gefühle waren völlig abgespalten von mir, die Trauer aber genauso. Tränen liefen, aber ich fühlte dabei nur Taubheit.
Wie ging es deinem Partner in dieser Zeit?
Wie ging es meinem Mann? Gute Frage. Er funktionierte wie ein Roboter. Passte auf der Kinderintensivstation auf die Jungs auf, wollte über jeden Schritt der Pflegenden informiert sein. Er pendelte fast stündlich zwischen mir auf der Wöchnerinnenstation und der Kinderintensiv. Er war rast- und ruhelos. Schlief nachts vielleicht zwei Stunden, um dann wieder zu den Jungs zu gehen.
Zur Erklärung. Ich war trotz Sepsis nicht lange auf der Intensivstation. Unsere Kinder sind in der Nacht des 6. August per Notsectio geboren worden um 22.05 Uhr, 22.06 Uhr und 22.07 Uhr. Um ca. 23.45 Uhr erwachte ich auf der Intensivstation. Um etwa 15 Uhr am 7. August wurde ich schon verlegt auf dieWöchnerinnenstation, mit kurzem Zwischenstopp auf der Kinderintensivstation.
Wann konntest du aus der Klinik entlassen werden?
Besser wäre die Frage: Wann bist du entlassen worden? Ich wurde am 14. August aus der Klinik entlassen.
Eigentlich sollte ich schon am 13.8. entlassen werden, mir fehlte aber ein Tag an Antibiotikagabe, da mir alle Zugänge zugeschwollen waren und ich erst einen Tag später einen Zentralenvenenkatheter (ZVK) bekommen habe.
Sprich: Ich hatte eine Sepsis mit Kurzaufenthalt auf der Intensivstation und war insgesamt nach Sepsis und Kaiserschnitt acht Tage im Krankenhaus. Ohne weitere Nachsorge der Sepsis… nur die Kaiserschnittnarbe sollte ich zwei Wochen später bei meiner Ärztin kontrollieren lassen. Da kam es aber schon eher zu, da sich die äußere Narbe durch ein Hämatom geöffnet hatte. Unsere Jungs wurden dann drei Tage nach meiner Entlassung in ein heimatnahes Krankenhaus verlegt.
Wie geht es dir und deinen Jungs heute?
Ich habe eine posttraumatische Belastungsstörung durch dieses Krankenhaus und die Geburtssituation. Alex, mein Mann ist seit dem Tag der Geburt arbeitsunfähig erkrankt. Er hatte große Sorge, uns alle zu verlieren. Seine Erkrankung nennt man komplexe posttraumatische Belastungsstörung. Er hat immer noch Schlafstörungen und dadurch Konzentrationsstörungen. Er wurde berentet.
Wir hatten aber – so sehe ich das – trotz all der Umstände Glück im Unglück. Unsere Jungs sind ohne Umwege durch die Frühchen-Zeit marschiert. Keine Spätfolgen – zumindest jetzt über sechs Jahre später sind keine zu erkennen. Und daran halten wir uns fest.
3 comments
Schade das heutzutage so umgegangen wird in Kliniken und dadurch soviel Schaden und Leid entsteht. Ich wünsche euch alles Gute und trotzdem eine positive Zukunft……
Ich selber habe auch ein Geburtstrauma, was mich seit 5 Jahren immer mal wieder belastet……… Schlimm was in Kliniken passiert……..
Was für ein Wahnsinn. Es tut mir unendlich leid für euer Mädchen.
Ich wünsche eurer Familie alles Gute und Liebe!
Was für ein schreckliches Schicksal. Mein tiefes Mitgefühl für eure Familie und gleichzeitig Hochachtung, dass ihr euren Jungs zuliebe „weitermacht“.