Ich bin Alexandra und eine Mama eines elfjährigen Jungen. „Mama oder Mutter“ – was für ein Wort! Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie mir mein Sohn nach der Geburt auf den Bauch gelegt wurde. „Jetzt bist Du also Mama", sagten alle und warteten darauf, dass ich in Tränen vor Glück ausbreche. Aber diese grenzenlose Freude überkam mich einfach nicht, ich musste mich erstmal an dieses kleine Bündel Mensch gewöhnen. Ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass ich etwas anders ticke als die anderen frischgebackenen Mütter. Und ich fragte mich, ob irgendwas nicht mit mir stimme…
Die Hebamme gab mir meinen Sohn, damit ich ihn anlegen konnte. Ich sagte ihr, dass ich nicht stillen möchte. Nie werde ich den Blick der Hebamme vergessen. Ich dachte: "Oh, so macht man sich also am schnellsten im Kreißsaal unbeliebt." Warum ich nicht stillen wollte? Es war mir einfach von Beginn der Schwangerschaft klar, dass mein Sohn später die Flasche bekommen würde. Und daran hatte sich auch durch die Geburt nichts geändert.
Ich wurde auf die Wochenbettstation gebracht. Meine Bettnachbarin war so, wie man sich eine "richtige" Mutter vorstellt – überglücklich. Sie hatte ihr Kind die ganze Zeit im Arm. Mein Sohn schlief dagegen friedlich in seinem Bettchen. Er war gut drei Stunden alt und ich konnte es immer noch nicht glauben, dass das wirklich mein Sohn war. Ich sachte: "Hallo,Muttergefühle, wann kommt Ihr?"
Als es Abend wurde, verhielt ich mich das nächste Mal "untypisch." Ich war doch sehr geschafft von der Entbindung und fragte die Nachtschwester, ob sie meinen Sohn bis zum nächsten Morgen mit auf die Säuglingsstation nehmen könnte. Ich sei doch sehr müde von der Geburt und müsse ein paar Stunden schlafen.
Es war, als würden Blitze durch das Zimmer zucken. Meine Bettnachbarin und die Schwester waren entsetzt. Die Nachtschwester sagte dann: „Ach ja, sie stillen ja nicht! Dann brauchen wir Ihren Sohn ja nicht bringen, wenn er Hunger hat.“ Es war deutlich zu spüren, wie seltsam die beiden Frauen meine Frage fanden. Ich hingegen dachte: "Bald bist Du zu Hause und musst jede Nacht aufstehen. Versuch wenigstens am Tag nach der Geburt durch Schlaf Kraft zu sammeln." Allein solche Gedanken zu haben, schien verwerflich zu sein.
Um ehrlich zu sein, wusste ich schon immer, dass ich nicht die typische Mama sein werde. Meine Schwangerschaft war nicht geplant, zwei Wochen überlegte ich, ob ich dieses Baby haben möchte – und entschied mich dafür. Und dennoch fehlte mir das ganze Drumherum. Das merkte ich auch, als wir nach drei Tagen das Krankenhaus verließen. Ich stand vor dem Auto und dachte: "Huch, wie schnallt man denn den Maxi Cosi fest?" Darüber hatte ich mich nicht informiert.
Und als wir nach Hause kamen, fiel mir auf, dass die Fläschchen noch verpackt waren und nicht wie bei anderen Mamas durchsterilisiert und schön aufgestellt. Auch zum Thema Schlaf hatte ich mir wenig Gedanken gemacht. Der Kleine schlief ab der ersten Nacht in seinem eigenen Bett in seinem eigenen Zimmer. Wenn befreundete Paare mit Säuglingen zu Besuch kamen, waren doch einige entsetzt, dass das arme Baby in seinem eigenen Zimmer schlafen muss. Aber ich dachte: Warum nicht? Es klappt doch gut.
Als mein Sohn größer wurde, ging er von 8 bis 15 Uhr in die Kita – obwohl ich nur bis 12.30 Uhr gearbeitet habe. Das verurteilten viele und konnten nicht verstehen, warum ich mir nach der Arbeit noch eine kleine Auszeit alleine gönne und Sachen erledige, die mit Kind nur viel länger dauern. Und es war für viele auch schwer zu verstehen, dass der Vater des Jungen und ich ohne unser Kind Urlaub gemacht haben, als der Kleine zwei Jahre alt war. Es war einfach wichtig für uns als Paar.
Als mein Sohn vier Jahre alt war, scheiterte leider meine Beziehung zu dem Kindsvater. Wir zogen in eine kleine Wohnung. Wir wohnen in einem kleinen Ort, da ist Trennung eine große Sache und es wurde viel getuschelt. Ich kenne viele Frauen, die nur noch wegen der Kinder mit ihren Männern zusammen sind und ihre Männer nur noch "ertragen". Das kam für mich nicht in Frage. Wir trennten uns – und mein Ex und mein Sohn haben ein gutes Verhältnis.
Immer wenn mein Sohn bei seinem Vater war, hatte ich das Gefühl, alle erwarten, dass ich in ein Kissen weinen und ihn vermissen müsse. Aber dem war nicht so. Ich freute mich für mein Kind, dass es Zeit mit seinem Vater verbringen kann und für mich waren diese Wochenende ohne Kind auch schön. Ich ging tanzen bis die Sonne aufging und kam mit den Schuhen in der Hand nach Hause, weil meine Füße wundgetanzt waren. Ich hatte einfach Spaß, ohne schlechtes Gewissen. Ich bin doch nicht nur Mutter sondern auch noch Frau. Ich habe so viele Interessen, die nicht nur das Kind betreffen.
Seit drei Jahren bin ich wieder in einer sehr glücklichen Beziehung -mein neuer Partner hat auch ein Kind. .Nun sind wir eine richtige Patchwork Familie mit einem Sohn und einer Tochter. Es ist nicht immer leicht, aber mit Geduld und Spucke klappt es. Mein neuer Partner und ich haben kurz darüber nachgedacht, noch ein gemeinsames Kind zu bekommen – uns aber dann dagegen entschieden. Wir sind nicht mehr die Jüngsten und unsere beiden Kinder schon so groß, dass sie auch mal kurz alleine zu Hause bleiben können. Wir haben einfach schon wieder Freiheiten – und ich hatte keine Lust, noch einmal alles von vorne zu machen.
Das Schönste ist, wenn ich mir meinen fast zwölfjährigen tollen Sohn ansehe. Er hat mir erst kürzlich gesagt, dass wir zwar damals, als wir alleine waren, nicht viel Geld hatten, es uns aber trotzdem an nichts gefehlt hat. Ich bin fast geplatzt vor Stolz. Ich habe ihn dann in den Arm genommen und ganz fest gedrückt und ihm gesagt, wie lieb ich ihn habe. Die Zeiten des Kuscheln werden ja langsam weniger, deshalb genieße ich diese Momente ganz besonders.
Diese Momente zeigen mir auch, dass ich vielleicht keine tpyische Mama bin – aber dass ich trotzdem eine gute Mutter bin. Wenn ich meinen Sohn so ansehe, kann ich nicht alles falsch gemacht haben. Er ist so ein lieber, verständnisvoller Junge mit einem super Sozialverhalten! Ich bin so stolz auf ihn und freue mich schon auf die nächsten spannenden Jahr mit ihm. Ach ja, das Beste kommt zum Schluss. Wenn ich meinen Partner heiraten sollte, soll mich mein Sohn zum Altar bringen. Und das rührt selbst eine nicht so typische Mutter wie mich zu Tränen!
Foto: Pixabay
9 comments
Leben und leben lassen!
Was genau die typische Mutter sein soll weiß ich auch nicht. Jeder hat doch seinen eigenen Lebensstil und dieser fließt bis zu einem gewissen Grad natürlich auch in die Elternschaft mit ein. Man wird ja nicht zu einem komplett anderen Menschen nur weil man ein Kind bekommt.
Allerdings hat ein Kind natürlich gewisse Bedürfnisse und dieser sollte man sich als Elternteil schon bewusst sein. Dass zB Stillen die beste Ernährung für einen Säugling ist, ist einfach Fakt. Dass ein Baby Nähe und Körperkontakt benötigt auch. Da muss halt jeder für sich den optimalen Weg finden zwischen Bedürfnisse des Kindes berücksichtigen und eigene Grenzen wahren.
Schade
Schade, dass hier immer öfter Beiträge gebracht werden, die suggerieren sollen, dass eine bestimmte Art und Weise Eltern zu sein richtiger oder besser oder erstrebenswerter ist, als andere. Stimmen oder nicht Stimmen, Kita früh oder erst später, etc. Jeder wie er möchte.
Aber dieser Beitrag sucht doch irgendwie krampfhaft Streit, oder? Vielleicht bin ich da empfindlich, aber ich finde das unnötig.
Mir stellen sich auch Fragen
Hi, Hi, ich hatte auch sofort ein Fragezeichen in den Augen, was mir der Beitrag sagen soll? Ist es toll ein Kind möglichst unemotional aufwachsen zu lassen, oder cool sich weiter im Vordergrund zu sehen? Ich denke die Realität sind doch eh meist Mischformen der Extreme… ich bin z. B. bei beiden Kids mit jeweils 1 Jahr beruflich fast voll wieder eingestiegen. Was bedeutet hat, dass die Beiden sogar auch länger als bis 15:00 Uhr im Kiga waren… dennoch hole ich sie auch als „Mittagskind“ mal ab, wenn es zeitlich passt. Ich begleite auch Wandertage in Kiga und Schule, wenn es passt. In der gemeinsamen Zeit bin ich gerne für die Kids da, nehme mir selber aber auch regelmäßige Auszeiten (Mittagspausen, am Abend oder ein WE mit Freundinnen). Wir leben das Familienbett usw… also einfach alles so, wie das Leben so ist. Daher frage ich mich immer, was denn überhaupt typische Mama sein soll und ob es ein Maßstab ist? Jeder bringt doch seine eigene Mentalität mit ins Leben und lebt dann möglichst das Leben was zu ihm passt ;-)!
Ich würde mich auch als
Ich würde mich auch als untypisch bezeichnen. Allerdings kann ich diesen beschriebenen nonchalanten Umgang nicht nachvollziehen, verurteile die Autorin aber keinesfalls! Vieles im Text weist doch entweder auf mangelnde Planung (ok, es soll auch spontane Menschen geben) oder andere Prioritätensetzung (legitim) hin. Ich frage mich nur, warum die genannten Entscheidungen so final, so alternativlos getroffen wurden und scheinbar Rechtfertigungsdruck besteht. Wenn jemand so anders tickt wie behauptet, wird er seine eigene Einstellung doch nicht ständig hinterfragen. Wie gesagt, ich habe keine Intention und schon gar kein Recht, die Autorin zu kritisieren, jedoch fällt auf, dass alternative Lebensentwürfe oder was dafür gehalten wird, neuerdings auf eine seltsame Weise glorifiziert werden. Nur nicht Status-quo-Mama, nur nicht normal, scheint der Tenor zu sein. Das bedeutet keine individuelle Wertung, ob gute Mutter oder nicht, sondern ist ein Trend in Medien und Gesprächen. Es ist ein Symptom von Verunsicherung, ruft aber weitere hervor. Natürlich ist keiner gezwungen, etwas zu tun, nur weil es angeblich optimal wäre, mir fällt aber auf, dass viele sich zum Gegenteil gezwungen fühlen. Z.B. Arbeiten mit 1 Jahr, obwohl anders gewünscht, begründet nur mit der Angst, den Anschluss zu verlieren. Ist das emanzipiert oder doch wieder duckmäuserisch bzgl. externer Erwartungen? Das Phänomen gleicht der Situation des „untypischen“ Menschens, der sich einer Szene zugehörigt fühlt, um seinen Individualismus auszuleben, gleichzeitig aber sich in Kleiderwahl und Musikgeschmack dem Szenevorbild anpasst. Zum konkreten Text: Ein anfängliches Stillen für Bindung und wegen des Kolostrums wäre ein sinnvoller Kompromiss gewesen, gleich danach Abstillen ist schließlich möglich. Überhaupt der Automatismus des Gedankens, dass sich die Babyplanung nach dem Lebens zu richten hat („…Kind behalten?“). Ich kann es auch nach fast 1 Jahr manchmal nicht glauben, jetzt Mutter zu sein, ich finde das nicht ungewöhnlich. Die Szene mit dem Autositz kenne ich auch, die Installation haben wir auf dem KH-Parkplatz ergooglet. Kurz:Ich verstehe die Autorin in vielen Punkten, bin nur ob des plakativen Charakters des Textes verwirrt.
Wow
Dieser Kommentar ist fast noch interessanter als der Beitrag selbst. danke dafür 😉
Treffender und fundierter Kommentar
Vielen Dank für diesen tollen Kommentar unter einem sehr fragwürdigen und plakativen Artikel. Dem ist nichts mehr hinzufügen
Kann mich nur anschließen
Super Kommentar!
Wow! Wunderbarer Kommentar!
Wow! Wunderbarer Kommentar!
Typische Mutter?
Ach, wir sind doch alle verschiedene Menschen – ob mit oder ohne Kind. Ich finde die Mama nicht außergewöhnlich, sondern authentisch. Wir gestalten alle unser Leben als Eltern so, wie wir es selbst am besten finden 🙂