"Ich kann mich noch genau erinnern, dass ich am Abend vor der entscheidenden Nachricht mit Freunden und meinem Mann beim Essen saß. Ich war absolut überzeugt, dass ich NICHT schwanger bin: Keine Übelkeit, kein Ziehen in der Brust, keine Müdigkeit, nichts. Ich fühlte mich einfach frustrierend normal.
Am nächsten Tag musste ich morgens zur Blutabnahme, mittags gab es dann die Ergebnisse. Da ich aufgrund einer hormonellen Störung namens PCO-Syndrom nicht einfach so schwanger werden kann, wurde unser Kinderwunsch von Anfang an ärztlich begleitet, daher auch die Blutentnahme zum Schwangerschaftstest.
Montags saß ich mittags im Büro und wartete zur vereinbarten Zeit auf den entscheidenden Anruf – innerlich schon vorbereitet auf schlechte Nachrichten. Das Gespräch war kurz, in Gedanken habe ich das Wichtigste auf meinem Notizblock mitgekritzelt. Ich legte auf und schaute auf den Block: „Deutlich positiv“.
Ich glaube, ich musste es dreimal lesen, bevor die Botschaft in meinem Kopf ankam. Im Nachhinein weiß ich, dass ich „deutlich“ positiv auch ein deutlicher Hinweis auf Zwillinge ist – das war mir damals aber noch nicht klar.
Wenige Tage später hatte ich den ersten Termin beim Frauenarzt. Im Ultraschall sah man deutlich EINEN Herzschlag – und einen kleinen Punkt. Der Frauenarzt sagte, das könne noch ein zweiter Embryo sein, oder eben nicht. Zwei lange Wochen später gab es die Bestätigung: Zwillinge.
Ich war überrascht würde ich sagen. Überrascht, aber nicht geschockt. Theoretisch besteht bei künstlichen Befruchtungen eine etwas höhere Wahrscheinlichkeit auf Mehrlinge, aber die Wahrscheinlichkeit ist trotzdem gering. Mein Mann brauchte erstmal ein paar Tage, um sich an den Gedanken zu gewöhnen.
Ich kann mich erinnern, dass ich mir damals einen speziellen Ratgeber für Zwillinge zugelegt habe. Allerdings waren die Geschichten dort dermaßen angsteinflößend, dass ich das Buch tatsächlich zurück geschickt habe. Ich besorgte mir stattdessen einen normalen Schwangerschaftsratgeber, bei dem man dachte, die Auswahl des richtigen Schlafsacks sei das größte Problem beim Eltern werden. Aber das war mir lieber als schon vor der Geburt in Panik zu verfallen.
Die ersten drei Monate der Schwangerschaft verliefen relativ unaufgeregt. Mir war ab und zu etwas übel, aber insgesamt habe ich mich gut gefühlt. Nur auf Kaffee hatte ich leider gar keine Lust – ab und zu wollte ich gern mal einen Kaffee trinken, aber beim puren Geruch ist mir die Lust leider wieder vergangen.
In der 14. Woche hatten wir abends Besuch und waren später im Bett als üblich. Mitten in der Nacht wachte ich auf und fühlte mich nicht gut. Ich ging zur Toilette und hatte Blutungen. Ich erspare euch die Details, aber ich war mir sicher, dass ich mindestens ein Kind verloren hatte.
Panisch weckte ich meinen Mann und wir fuhren ins nächstbeste Krankenhaus. Das war der vermutlich schlimmste Moment meiner Schwangerschaft. Ich war in Panik und kaum ansprechbar, obwohl ich sonst ein sehr kontrollierter Mensch bin. Ihr könnt euch meine Erleichterung vorstellen, als tatsächlich mit beiden Babys alles ok war. Wir durften wieder nach Hause.
In den kommenden Wochen war ich vor allen Dingen müde, ansonsten ging es mir gut. Wir fuhren nochmal in den Urlaub, das Leben ging weiter. Ich hatte auch eine kompetente Hebamme gefunden, die gut zur mir passte und viel Erfahrung hatte – auch mit Zwillingen.
Ungefähr um Weihnachten fühlte ich mich jeden Tag etwas schlechter: Ich war erschöpft, musste mich ab und zu hinlegen, weil ich nicht mehr sitzen konnte. Nach Silvester hatte ich wieder einen Termin bei meinem Frauenarzt, das war ungefähr in der 26. Woche. Mein Gebärmutterhals war etwas verkürzt, er schrieb mich krank. Eine Woche später hatte ich einen Termin zur Untersuchung im Krankenhaus. Mein Frauenarzt hatte mit mir vereinbart, dass im letzten Trimester die Untersuchungen abwechselnd bei ihm und im Krankenhaus stattfinden, da Zwillinge eben eine Risikoschwangerschaft sind.
Doch leider kamen vorzeitige Wehen und ich musste ins Krankenhaus. In den ersten zwei Wochen war ich noch frohen Mutes, dass ich bald nach Hause darf. Leider hatte ich kontinuierlich Wehen, die auch immer deutlich im CTG zu sehen waren.
Wenigstens durfte ich nach einigen Tagen den Wehenhemmer absetzen und habe ab dann nur noch Tabletten bekommen, die bei mir auch recht gut funktioniert haben. Naja, zumindest bis zur 33. Woche. Zu diesem Zeitpunkt lag ich schon ungefähr fünf Wochen im Krankenhaus, und mir war klar, dass ich Frühchen haben werde und vor der Geburt nicht mehr nach Hause komme. Ich hatte auch schon die Frühchenstation gesehen und mit den Schwestern gesprochen, daher hatte das Thema Frühchen seinen Schrecken etwas verloren, zumal meine Zwillinge ja „späte“ Frühchen sein würden.
In der Nacht vor der Geburtsnacht hatte ich stärkere Wehen und meldete mich morgens bei der Visite freiwillig zur Untersuchung. Wie erwartet war der Muttermund schon leicht geöffnet.
Am nächsten Morgen gegen 5 Uhr wurden die Zwillinge mit 20-minütigem Abstand spontan geboren – 6,5 Wochen vor dem errechneten Termin. Da die beiden meine ersten (und einzigen) Kinder sind fehlt mir der Vergleich, aber eines weiß ich sicher: Das zweite Kind „flutscht“ nicht einfach hinterher, sondern ist echte Arbeit – zumindest wenn das zweite Kind schwerer ist und in Beckenendlage geboren wird. Aber ich fand es großartig, dass ich die beiden spontan auf die Welt bringen durfte, trotz Frühgeburt, Zwillinge und Beckenendlage beim zweiten Kind.
Nach einigen Wochen (ungefähr bis zum errechneten Geburtstermin) durften wir die beiden mit nach Hause nehmen – und das Abenteuer Zwillinge ging richtig los.
Die beiden sind jetzt fast 7 Jahre alt – und es ist einfach eine großartige Erfahrung, Zwillinge zu haben. Kurz gesagt: Die ersten beiden Jahre ist man im Überlebensmodus, und ab dem 3. Geburtstag ungefähr wird es spürbar jeden Tag entspannter."